FALCONER: Interview mit Stefan Weinerhall

01.01.1970 | 01:00

Angesichts des formidablen Zweitlings "Chapters From A Vale Forlorn" musste natürlich auch ein Interview her. Bandkopf Stefan Weinerhall stellte sich geduldig meinen Fragen, und erwies sich dabei als ziemlich humorvoll und gesprächsfreudig. Mist, das Image des schweigsamen und introvertierten Skandinaviers löst sich auch immer mehr in Luft auf. Here we go:

Rouven:
Stefan, erzähl´ doch mal in eigenen Worten, was ihr im Vergleich zum Debutalbum geändert habt.

Stefan:
Hm, erst einmal muss ich sagen, dass sich all diese Unterschiede beim Songwriting so ergeben haben, wie du sie jetzt auf "Chapters..." hörst. Da lag keinerlei Absicht dahinter, etwas zu verändern. Aber ich denke, es gibt schon eine Menge Unterschiede im Vergleich mit unserem Debut. Ich würde unsere Musik jetzt auch definitiv nicht mehr "Power Metal" nennen, da wir dafür zu vielschichtig geworden sind. Die meisten Unterschiede liegen wohl im etwas gedrosselten Tempo sowie bei den Melodien, ich habe mir nämlich Mühe gegeben, dem Bandkonzept entsprechend verstärkt auf der folkigen/medieval-Schiene zu fahren.

Rouven:
Auch wenn man FALCONER wohl kaum als Viking Metal-Band bezeichnen kann, so denke ich doch, dass zumindest bei "We Sold Our Homesteads" und "Stand In Veneration" gewisse Einflüsse aus der nordischen Mythologie bzw. der schwedischen Geschichte ausmachen lassen. Stimmt das?

Stefan:
Argh, kein Viking Metal mehr (lacht)! Das habe ich jahrelang mit MITHOTYN gemacht, und dabei musste ich auch noch fast alle Texte schreiben. Das reicht mir jetzt wirklich. "We Sold Our Homesteads" ist in der Tat ein schwedisches Volkslied, ja. Es geht um die schwedischen Auswanderer nach Amerika irgendwann im 19. Jahrhundert, und um die Strapazen, die sie erleiden mussten. Wir haben den Text diesmal aber ins Englische übersetzt, so dass der Hörer den doch sehr emotionalen Text besser nachvollziehen kann. Die Melodien hingegen spielen wir aber wie beim Original. "Stand In Veneration" behandelt eigentlich gar nicht die nordische Mythologie, auch wenn das beim ersten Hören so erscheinen mag. Viel mehr geht es in dem Song um den Menschen, der gegen die Naturgewalten - welche sich immer wieder in der Geschichte gegen ihn richten - kämpfen muss. Dabei spielt auch der Aspekt eine Rolle, dass viele Naturkatastrophen erst durch den Menschen hervorgerufen wurden.

Rouven:
Und welche Thematik behandeln die übrigen Songs?

Stefan:
Viele Themen (lacht). Ich bin dieses Mal mit den Lyrics recht sozialkritisch gewesen, wobei man aber auch immer darauf achten muss, dass der Text zum musikalischen Konzept von FALCONER passt. "Decadence Of Dignity" behandelt beispielsweise die Geldgier der Menschheit, und dass für Geld Sachen verkauft und zerstört werden, die eigentlich gar niemandem gehören, wie z.B. der Regenwald. "Enter The Glade" handelt von religiösen Fanatikern, die ihren Anhängern die unglaublichsten Dinge anbieten, selbstverständlich auch nur gegen Bezahlung...
In "For Life And Liberty" geht es um den "Erzfeind" der Menschen, den Wolf. Seit Jahrhunderten wird er gejagt, und wir haben es geschafft, diese bewundernswerte Tierart fast vollständig auszurotten. "The Clarion Call" hingegen erzählt von Schlachten, in denen die Befehlshaber die Soldaten wie Bauern beim Schachspiel aufs Schlachtfeld schicken und sich dabei gar keine Gedanken darüber machen, wen sie denn da in den Tod schicken. Das ist zwar eher eine Sache, die in die Zeit des Mittelalters passt, aber ich denke, auch heutzutage läuft das noch so ab.
"Portals Of Light" ist nur bedingt eine persönliche Sache - ich habe zwar noch keine Freundin an den Tod verloren, aber die Gefühle, die in dem Song ausgedrückt werden, kennt glaube ich jeder. Es geht im Prinzip nur darum, jemanden zu verlieren, der einem nahesteht. Im Übrigen haben mich die SCORPIONS oder auch ROXETTE zu einer solchen Ballade beeinflusst.

