CALLEJON: Interview mit Gitarrist Bernhard

26.03.2010 | 16:44

Deutschsprachiger Metal/Screamo mit ordentlich Druck ist es, der auf "Videorama" ab dem 03. April zu überzeugen weiß. Wir sprachen mit Gitarrist Bernhard.

Zu allererst Gratulation zum neuen Album "Videodrom". Ich muss ja ehrlich sagen, dass ich von CALLEJON bis vor kurzem noch nie auch nur einen Ton gehört habe. Und obwohl ich weder Metalcore noch Screamo-Kram zu meinen Favoriten zähle, finde ich "Videodrom" ziemlich gut. Was - von der deutschen Sprache erst mal abgesehen - unterscheidet euch von der massiven Flut an Bands aus den Bereichen Metalcore/Screamo?

Vielen Dank für das Lob! Also ich muss ehrlich sagen, dass ich uns als Band gar nicht unbedingt in diese Metalcore-Kategorie einordnen würde. Klar sind Metal und Hardcore deutliche Einflüsse, aber ich glaube wir sind musikalisch relativ breit gefächert. Wir scheuen uns nicht, neue Sachen auszuprobieren und viele unterschiedliche Elemente in unseren Sound zu integrieren. Außerdem geben wir uns sehr viel Mühe, ein stimmiges Konzept aufzustellen und in diesem Zuge legen wir uns sehr ins Zeug für die Artworks, die Texte, die Videos etc. Wir versuchen, die Musik nicht bloß als einzelne Songs sondern als Gesamtkunstwerk in Szene zu setzen.

Warum habt ihr euch entschieden, auf Deutsch zu singen? Und wie oft habt ihr jetzt schon Genörgel über die Texte gehört?

Der Hauptgrund für die deutschsprachigen Texte liegt darin, dass man in seiner Muttersprache komplexe Gedanken und Motive einfacher und überzeugender formulieren kann, als in einer erlernten Fremdsprache. In der Anfangsphase der Band hatten wir zum Teil auch englische Texte, aber das hat nicht so funktioniert. Basti ist ja bei uns für die Texte verantwortlich, und er ist nicht der virtuoseste Englischsprecher, deshalb macht es einfach keinen Sinn, das trotzdem versuchen durchzuziehen und die Lyrics dann mit dem Wörterbuch zu schreiben. Er hat also deutsche Texte geschrieben und das hat uns auf Anhieb überzeugt. Es ist natürlich auch gerade für deutschsprachige Hörer der direktere Weg, den Leuten die Inhalte der Songs auch nahe zu bringen. Und mittlerweile sind die deutschen Texte ja in gewisser Weise auch ein Charakteristikum für CALLEJON. Wir sind bis jetzt jedenfalls sehr gut damit gefahren und sehen keinen Grund dafür, ins Englische zu wechseln. Mitunter gibt es natürlich Leute, denen die Texte vielleicht auch gerade aufgrund der deutschen Sprache nicht so zusagen, aber man kann es halt nicht jedem Recht machen.

Ich nörgele an den Texten nur stellenweise. Zumindest 'Sexmachine' wirkt auf den ersten Durchgang etwas platt. Was ist eure Key-Message, die ihr vermitteln wollt? Und woher holt ihr euch die Inspiration für eure Texte?

'Sexmachine' ist tatsächlich der einzige Song auf "Videodrom", dessen Text nicht so hundertprozentig ernst gemeint ist. Es geht darin um eine Situation, die jeder kennt, nämlich einfach nur, extrem geil zu sein, um animalische Triebhaftigkeit. Die Einbettung des Ganzen in ein Roboterszenario ist dabei natürlich eine bewusst gewählte Übertreibung mit ironischem Unterton. Aber andererseits ist das halt auch eine Sache, die eigentlich omnipräsent ist aber die sich niemand traut mal anzusprechen. Wir nehmen ja unseren älteren Song 'Snake Mountain' auch nicht so ganz ernst, und die Leute verstehen schon, wie man so eine Nummer einordnen muss, auch, wenn man Heman-Fan ist.

Wie sehr polarisiert ihr denn bisher? In unserer Redaktion sind einige Traditionalisten, die sicher bei der Kombination aus deutschen Texten und Screamo/Metalcore fies schimpfen werden. Ist das eine übliche Reaktion? Und von wem erhaltet ihr das beste Feedback?

