CRYPTA: Frontfrau Fernanda und die Death-Metal-Spice-Girls
05.09.2025 | 14:45Und auch am letzten Tag des wunderbaren Reload-Festivals haben wir ein Interview für euch geführt. Doch nicht irgendeines, nein – denn unmittelbar nach dem Abriss auf der Plaza-Stage stellt sich Fernanda von CRYPTA unseren Fragen. Und in diesem Interview sitzt uns eine so herzliche und vor Glück strahlende Musikerin gegenüber, wir hätten noch stundenlang mit ihr quatschen können. Doch auf Festivals ist die Zeit begrenzt, über die SPICE GIRLS, Podcasts, wahr gewordene Träume und Nickerchen vor OPETH konnten wir dennoch plaudern.
Fernanda, du bist zum ersten Mal auf diesem wunderbaren Reload Festival und das Wetter ist wie in Brasilien, oder?
In Brasilien ist es viel heißer als hier, aber es war heiß. Jemand hat mir erzählt, dass es diese Woche eine Hitzewelle gab. Besonders in Deutschland war es so heiß.
Gestern war es noch viel heißer. Wie sind deine Eindrücke von diesem Festival?
Ich bin total begeistert. Ich habe ein paar Freunde, die schon einmal hier gespielt haben, also waren die Erwartungen hoch. Aber es ist super organisiert, das muss ich sagen. Wir hatten keine Probleme, alles war pünktlich, das Essen war fantastisch. Ich werde mir gleich nach dem Interview ein Tattoo im Künstlerbereich stechen lassen, also läuft alles reibungslos. Und dann kamen wir auf die Bühne, da waren so viele Leute davor. Es war voll, es war eine tolle Show. Ehrlich gesagt, ich könnte nicht glücklicher sein. Es war der absolute Hammer, vielen Dank dafür.
Ja, das war großartig. Ich möchte über "Shades Of Sorrow" sprechen, denn das Album ist zwei Jahre alt. Wie würdest du es im Rückblick bewerten?
Ich finde, es war ein sehr gutes und wichtiges Album für CRYPTA. Nicht nur, weil es unser zweites Album ist. Auf dem ersten Album haben wir noch versucht herauszufinden, was CRYPTA ist, wie CRYPTA klingt. Und ich denke, auf "Shades Of Sorrow" haben wir das dann gefunden. Ich mag den Sound wirklich und die Texte sind meiner Meinung nach die besten, die ich je geschrieben habe. Ich bin seit fast zwei Jahrzehnten in Bands unterwegs. Und auf "Shades Of Sorrow" konnte ich endlich zu mir selbst finden und mein Herz in alle Texte stecken. Das war sehr wichtig. Ich glaube, es war das erste Mal, dass die Leute eine so tiefe Verbindung zu meinen Texten hatten.
Und es hat uns auch einige Lebensträume erfüllt, wie zum Beispiel auf all diesen Festivals zu spielen und so. Es öffnete uns Türen. Ja, und außerdem waren wir mit dem Album in den Billboard-Charts. Ich kann nicht einmal sagen, dass es ein wahrgewordener Traum war, denn ich hätte nie gedacht, dass es möglich wäre, mit einer Death-Metal-Band aus Brasilien in den Billboard-Charts zu landen. Und dann haben wir es geschafft und ich dachte nur: "Ja, das ist echt cool." Es ist also ein sehr wichtiges Album.
Mir gefällt aber auch "Echoes Of The Soul", euer erstes Album. Auf dem neuen Album seid ihr aber aggressiver und fokussierter. Worin siehst du den musikalischen Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Album?
Ich glaube, auf dem ersten Album haben wir noch versucht, unseren Sound zu finden. Außerdem habe ich vor CRYPTA zehn Jahre lang in einer Thrash-Metal-Band gespielt. Ich habe also auch ein bisschen Thrash Metal geschrieben. Ich hatte so viele Riffs, die ich nicht verwenden konnte, weil ich dachte, das ist zu viel Thrash Metal. Ich versuche, mich etwas mehr auf Death Metal zu konzentrieren. Aber es gibt auch ein paar Thrash-Riffs. Wir haben also immer noch versucht zu verstehen, wie CRYPTA klingt. Aber "Shades Of Sorrow" habe ich hauptsächlich mit Tainá, unserer Gitarristin, geschrieben. Und dann war es, glaube ich, eine perfekte Mischung. Wir sind in den Death Metal eingetaucht, haben aber auch atmosphärische Elemente und ähnliches eingebracht. Ich denke, das ist der Hauptunterschied.
Und ihr habt euch 2019 gegründet. Habt ihr diesen Erfolg in nur sechs Jahren erwartet?
Nein, nein. Wir haben die Band erst 2020 der Öffentlichkeit vorgestellt. Und ich hätte nie erwartet, dass wir fünf Jahre später zwei Alben haben und überall spielen würden - mit MORBID ANGEL, auf Tour mit HATEBREED und CARCASS. Und ABORTED sowie auf all diesen wunderbaren Festivals. Ich hätte es mir nicht vorstellen können. Vor allem, weil meine vorherige Band mein Baby war. Als ich die jedoch verließ, ging es mir emotional und mental sehr schlecht. Ich dachte: "Okay, ich bin fertig. Ich glaube, ich werde es nie wieder tun und auf einer großen Bühne stehen. Aber ich will es trotzdem versuchen."