Rouven:
ROXETTE? Auweia...
Kann die Fangemeinde denn damit rechnen, in FALCONER in Zukunft eine äusserst sozialkritische Band zu finden?

Stefan:
(lacht) Nein, sicherlich nicht. Wie schon gesagt, ich muss halt auch immer schauen, dass sich der Text nicht allzu sehr mit der Musik beisst. Wobei es schon sehr befriedigend ist, wenn man sich in den Texten über Sachen auslassen kann, die einen beschäftigen oder aufregen. Ich denke, das Konzept aus Geschichte und Natur wird FALCONER auch in Zukunft bei den Lyrics begleiten.

Rouven:
Ihr spielt ja beim diesjährigen Bang Your Head!!! sowie beim Wacken Open Air. Wer wird denn da die zweite Klampfe und den Bass bedienen?

Stefan:
Wir haben schon zwei Leute gefunden. Das sind noch recht junge und total unbekannte Schwedische Musiker, aber die Proben, die wir bisher absolviert haben, verliefen sehr vielversprechend. Die beiden haben zwar noch nichts in Sachen Metal gemacht, aber dafür sind sie richtig gut. Ich denke mal, wir werden da auf der Bühne keinerlei Probleme haben.

Rouven:
Magst du es überhaupt, live zu spielen?

Stefan:
Klar! Ich denke mal, unsere Musik wird sich live sicherlich auch gut machen. Es könnte sich nur als ein zu grosser Schritt herausstellen, da FALCONER bisher schliesslich nur ein Studioprojekt waren. Aber Mathias (Blad, Sänger - d. Verf.) hat von der Oper her schon eine Menge Bühnenerfahrung, ich habe mit MITHOTYN auch schon live gespielt, genau wie unser Drummer. Von daher sollte das schon klappen. Ich freue mich auf jeden Fall auf die Gigs!

Rouven:
Kommen FALCONER dann auch endlich mal auf eine ausgedehnte Tour?

Stefan:
Leider nicht in diesem Jahr. Wir hätten jetzt im April Zeit gehabt, aber das war unserer Plattenfirma zu kurzfristig. Im Herbst könnten wir touren, aber da haben wir keine Zeit. Von daher werden sich die Fans wohl noch ein wenig gedulden müssen, aber immerhin haben wir ja die beiden Festival-Gigs.

Rouven:
Hört euer Mathias eigentlich immer noch kein Metal, oder hat er sich mittlerweile auch "infiziert"?

Stefan:
(lacht) Oh, ich glaube, mittlerweile hat er auch einige Sachen für sich entdeckt. Ursprünglich wollte ich ihn ja davon abhalten, damit er sich nicht an den Metal-Sängern orientieren kann, aber ihm gefallen ein paar klassische Metal-Sachen, und ich denke auch, dass er seinen ureigenen Stil beibehalten wird. Aber er hat auch gar nicht viel Zeit, um sich mit der Materie zu beschäftigen, da er teilweise sechs Mal in der Woche in Göteborg in der Oper auftreten muss.

Rouven:
Die komplette Band hat sich auf dem zweiten Album enorm verbessert. Kannst du mir schon Anhaltspunkte hinsichtlich des dritten Longplayers geben, oder ist es dafür noch viel zu früh?

