CHAOSWAVE: Interview mit Guf, Giorgia, Fabio, Raphael

03.04.2009 | 11:14

Wer bei CHAOSWAVE an eine dieser typischen Mann-Frau-Wechselgesang-Bands denkt, liegt total falsch. Die Italiener sind zum Glück weit davon entfernt, engelsgleiches Gezirpe mit bösen Death Metal Grunts zu kombinieren, sondern überzeugen vielmehr durch eine anspruchsvolle Version des Progressive Thrash Metals, bei dem Giorgia Fadda und Fabio Carta völlig gleichwertig die Vocals bestreiten. Gemeinsam mit Schlagzeuger Raphael Saini und dem aus Dänemark stammenden Gitarristen Henrik "Guf" Rangstrup legen die sympathischen Sizilianer mit "Dead Eye Dreaming" ihr zweites, bei uns über Silverwolf/SPV erscheinendes Album vor. Was sie über Italo-Metal, die neue Platte, weiße Kleider, US-Zollbeamte und natürlich das italienische Nationalgericht Pizza zu berichten haben, erfahrt ihr im nachstehenden Interview.



_Elke:_
Einer meiner Kollegen behauptet in seinem Review im Rahmen unserer [Gruppentherapie zum neuen Album "Dead Eye Dreaming"]http://www.powermetal.de/content/artikel/show-Gruppentherapie__CHAOSWAVE_-_Dead_Eye_Dreaming,1599-1.html , dass euer Herkunftsland Italien nicht gerade förderlich dafür ist, um von Thrash-Metal-Fans überhaupt wahrgenommen zu werden. Italienischer Metal steht für Klischees der Sorte "drachentötende Krieger" und nicht für "Metal für die neue Generation", wie ihr euren Stil selbst nennt. Stimmt ihr meinem Kollegen zu?

_Guf:_
So ungern ich es auch zugebe, aber ja, er hat recht. Es ist für italienische Bands schwerer als für andere, Respekt zu erlangen, und dafür gibt es viele Gründe. Einer davon ist der "lang lebe der Berg-König"-Effekt, auf den du anspielst. Irgendwie hat Italien diesen Ruf als "Power-Metal-Land". Doch zum Glück ändert sich das inzwischen merklich, da viele gute italienische Bands aus den verschiedensten Metal-Genres auf der musikalischen Bildfläche aufgetaucht sind. Trotzdem wird dieses Stigma immer ein Problem bleiben. Gruppen aus Schweden oder Dänemark stehen hoch in der Gunst der Plattenfirmen, weil sie international anerkannt werden. Dennoch ist und bleibt das Beste, was jede Band tun kann, hart und professionell zu arbeiten. Wenn die Musiker talentiert sind, spielt die Nationalität keine Rolle.

_Raphael:_
Wir leisten unseren Beitrag zum Kampf gegen diesen "Dungeons and Dragons"-Quatsch. Wir brauchen nur noch etwas mehr Zeit, um zu beweisen, dass es in Italien mehr gibt als nur Power Metal. Im "Spaghetti-Land" findest du zum Beispiel auch viele hervorragende Death-Metal-Bands, das kannst du mir glauben.

_Elke:_
Dänemark scheint das Land der Stunde zu sein. Vielleicht sollte Guf sich einfach den Rest der Truppe unter den Arm klemmen und zurück in sein Heimatland ziehen, um auf den aktuellen "Dänischen Zug" aufzuspringen.

_Guf:_
(lacht) Wenn du wüsstest, wie oft mich die anderen damit aufziehen, dass ich noch vor diesem Boom aus Dänemark weggezogen bin ... Vermutlich hätten wir es dort in vielerlei Hinsicht viel einfacher gehabt. Du kommst zum Beispiel viel leichter an Auftritte ran und sie zahlen auch noch besser dafür, was unserer Bandkasse sehr gut tun würde.

_Raphael:_
Du magst schon recht haben, aber wir haben nun mal alle unsere Jobs hier - auf dieser wunderbar sonnigen Insel!