Und dann habe ich es versucht und alles ging so schnell. Und alle haben CRYPTA so schnell angenommen. Es war also viel mehr, als ich erwartet hatte. Gleichzeitig war es aber auch der beste Antrieb für mich, einfach weiterzumachen. Nach zwei Jahren und einem Album haben wir bereits in Wacken gespielt und anscheinend haben wir etwas richtig gemacht. Daher haben wir einfach weitergemacht und jetzt sitzen wir hier.
Ich habe euch vor ein paar Wochen in Osnabrück gesehen. Was bevorzugst du? Intime kleine Clubshows oder die große, frische Open-Air-Show?
Ich denke, das sind zwei verschiedene Welten. Ich werde es immer wieder gefragt, kann die Frage aber nie beantworten. Weil ich kleine Clubshows mag. Weil man dem Publikum sehr nahe ist. Und wer CRYPTA live gesehen hat, weiß, dass ich euch allen gerne in die Augen schaue. Ich möchte, dass ihr seht, dass ich euch sehe. Und wann immer ich headbange, möchte ich, dass du meine Haare überall auf dir hast. Ich mag die Nähe zu meinen Fans und dem Publikum. Denn sie sind der Grund für alles. Ich finde Clubshows toll, weil man nah dran ist. Sie können mich hinter dem Mikrofon schreien hören. Das gefällt mir. Ich mag die Energie.
Aber große Open-Air-Festivals haben eine ganz andere Atmosphäre. Es ist poetisch: Man sitzt draußen, chillt in der Sonne und schaut sich seine Lieblingsbands an – ich liebe einfach beides. Beide haben ihre ganz eigenen Besonderheiten.
Hast du als Fan heute die Möglichkeit, ein paar Bands zu sehen?
Ja, ich bleibe für MASTODON und möchte mir auch KATAKLYSM anschauen. Ich würde gerne das ganze Festival über bleiben. Aber wir sind um 6 Uhr morgens aufgewacht und um 2 Uhr nachts ins Bett gegangen. Ich komme mit vier Stunden Schlaf aus, werde also mein Bestes geben.
Wir haben auch auf dem Brutal Assault gespielt, da hatte ich auch Interviews und einige Sachen, wollte aber unbedingt noch OPETH gucken, die aber erst um 23 Uhr gespielt haben. Also habe ich auf dem Rasen ein Nickerchen gemacht. Einfach gewartet und es hat sich gelohnt – die Show war perfekt! Und nicht alle Bands reisen ständig nach Südamerika. Ich möchte die Chance nutzen, mir meine Lieblingsbands anzuschauen.
Habt ihr ein spezielles Ritual, wenn ihr auf die Bühne geht? Um in die richtige Stimmung zu kommen?
Für mich ist es das Anziehen meiner Bühnenkleidung und so. Ehrlich gesagt, ich mache es so schnell. Ich brauche 15 bis 20 Minuten, um vollständig fertig zu sein. Wir sind also normalerweise in Eile. Aber immer, wenn ich Zeit habe, höre ich einen Podcast. Oder ich höre Künstlern zu, die mich wirklich inspirieren. Wenn ich etwas nervös bin, mache ich gerne Sachen, die mir ein wohliges Gefühl geben, bevor ich auf die Bühne gehe.
Dann möchte ich dich und CRYPTA gerne zum dritten Album einladen, beim Pommesgabel-Podcast dabei zu sein, hehe. Du hast von Inspiration gesprochen: Ihr strahlt eine unfassbare Energie auf der Bühne auf – welche Künstler oder speziell Künstlerinnen haben dich inspiriert?
Viele. Seit meiner Kindheit bin ich immer von Frauen beeinflusst worden. Mein Vater ist ein Metalhead und so habe ich als kleines Mädchen viele Bands gehört – wie WARLOCK oder CHASTAIN. Mein Vater ist selbst großer Fan meiner Musik. Bei meiner vorherigen Band war er ein paar Jahre lang Fahrer und der Ansprechpartner für Merchandise. Sein Geschmack hat mich sehr geprägt – aber auch außerhalb des Metals: Die SPICE GIRLS waren der letzte Schrei, wenn ich an meine Kindheit zurückdenke. Die SPICE GIRLS hatten auch einen Tourbus, das fand ich schon damals toll. Heutzutage bin ich sowohl textlich als auch gesanglich stark von Tatiana von JINJER beeinflusst, aber auch von ihrer Bühnenpräsenz. Angela Gossow hat mich bei ARCH ENEMY auch in gewisser Weise inspiriert.
Darüber hinaus mag ich auch diese Diven wie ETTA JAMES, ARETHA FRANKLIN, AMY WINEHOUSE oder BEYONCÉ. Die Leute machen sich zwar deswegen über mich lustig, aber in gewisser Weise haben sie mich mit ihrer Kunst inspiriert.
Aber ihr seid nicht die Death-Metal-Version der SPICE GIRLS, haha.
In meinem Kopf vielleicht, haha.
Vielen lieben Dank für das tolle Gespräch und bis bald im Podcast!
Ich freue mich, dir auch vielen Dank!
- Redakteur:
- Marcel Rapp