Stefan:
Nun ja, ein paar neue Ideen habe ich schon, wobei ich jetzt natürlich noch nicht sagen kann, wie denn das nächste Album klingen wird. Ich hätte allerdings Lust auf ein Konzeptalbum, vielleicht über irgendwas aus der schwedischen Geschichte, ohne dabei auf die Wikinger zurückgreifen zu müssen (lacht). MacBeth würde mich auch brennend interessieren, aber da haben ja schon JAG PANZER und REBELLION gute bis sehr gute Arbeit geleistet.

Rouven:
Was du jetzt mit FALCONER machst und bisher erreicht hast, ist es das, was du mit MITHOTYN nicht machen konntest, bzw. ist es das, was du dir schon damals bei deiner alten Band erträumt hast? Ich denke da zum Beispiel an den letzten Song des letzten MITHOTYN-Albums "Gathered Around The Oaken Table", nämlich "An Old Rover" - wenn man sich das Stück jetzt nochmal anhört, klingt das schon ein wenig in die FALCONER-Richtung...

Stefan:
Richtig - und das ist es auch, was ich dann später bei MITHOTYN machen wollte, aber nicht konnte. Ich wollte weg von diesem Viking Metal-Klischee und die Band gerade in Sachen Gesang und Tempo deutlich variabler gestalten, so wie wir das jetzt bei FALCONER machen. Da das aber nicht machbar war, war der Split die einzige Lösung und Möglichkeit, meine musikalischen Visionen zu verwirklichen.

Rouven:
Bisher sind FALCONER ja ein reines Studioprojekt und auch keine "richtige", sprich vollständige Band. Könntest du dir vorstellen, mit zwei weiteren Musikern zu arbeiten?

Stefan:
Ja, es würde sicherlich mit einer kompletten Band eine Menge Spass machen. Schliesslich habe ich momentan ja alles selbst zu erledigen, wenn es um das Songwriting, die Texte und die Saiteninstrumente geht. Das würde mir auf der einen Seite eine Menge Arbeit abnehmen, und auf der anderen Seite möglicherweise auch FALCONER musikalisch weiterentwickeln. Mal schauen, wie es mit den beiden Jungs läuft, die wir jetzt mit zu den Festivals nehmen.

Rouven:
Wie wär?s denn mit Rickard Martinsson am Bass? Immerhin hat der bei MITHOTYN ja auch sehr feine Sachen am Viersaiter fabriziert?

Stefan:
Nein! Mit Rickard werde ich mit Sicherheit nicht mehr zusammenarbeiten. Abgesehen davon - ich habe ihm diese ganzen Läufe und Melodiebögen beigebracht, von daher ist es vielleicht doch besser, dass ich den Bass weiterhin spiele.

Rouven:
Ooops. Dann wohl schon - wobei sich die Frage nach einer eventuellen MITHOTYN-Reunion damit anscheinend auch erledigt hat.

Stefan:
(lacht) Forget it! Da hab´ ich echt bessere Dinge zu tun. FALCONER zum Beispiel.

Rouven:
Naja, als Pseudo-Journalist muss man solche Fragen ja stellen.
Stell dir mal vor, "Chapters From A Vale Forlorn" heimst so viel Erfolg ein wie beispielsweise HAMMERFALL.

Stefan:
(schweigt) Öhm...ja...das wäre schon klasse, haha! Dann hätten wir allerdings auch eine Menge Verantwortung den ganzen Fans gegenüber, und der Druck auf der Band wäre mit Sicherheit immens. Es wäre traumhaft, alleine von der Musik leben zu können, aber ehrlich gesagt mache ich das nicht wegen der Kohle. Die Plattenverkäufe interessieren mich nicht wirklich, ich finde meine volle Zufriedenheit und Befriedigung in der Musik. Und darum sollte es auch immer gehen: Um die Musik an sich, nicht um Verkaufszahlen.