_Georgia:_
Natürlich wäre es in Dänemark einfacher für uns, aber wir wollen euch allen beweisen, dass es total egal ist, wo man herkommt, so lange man gehörig Arsch tritt.

_Fabio:_
Es ist schon traurig zuzugeben, dass wir bessere Möglichkeiten hätten, wenn wir aus Skandinavien kämen. Wir würden dort vermutlich viel stärker wahrgenommen und von den Medien mehr respektiert werden.

_Elke:_
Vielleicht wollt ihr ja doch noch mal über einen Umzug nachdenken, denn euer ehemaliger Bassist Marco Angioni lebt inzwischen bei seiner Freundin und ihren neugeborenen Zwillingen in Dänemark. Denkt ihr, dass er andernfalls immer noch bei CHAOSWAVE wäre?

_Guf:_
Marco zog im letzten Sommer dorthin, als seine dänische Freundin schwanger wurde. Ob er weiterhin in der Band wäre, wenn wir am gleichen Ort leben würden, kann ich dir nicht beantworten. Eine Familie zu haben ist eine Vollzeit-Verpflichtung, aber anderseits ist Marco ein unglaublich guter Bassist, also wer weiß ... Soweit ich informiert bin, versucht er gerade in Dänemark eine Band auf die Beine zu stellen.

_Fabio:_
Der einzige Grund, warum er nicht mehr in der Band ist, ist weil er mit der Entscheidung, eine Familie zu gründen, ein viel wichtigeres Projekt begonnen hat. Wenn es um das Leben geht, muss man die Musik manchmal hinten anstellen, auch wenn es weh tut. Mit zwei Babies braucht man einfach einen guten Job, und mit unserer Musik verdienen wir nichts.

_Elke:_
Was könnt ihr mir über seinen Nachfolger Michele Mura erzählen? Hilft er nur aus oder gehört er inzwischen fest dazu?

_Fabio:_
Er ist seit einigen Wochen festes Mitglied. Er ist netter Typ, sehr talentiert, und er hat noch keine Ahnung, welche verrückten Dinge ihn künftig erwartet werden ...

_Elke:_
Der eingangs erwähnte Kollege behauptet in seinem Review außerdem, dass "die Grisu-Tick-Schein-Metaller vorbelastete Herkunft ähnlich hinderlich ist wie die Mann/Frau-Gesangskombination, die von Feenwäldchen-Gothic-Lullis in der Vergangenheit tief in die Jauche gezogen wurde". Im Spaß: Warum trägt Giorgia eigentlich kein weißes Kleidchen?

_Fabio:_
Ich bin der einzige, der sich ganz in Weiß kleiden darf!

_Giorgia:_
In einem weißen Kleid würde ich aussehen wie eine aufgeblasene Kuh (lacht). Schwarz hingegen verhüllt meine mediterranen Kurven sehr vorteilhaft, ganz abgesehen davon, dass jede Dame darin elegant und würdevoll aussieht.

_Guf:_
Ich wollte ja, dass Giorgia ein weißes Kleid anzieht, aber Fabio bekam daraufhin einen eifersüchtigen Tobsuchtsanfall.

_Elke:_
Wenn man sich das (hier nicht verwendete) Promofoto von Silverwolf anschaut, könnte man trotzdem fälschlicherweise annehmen, dass es sich bei euch um eine dieser typischen "Female Fronted Metal Bands" handelt. Giorgia trägt auf dem Bild zwar kein weißes Kleid, steht aber derart im Vordergrund, dass man die männlichen Bandmitglieder gerade noch so als Schatten ausmachen kann. Wer kam denn auf diese, ähm, Schnapsidee?