Wir haben immer schon für gewisse Kontroversen gesorgt, auch wenn wir nie darauf abgezielt haben, in irgendeiner Weise stark zu polarisieren. Wir sind halt keine traditionelle Metalband, und haben deshalb auch nicht den Anspruch, traditionelle Konventionen zu erfüllen. Das stößt manchen Leuten sauer auf, aber das ist deren Problem und nicht unseres. Wir erhalten von vielen unterschiedlichen Leuten mit unterschiedlichem musikalischen Background positive Reaktionen, es gibt da nicht "ein Lager", das speziell auf uns reagieren würde. Ich denke, dass Leute, die sich ernsthaft mit uns auseinandersetzen und in stilistischer Hinsicht aufgeschlossen sind, sich etwas aus CALLEJON rausziehen können.

In 'Dieses Lied macht betroffen' gibt es auch einen Techno-Part. Wie ist eure Einstellung gegenüber elektronischer Musik und welchen Einfluss hat sie auf CALLEJON?


Der angesprochene Part in 'Dieses Lied macht betroffen' ist natürlich der hervostechendste, aber wir sehen diese elektronischen Samples eher als Zusatzelemente und nicht als maßgebliche Bestandteile unserer Musik. Ich höre nicht furchtbar viel elektronische Musik, aber ich bin durchaus aufgeschlossen gegenüber bestimmten Bands und Projekten. THE KNIFE, APHEX TWIN oder auch NINE INCH NAILS machen einfach extrem geile Mucke.


Im Pressesheet steht, dass ihr euch nicht einigen könnt, ob ihr Kölner oder Düsseldorfer seid. Wie ist es möglich, dass eine Band besteht, die eine Kombination aus beiden Städten ist? in der guten alten Zeit gab es da noch Feindschaft bis aufs Blut.

Haha, naja eigentlich sind wir eine Düsseldorfer Band. Wir haben uns dort gegründet, lange Zeit dort geprobt, proben jetzt auch wieder da und haben in der Stadt einfach unsere Wurzeln. Wir haben aber zwischenzeitlich auch mal in Köln geprobt, da einige von uns dort wohn(t)en, ich habe meine Wohnung studienbedingt beispielsweise immer noch in Köln. Wir sind da aber auch nicht so lokalpatriotisch unterwegs, Karneval ist überall scheiße, haha.

Das ist allerdings richtig. Ihr geht mit VÖ wieder auf Tour. Ist das permanente Touren der beste Weg, um die Leute auf euch aufmerksam zu machen? Und was macht aus euch eine gute Liveband?

Auf jeden Fall, touren ist das allerwichtigste als Band. Gerade in Zeiten, in denen es so viele Bands gibt, dass man fast den Überblick verliert, ist es von riesiger Bedeutung, live präsent zu sein. Abgesehen davon ist das Tourleben auch mit Abstand das, was uns als Band am meisten Spaß macht und wofür man ja überhaupt erst Musik macht. Ich denke, man merkt uns auch an, dass wir die Live-Situation extrem gerne mögen, da wir immer alles geben und den Leuten auch versuchen, etwas zu bieten. Für die anstehende Tour haben wir uns z.B. sehr viel Mühe gegeben, was das Lichtkonzept angeht und haben sogar eine ziemlich abgefahrene Kulisse dabei. Ich denke, die Fans werden auf ihre Kosten kommen.

Nuclear Blast machen ordentlich Druck für "Videodrom". Wie sind eure Erwartungen für das Album und spürt ihr den Druck des Labels auch?


Wir erwarten uns natürlich, die Erfolge des letzten Albums auszubauen und toppen zu können, wir machen ja schon eine ganze Weile in dieser Band Musik, und es wäre natürlich geil, davon seine Miete bezahlen zu können, denn eine Band dauerhaft auf einem halbwegs professionellem Level zu halten und gleichzeitig einen normalen Job zu machen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Von Seiten des Labels gibt es keinen Druck im Sinne von: "Ihr müsst von der Platte soundso viele Exemplare verkaufen" oder "macht mal was poppigeres, damit wir mehr Mainstreamleute mitnehmen können". Aber natürlich wollen Nuclear Blast, genau wie wir selbst, den größtmöglichen Erfolg für diese Band. Das Label lebt ja letztendlich davon, Platten zu verkaufen. Aber den größten Druck machen wir uns sowieso immer selber.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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