Rouven:
Gute Einstellung.
Auch wenn du mit der Szene an sich wohl nichts mehr zu tun hast, was hältst du denn von den momentan besten Viking/Folk-Acts wie beispielsweise THYRFING, VINTERSORG oder BORKNAGAR?

Stefan:
Ich muss dir ehrlich sagen, dass ich von denen noch gar keine Scheibe gehört habe. Ich interessiere mich auch nicht mehr für die Szene, was ich allerdings schon zu meinen Zeiten mit MITHOTYN nicht getan habe. Mit der Szene habe ich schon abgeschlossen, bevor der Abschluss mit MITHOTYN kam. Aber auch damals waren wir nur mit zwei oder drei Bands aus Schweden befreundet, hatten also nie allzu grossen Kontakt mit der ganzen Wikinger-Szene.

Rouven:
Schade, gerade bei BORKNAGAR dürfte dir einiges entgangen sein.
Welche Bands und/oder Musiker haben dich denn in Sachen FALCONER beeinflusst?

Stefan:
Hm, das fing schon in den Siebzigern mit Interpreten wie Cat Stevens an. Ausserdem noch Sachen wie ROXETTE und die SCORPIONS, in Sachen Balladen. Des weiteren noch Ronnie James Dio, mit allen Bands, bei denen er gesungen hat. Ian Anderson von JETHRO TULL war auch eine grosse Inspiration. Und natürlich IRON MAIDEN. Ich habe einen recht breit gefächerten Musikgeschmack, bin allerdings auch sehr wählerisch. Aber alles, was gute Melodien vorweisen kann, landet in der Regel beim mir im CD-Player.

Rouven:
Wenn du die Wahl hättest, also mit FALCONER nochmal am Anfang stündest, welche Musiker würdest du dann gerne verpflichten?

Stefan:
Also, dann hätte ich gerne Ronnie James Dio als Sänger. An der Gitarre Adrian Smith von IRON MAIDEN, und Cozy Powell an den Drums. Dazu noch Ian Anderson an der Querflöte und entweder Steve Harris oder Geezer Butler am Bass. Das kann sich doch sehen lassen, oder (lacht)?

Rouven:
Das würd´ ich vor allem gerne mal hören!
Wo siehst du denn FALCONER in, sagen wir mal, zehn Jahren?

Stefan:
So weit möchte ich noch nicht in die Zukunft blicken. Sagen wir mal, fünf Jahre, okay?
Keine Ahnung, wie die Musik dann klingen wird, da wir uns ja auch weiterentwickeln möchten und ausserdem sicherlich auch eine Menge an neuen Inspirationen hinzukommt. Möglicherweise wird das Ganze weniger Metalelemente beinhalten und ein wenig wie eine Mischung aus QUEEN und FALCONER zu heutigen Zeiten klingen. Wer weiss...aber das ist ein Ideal, auf das ich hinarbeiten möchte. Und mit Mathias haben wir dafür ja genau den richtigen Sänger.

Rouven:
Das klingt schon mal verdammt interessant.
So, jetzt noch deine persönliche Top-5, und du bist erlöst!

Stefan:
Das wären:
1. BLACK SABBATH - Heaven And Hell
2. JETHRO TULL - Alles
3. DOORS - Best Of
4. CAT STEVENS - Best Of
5. SCORPIONS - Worldwide Live
Wobei ich denke, dass die neue MAGNUM sicherlich auch ein Knaller werden wird, ich hoffe es zumindest.

Rouven:
Dann wünsche ich noch viel "Vergnügen" bei den restlichen Interviews und bedanke mich herzlich!
(Im Anschluss daran gab´s noch hitzige Eishockey-Diskussionen über das voraussichtliche Abschneiden der schwedischen Mannschaft bei den Olympischen Winterspielen, welche ich den Lesern aber nicht wirklich antun möchte ;-))

Redakteur:
Rouven Dorn

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