_Guf:_
Ups ... Ich glaube, das war meine Idee (lacht). Das ist eigentlich durch Zufall entstanden. Bei einer Fotosession im vergangenen Sommer war das Bild, auf das du anspielst, einfach eines der Besten. Wir versuchen keinesfalls, Giorgia als die Hauptperson zu bewerben, aber wir sind uns trotzdem bewusst, dass die meisten Metaller die einzige Frau in einer Band als erstes anchecken werden. Wir suchen also nach dem goldenen Mittelweg. Aus dem gleichen Grund wirst du auf unserer Webseite auch mehr Pressefotos von Giorgia finden. Wir benutzen sie nicht als Aushängeschild, aber wir wissen, dass die Magazine bevorzugt nach Fotos von ihr Ausschau halten werden.

_Giorgia:_
Mooo-ment mal, ich bin nicht die Hauptperson? Vergiss diese beschissene Band, ich fange eine Solo-Karriere an!

_Fabio:_
Es gibt auch ein paar Aufnahmen, auf denen ich im Vordergrund stehe, und zwar in einem sehr schicken roten Kleid. Aber seltsamerweise war ich der einzige, der sie als Promo-Fotos verwenden wollte ...

_Guf:_
Fabio, ich möchte dich nicht kränken, aber du siehst in roten Kleidern auch nicht besser aus.

_Elke:_
Genug der Albernheiten, lasst uns über euer aktuelles Album sprechen. Nachdem "The White Noise Within" noch bei dem kleinen, inzwischen eingestellten holländischen Label DVS Records erschienen ist, habt ihr mit "Dead Eye Dreaming" einen wie es scheint wesentlich besseren Deal gelandet. In den USA erscheint die Platte bei Nightmare Records, den Vertrieb in Europa übernimmt Silverwolf/SPV.

_Guf:_
Ja, Nightmare/Silverwolf sind definitiv ein Schritt nach vorne. Wir sind sehr glücklich über diesen Deal, vor allem weil Promotion und Vertrieb in Europa bisher sehr gut laufen. Silverwolf werden das Album auch in Japan und Australien veröffentlichen. DVS war für den Anfang okay und wir sind mit dem Debüt auch immer noch zufrieden. Aber es gab gewisse Gründe, warum DVS dicht gemacht wurde - da lag einiges im Argen, weshalb wir so oder so nach einem größeren Label Ausschau gehalten hätten.

_Elke:_
Zwischen "The White Noise Within" und "Dead Eye Dreaming" liegen knapp vier Jahre. Habt ihr so lange an dem Nachfolger gebastelt?

_Fabio:_
Aufgenommen haben wir zwischen Dezember 2007 und Februar 2008, aber der Plattenvertrag kam erst im letzten Sommer zustande. Okay, wir sind nicht die schnellsten Songwriter - am Ende hat es zwei Jahre gedauert, bis wir reif für das Studio waren.

_Elke:_
Was habt ihr in dieser Zeit noch so alles getrieben?

_Fabio:_
"The White Noise Within" erschien im November 2005. Anfang 2006 gingen wir in Italien, Deutschland und Dänemark auf Tour und spielten auch einige Gigs hier in Sardinien. Danach hatten wir eine dreimonatige Party, um Italiens Weg zum Weltmeistertitel zu feiern, und gingen anschließend noch mal auf Europa-Tour, die in Paris begann und auf dem psychedelischen Prog Power Festival 2006 endete, wo wir die Botschaft von "Cazzascarpe" verbreiteten und viele verrückte Leute trafen - du warst auch darunter (lacht)! 2007 nahmen wir außerdem eine Promo mit neuen Songs auf, mit der wir uns bei den Labels bewarben, und spielten weitere Gigs in Europa. 2008 war dann ein bittersüßes Jahr: Wir lernten, wie es sich anfühlt, zu einem Festival mit TESTAMENT und ICED EARTH eingeladen und dann kurz vor dem Ziel aus den USA herausgeschmissen zu werden. Gleichzeitig spielten wir auf großen Events wie dem Metal Female Voices Festival und dem Aalborg Metal Festival, zusammen mit Bands wie EPICA, TARJA TURUNEN und OPETH. Und dann nahmen wir natürlich noch dieses brandneue Album auf!

_Elke:_
Bei dem US-Festival spielst du auf das Chicago Powerfest an. Was genau ist da passiert, dass man euch nicht ins Land lassen wollte?

_Fabio:_
Diese Frage sollte besser derjenige beantworten, der sich mit dem Gentleman dort unterhalten hat. Ich sah zu sehr nach Taliban aus, um gehört zu werden.

_Guf:_
Das war so eine saublöde Geschichte. Du musst wissen, dass DARKANE genau das gleiche gemacht haben wie wir, aber problemlos auf eben diesem Festival spielen konnten. Ein Konzert zu geben wird in den Staaten als Arbeit angesehen. So weit, so gut, aber um ein Arbeitsvisum zu bekommen, musst du monatelang warten und sehr viel Geld abdrücken. Wir konnten uns das nicht leisten, ganz abgesehen von der Zeitfrage, also wurde uns empfohlen, nichts von dem Festival zu sagen und auf der Basis eines normalen Touristen-Visums einzureisen. Was meines Wissens die übliche Vorgehensweise für viele Bands ist, die in den Staaten auftreten. Leider googelte einer der Beamten meinen Namen und stieß dabei auch auf unser Verpflichtung für das Festival. Und plötzlich saß ich stundenlang in einem Büro fest und musste mich dort rechtfertigen. Eigentlich war der Typ, der uns aufgehalten hatte, sehr nett und wollte uns sogar helfen, indem er uns auf die Schnelle ein paar Visa ausstellt. Aber sein Chef beschloss, uns "eine Lektion zu erteilen", wie wir ihn sagen hörten, und schickte uns zurück nach Hause, ohne sich unseren Fall überhaupt näher anzuschauen. Ich meine, sieben Tage in Chicage, ein Auftritt als Opener ... Mit gesundem Menschenverstand hätte man uns einfach ziehen lassen. Es hängt alles davon ab, ob man auf den falschen Typen mit zu viel Macht trifft. Es passiert überall auf der Welt. Sobald jemand ein wenig Macht und einen schlechten Tag hat, benutzt er möglicherweise diese Macht, um seinen Frust an dir auszulassen. In den amerikanischen Visa-Büros passiert das jedoch etwas zu oft ...

_Elke:_
Das brandneue Album erschien in den mächtigen USA bereits am 25. November 2008. Wie fielen die Reaktionen bisher aus?

_Guf:_
Wir haben bisher nur wenige Reviews von dort bekommen. Das US-Label hat mit der Promotion gewartet, bis es auch in Europa damit los ging, damit beide voneinander profitieren können. Nichtsdestotrotz waren die ersten Reaktionen sehr positiv.

_Elke:_
Guf und Rafael schreiben nebenbei auch für zwei der größten Musiker-Fachzeitschriften eures Landes, das Axe Magazin und Percussioni. Wie geht ihr, die ihr quasi auf beiden Seiten des Musikgeschäfts Erfahrungen habt, mit negativer Kritik um?

_Guf:_
An einem schlechten Tag nerven mich schlechte Reviews. An einem guten machen sie mir nichts aus. Das Wichtigste für mich ist, dass ich die Kritik nachvollziehen kann. Einige Leute mögen unsere Musik einfach nicht, und damit kann ich leben. Aber ich kann aus den negativen Kritiken auch etwas Positives für mich herausziehen. Über unser Debüt sagten viele Schreiber, dass die Stücke zu lang seien, und wir haben das im Hinterkopf gehabt, als wir uns an die neuen Songs machten. Nicht dass wir absichtlich kurz gehalten hätten - manche sind im Gegenteil immer noch ziemlich lang -, wir haben nur versucht besser zu analysieren, warum ein Lied als langatmig empfunden werden könnte, und das im Songwriting entsprechend umgesetzt.

_Raphael:_
Schlechte Kritiken sind Teil der normalen "Routine". Du kannst nichts veröffentlichen, was dann jeder toll finden wird - das gehört einfach zum Leben dazu. Natürlich mag ich miese Reviews überhaupt nicht. Aber einige "nicht so gute" Bewertungen können uns helfen, die Dinge aus einer anderen Sichtweise zu betrachten. Wir denken zwar, dass wir ein gutes Album gemacht haben, aber es ist wichtig zu hören, warum einige Menschen es mögen und andere wiederum nicht.

_Elke:_
Worin besteht für euch der Haupt-Unterschied zwischen "The White Noise Within" und "Dead Eye Dreaming"?

_Fabio:_
"Dead Eye Draming" ist stärker und melodischer. Wir haben viel Zeit darauf verwendet, den Sound aggressiver klingen zulassen, und mit neuen Möglichkeiten experimentiert, wie z. B. eine melodische doppelte Gesangslinie über einen rasenden Blastbeat oder ein "schwedisches" Metal Riff zu legen. Wir haben Guf überzeugt, bei einem der "ruhigeren" Stücke auf der akustischen Gitarre zu spielen, und wir haben auch versucht, den Gesang vielseitiger zu gestalten. Wir beide singen sowohl harmonischer als auch aggressiver, verglichen mit dem vorherigen Album. Ein weiteres wichtiges Detail ist, dass wir eine bessere Methode entwickelt haben, unsere Songs zu schreiben. Ich denke, sie sind jetzt flüssiger. Und nicht zu vergessen, ist das Album auch abwechslungsreicher ausgefallen.

_Elke:_
Man kann auf jeden Fall feststellen, dass ihr euch auf "Dead Eye Dreaming" merklich verbessert habt. Vor allem die bereits von dir erwähnten Gesangsarrangements sind mir positiv aufgefallen, sie klingen emotionaler und ausdrucksstarker. Habt ihr darauf ein besonderes Gewicht gelegt?

_Fabio:_
Zum Teil. Wir haben viel Arbeit darauf verwendet, unsere oft parallel laufenden Gesangslinien zu variieren. Manchmal haben wir eine dritte Stimme hinzugefügt, andere Male haben wir einfach die Rollen getauscht, oder es ist stellenweise nur einer von uns zu hören, weil es besser zum Gefühl einer bestimmten Passage passt. Gute Beispeile dafür sind 'A March For The Dying' oder '10 Years Of Denial'. Gleichzeitig sind wir inzwischen erfahrener. Durch jahrelange harte Arbeit kann man viel lernen, und die anderen, die sich dessen bewusst waren, gaben uns mehr Freiraum währen der Entstehungsphase, so dass wir selbst komplette Songstrukturen ändern durften, was den ganzen Prozess stärker zur Teamarbeit machte.

_Elke:_
Der Titel "Dead Eye Dreaming" klingt, verglichen mit "The White Noise Within", gleichermaßen resignierender oder entspannter, während die dazugehörige Musik genau das Gegenteil ausdrückt. War dieser Gegensatz beabsichtigt?

_Guf:_
Nein, das ist reiner Zufall. Grundsätzlich versuchen wir einfach Titel zu finden, die gut und originell klingen. Wir mögen allerdings Gegensätze, vielleicht verwenden wir diese Begründung also im nächsten Interview (lacht).

_Elke:_
Erzählt mir ein bisschen mehr zu den Texten, die teilweise sehr kryptische Überschriften tragen. Worum geht es darin?

_Guf:_
Über alles Mögliche, aber in vielen Fällen erzählen sie von Träumen und deren Konsequenzen.

Ich mag es, unsere Songtitel abwechslungsreich zu gestalten, daher sind einige sehr originell und andere sehr schlicht. In 'Fork Tongues And Foul Times' geht es z. B. um die Hoffnungen und Träume der irakischen Bevölkerung. Ich denke, viele von ihnen sind von dem Resultat der Befreiung sehr enttäuscht, und der Titel liefert eine Art Beschreibung ihrer Gegenwart. Nicht, dass ich wirklich weiß, wie es ist, im Irak zu leben, aber ich nehme an, Missgunst und Verachtung waren oder sind immer noch ein wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens dort.

Der 'Blind Eye Focus' ist ein offensichtliches Paradox. Die beiden Titel 'Blind Eye Focus' und 'Dead Eye Dream' hängen inhaltlich zusammen und erzählen die Geschichte eines Mannes, der nach etwas sucht, woran er glauben kann. Im ersten Teil "blendet" er sich selbst, um in der Lage zu sein, an eine religiöse Weltanschauung zu glauben. Gemeint ist, dass er akzeptiert, blind gegenüber den Fakten zu sein, um sich auf die Religion zu konzentrieren. In 'Dead Eye Dream' hat er seinen Glauben verloren und wendet sich der Wissenschaft zu, nur um herauszufinden, dass der Glaube an die Wissenschaft am Ende auch nur ein Glaube ist. Zum Schluss glaubt er an gar nichts mehr und betet lediglich, dass er eines Tages wieder in der Lage sein wird zu träumen.

_Elke:_
Ihr konntet Ex-NEVERMORE-Gitarrist Steve Smyth für drei Songs als Lead-Gitarristen verpflichten. Wie habt ihr denn das geschafft?

_Guf:_
Ich habe ihn einfach gefragt. Ich kannte ihn flüchtig, da ich ihn ein mal nach einen NEVERMORE-Konzert getroffen hatte und er mir zu einem später Zeitpunkt mit einem technischen Rat zur Seite stand. Er mag CHAOSWAVE wirklich gerne, und als ich ihn um einen Gastbeitrag bat, sagte er sofort zu. Wenn man nur einen Gitarristen hat, ist ein Gastmusiker eine tolle Möglichkeit, mehr Abwechslung reinzubringen.

_Elke:_
Das Album wurde außerdem von Andy LaRocque produziert. Guf, wo du doch so ein großer KING DIAMOND-Fan bist, hättest du ihn da nicht um einen Gastauftritt des King bitten können?

_Guf:_
(lacht) Gute Idee eigentlich, aber nein ... King lebt in den Staaten, und Andys Studio befindet sich in Schweden. Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob das zur Musik gepasst hätte.

_Elke:_
Wie war es denn für dich, mit deinen beiden Gitarrenhelden Smyth und LaRocque zusammenzuarbeiten? Gab es da viel Konkurrenzdenken?

_Guf:_
Es war eine sehr große Ehre. Smyth hat als erstes seine Soli aufgenommen, aber er wusste mehr oder weniger, was ich spielen würde. Als ich dann an der Reihe war, änderte ich hier und da eine Kleinigkeit, damit es besser zusammen passt. Es gab wirklich kein Konkurrenzdenken zwischen uns. Ich würde sowieso verlieren (lacht).

Andy hat abgesehen vom Sound mit den Gitarren nichts zu tun, aber er lobte hier und da ein Riff von mir, und ich glaube, darauf werde ich für die nächsten 200 Jahre stolz sein! Andy ist zweifellos einer meiner liebsten Gitarristen aller Zeiten, und es war sehr inspirierend, ihn zu treffen und mit ihm zu arbeiten. Er ist ein toller Kerl, allein seine Persönlichkeit ist eine Inspiration.

_Elke:_
Der Kollege, den ich bereits zwei Mal erwähnte, möchte noch wissen, welche Drogen ihr nehmen musstet, um es körperlich und vor allem geistig durchstehen zu können, 'No Limit' von 2 UNLIMITED zu covern (das lediglich auf der US-Version enthalten sein wird). Um es nett zu formulieren: Das ist als Cover-Song einer Thrash-Metal-Band eine sehr merkwürdige Wahl.

_Fabio:_
Es begann eines Tages als kleiner Scherz während einer Probe. Guf spielte einige Sekunden dieses Stücks und sang dazu. Einige Wochen später hatten wir einen Gig, und der Inhaber des Ladens wollte, dass wir noch mehr Songs spielten, weil trotz der fortgeschrittenen Stunde immer noch Leute kamen. Guf improvisierte daraufhin dieses Lied, wir stimmen alle ein, und die Gäste haben sehr cool darauf reagiert. Wir hatten viel Spaß dabei, also beschlossen wir, das Teil aufzunehmen.

Diese Art von Cover-Versionen machen für uns Sinn - einen Song zu nehmen, der überhaupt nicht zu deinem eigenen Stil passt, und ihn so lange zu vergewaltigen, bis er total Metal klingt! Natürlich werden viele Metaller das als Blasphemie erachten, aber gleichzeitig kann ich mir vorstellen, dass es genauso viele Leute geben wird, die sich das mit Spaß anhören und es auf maximale Lautstärke drehen, während sie an der Ampel warten und dabei möglicherweise den Ellenbogen aus dem Fenster halten.

_Elke:_
Mir wurde aus Insiderkreisen geflüstert, dass ihr weitere, noch seltsamere Cover aufgenommen habt oder aufnehmen wolltet. Von welchen Songs könnte die Rede gewesen sein?

_Guf:_
Ich kann mich nicht genau daran erinnern, aber wir haben mal Witze darüber gemacht, was wir als nächstes machen könnten. Einige der eher seltsamen Ideen waren 'Kiss Kiss' von TARKAN oder 'Barbie Girl' von AQUA. Wer weiß ...

_Fabio:_
Es wäre auf jeden Fall kein klassischer Rock oder Metal Song, denn das wäre weder herausfordernd noch unterhaltsam.

_Elke:_
Auf der europäischen Version des Albums findet man 'From The Stare To The Storm' als Bonus-Track, das ursprünglich bereits als Bonus für das 2005er-Werk vorgesehen war, aber dann doch verworfen wurde.

_Fabio:_
Stimmt, der Song wurde zusammen mit "The White Noise Within" aufgenommen und sollte dort als Bonus-Track erscheinen. Aber wir haben ihn dann doch nicht verwendet, weshalb er jetzt auf der europäischen Version des neuen Albums enthalten ist. Darum klingt er auch total anders vom Rest der Platte.

_Guf:_
Der Text passt auch besser zu unserem Debüt. Es geht um eine "Herr und Sklave"-Beziehung und die Tatsache, dass sogar ein einfaches Starren von der Person, die dich kontrolliert, einen Sturm in dir entfachen kann.

_Elke:_
Zu '10 Years Of Denial', das meiner Meinung nach zu den Höhepunkten der neuen Scheibe gehört, dreht ihr auch ein Video. Was wird darin zu sehen sein - eine richtig harte Band, die im Hintergrund einer verlassenen Lagerhalle so tut, als würde sie live spielen, während sich vordergründig Giorgia in einem weißen Kleid räkelt (lacht)? Und wie wichtig sind Videos heutzutage eigentlich?

_Guf:_
An dieser Stelle sollte Fabio etwas zu diesem weißen Kleid sagen.

_Fabio:_
(schweigt)

_Guf:_
Fabio, du weißt doch, dass dir weiß nicht steht ...

_Fabio:_
(schweigt)

_Guf:_
Hmm, okay, dann erzähle ich dir einfach ein bisschen was zu dem Video (lacht). Ich habe die Handlung selbst konzipiert und dann mit dem holländischen Regisseur Richard Spierings weiter ausgearbeitet. Wir haben das Video sehr kostengünstig produziert, indem jeder aus der Band sowie zahlreiche Freunde und Fans ihren Teil dazu beigetragen haben. Als Aufnahmeort diente eine verlassene Mine in unserer Gegend, eine tolle Location, die einfach perfekt zu dem Video passt. Natürlich siehst du darin die Band "spielen", aber es gibt auch eine kleine Geschichte über einen Jungen Anfang 20, der über die letzten zehn Jahre seines Lebens nachdenkt. Du erlebst ihn in verschiedenen "verzweifelten" Situationen, sowohl als junger Mann als auch als Kind. Kurz gesagt lebte er zehn Jahre lang in einem Status der geistigen Verdrängung einer schlechten Erfahrung, die er einmal gemacht hat. Am Ende des Videos beobachtet man, wie er als kleiner Junge vor einem Toten davon läuft. Vielleicht hat er diesen Mann getötet, vielleicht nicht. Es spielt auch keine Rolle. Tatsache ist, dass er eine Dekade lang vor diesem Erlebnis geflohen ist. Die Grund-Idee sowohl von dem Song als auch von dem Video ist, dass du an einem Gewissen Punkt deines Lebens einfach weitermachen musst. Wie es in dem Text heißt, "es ist Zeit, wieder zu leben". Ehrlich gesagt habe ich den Text für mich selbst geschrieben, und er ist das Persönlichste, was ich je zu Papier gebracht habe.

Videos zu machen ist heutzutage wieder sehr wichtig. Vielleicht sogar wichtiger als zuvor, trotz der Tatsache, dass MTV, wie immer, die Bedeutung von Metal verleugnet. Youtube und MySpace sind derart bedeutende Werbe-Plattformen geworden, dass ein cooles Video dir beim Online-Marketing sehr helfen kann. Trotzdem denke ich, dass zu viele Videos den Markt überfluten. Es scheint fast, als ob es keine Rolle spielt, wie billig die Produktion wirkt, jede Band braucht einfach eins. Wir mussten unseres so günstig wie möglich herstellen, aber wir haben trotzdem Geld für einen guten Regisseur, eine gute Kamera usw. ausgegeben. Deshalb bin ich stolz zu behaupten, dass wir ein sehr sehr professionell wirkendes Video am Start haben, welches in den nächsten Tagen auf dem großen italienischen Musik-Kanal Rock TV seine Premiere erleben wird.

_Elke:_
Wie sieht es aus mit einer Tour oder diversen Sommerfestivals - habt ihr Pläne?

_Guf:_
Wir versuchen gerade unser Bestes, um die Aufmerksamkeit der Buchungs-Agenturen und Festivals auf uns zu lenken. Die Promotion hat kürzlich erst angefangen, weshalb wir noch nicht viel bestätigen können. Ich bin mir jedoch sicher, dass ihr in Kürze mehr erfahren werdet.

_Fabio:_
TANKARD! TANKARD!

_Guf._
(lacht) Fabio hat recht, wir spielen auf dem Velo Rock Festival in Belgien im September. TANKARD sind dort Headliner und wir freuen uns tierisch darauf, sie live zu sehen.

_Elke:_
Gibt es eine Frage, die ihr schon immer mal gestellt haben wolltet? Und was wäre die Antwort darauf?

_Guf:_
Ich möchte gerne mal folgendes hören: "Euer neues Album erschien in 22 verschiedenen Ländern auf Platz 1. Wie fühlt sich das an?" Ich würde vermutlich antworten: "Ich glaube, du verwechselst mich mit jemand anderem."

_Elke:_
Lass uns dieses Interview mit der berühmten POWERMETAL.de-Pizzafrage beenden. Wenn CHAOSWAVE eine Pizza wäre, was wäre der Belag?

_Guf:_
Diese Antwort überlasse ich den Italienern!

_Fabio:_
Sardinen natürlich, mit Pecorino Sardo und Salsiccia Secca Sarda (ich glaube, das muss ich nicht übersetzen).

_Raphael:_
Stell dir eine Mischung aus NAPALM DEATH und EPICA vor. Jetzt übertrag das auf eine Pizza. Okay, vielleicht ist diese Beschreibung doch nicht so gut ...

_Giorgia:_
Wir sind eine Pizza mit Rucola, Thunfisch und geriebenem Parmesan. Ungewöhnlich, anspruchsvoll, aber trotzdem köstlich!

Redakteur:
Elke Huber
1 Mitglied mag diesen Artikel.

Login

Neu registrieren