Wave-Gotik-Treffen - Leipzig

09.07.2011 | 02:22

09.06.2011, diverse Veranstaltungsorte

Zum zwanzigsten Mal taucht Leipzig in ein Meer aus Schwarz.

Der Sonntag macht seinem Namen alle Ehre, denn der Tag startet wolkenlos und mit angenehmen Temperaturen. Da bietet sich ein Besuch im Heidnischen Dorf sehr gut an. Die gleiche Idee haben viele andere auch, die nicht Besucher des Wave-Gotik-Treffens sind und gegen Eintritt hinein möchten. Die Schlage vor dem Eingang ist sehr lang, das Dorf bricht aus allen Nähten und mutiert zur Kleinstadt. Wer bei mittelalterlichen Klängen einen ruhigen Tag verleben möchte, braucht gute Nerven und viel Ausdauer, um von A nach B zu kommen.

Vor der kleinen Bühne haben sich am frühen Nachmittag viele Besucher versammelt, denn die Damen von LAS FUEGAS unterhalten das Publikum mit Tanzeinlagen. Zu einem französischen Trinklied balanciert Silva La Renarde einen Krug auf ihrem Kopf. Später reicht sie einigen Anwesenden daraus eine willkommene Erfrischung, die bei der Hitze gern angenommen wird. Danach präsentiert sie mit ihrer Partnerin Vianne de Mirage ein Kunststück mit der Schwerterkiste. Vianne wird in die Kiste gesteckt, welche verschlossen wird. Silva durchbohrt mit zahlreichen großen Schwertern die Kiste, die sie vorher vom Publikum unter die Lupe hat nehmen lassen. Nach und nach werden es immer mehr Schwerter und für Vianne gibt es kein Entrinnen. Das letzte Schwert darf ein Gast einschieben, den sich Silva kurzerhand geschnappt hat. Er schaut etwas skeptisch, aber als kurze Zeit später Vianne wohlbehalten aus der Kiste steigt, ist auch er erleichtert. Dem Publikum hat es gefallen und so wird laut applaudiert.

Auf der großen Bühne geht es kurze Zeit später nicht so beschaulich zu. Die Pagan-Meute von GERNOTSHAGEN ist nämlich an der Reihe. Dass es jetzt härter wird, bekommen die unbedarften Besucher bereits beim Soundcheck mit, als Sänger Daniel mit lauter Stimme ins Mikrofon growlt. Das jagt einigen dann doch einen Schrecken ein. Aber vertreiben lässt sich niemand davon und so können die Thüringer mit ihrem Auftritt viele Sympathiepunkte einfahren. Das neue Album "Weltenbrand" kommt nebst gleichnamigen Stück sehr gut im Publikum an. Zu Beginn von 'Schlachtenbruder' greift sich der Sänger ein großes Horn und ruft alle auf, mit ihm in die Schlacht zu ziehen. Doch blutig wird es nicht, sondern die Fans vor der Bühne feiern, trinken und schütteln die Haare, so wie sich das gehört.

Töne ganz anderer Art gibt es im Innenhof der Sixtina. Erst nimmt Daniel Malheur mit seinem "Monokelpop" die Besucher mit auf Reise in die zwanziger Jahre. Das Ganze erinnert etwas an Max Raabe. Allerdings steht hier kein großes Orchester im Hintergrund, sondern die Musik kommt standesgemäß von einem Grammophon. Im Anschluss treten MINERVE auf. Die sind in der musikalischen-technischen Entwicklung wesentlich weiter und präsentieren eingängigen und melodischen Synthie-Pop. Der Innenhof ist erneut gut gefüllt und die Stimmung gut, als beispielsweise 'My Universe' oder 'Don't Ask Me Why' erklingen. Unterstützt werden die Jungs bei dem Gig von Mel, die sonst bei FUTURE TRAIL am Mikro steht. Alles in allem ein kleiner aber feiner Auftritt.

Es geht zurück in die AGRA-Halle, denn dort ist Heldenabend. Den Anfang macht Jaz Colemann, besser bekannt als KILLING JOKE. Wenn sich Mr. Coleman nicht gerade in Neuseeland verbarrikadiert und auf den Weltuntergang wartet oder den Komponisten beim Prager Symphonieorchester gibt, kommt er nach Leipzig zu einem Auftritt. Die Stadt müsste er ja gut kennen, schließlich hat er hier sogar einmal studiert.

Das Intro ist mittlerweile vorbei, aber auf der Bühne tut sich absolut nichts. Dann die Ansage: "Jaz Coleman, please come to the stage. Your parents are waiting here." Daraufhin bricht in der Halle Gelächter aus, aber der Sänger lässt sich nicht blicken. Also gibt es das Intro noch einmal. Dann aber geht es endlich los. Das Bandalter sieht man den Jungs an, dennoch versprühen sie eine gute Dynamik auf der Bühne. Mr. Colemann erscheint wie gewohnt im grauen Tarnanzug und rot geschminkten Gesicht. Mit 'Requiem' beginnt das Konzert. Eine kurze Begrüßung und schon feuert die Band den wohl größten Hit ab, nach dem sich eine ganze Band benannt hat. 'Love Like Blood' widmet der Sänger dem verstorbenen Bassisten Paul Raven. Nun gibt es kein Halten mehr, alles singt mit und so mancher ist überfordert, diesen Klassiker so zeitig zu hören.

Auch heute ermahnt Jaz die Besucher, dass das Ende der Welt nah ist, schließlich ist bald 2012. Da geht es rapide zu Ende. Doch davon will die Menge nicht so wirklich etwas wissen, zumindest jetzt nicht und feiert bei den neueren 'European Super State' ab. Immer wieder sieht man dem Sänger seine Wut im Bauch an und wenn er die Augen weit aufreißt, wirkt das ziemlich gruslig. Besonders bei 'Madness' kommt das gut herüber. Natürlich gibt es 'Wardance' auf die Ohren und der Auftritt lässt die Halle kochen. Einfach genial was die Jungs da oben auf der Bühne von sich geben. 'The Wait' und 'Pssyche' sind ebenfalls mit dabei, um die Party am Laufen zu halten. 'Pandemonium' soll das letze Stück sein, das KILLING JOKE in Leipzig spielen. Damit verabschieden sie sich von den Fans und die bejubeln noch einmal ihre Helden, die das mehr als verdient haben.

Vor ein paar Jahren waren die Mehlstaub-Rocker schon einmal beim WGT und legten einen perfekten Auftritt hin, bei dem es eine astreine Soundqualität gab. Von daher ist die Vorfreude groß, einem doch seltenen Auftritt von FIELDS OF THE NEPHILIM beizuwohnen. Die Halle ist mittlerweile brechend voll, als der Gig mit etlicher Verspätung beginnt. Mit dem zähen "Shroud (Exordium)" legt die Truppe um Carl McCoy mit viel Nebel los, was vielmehr an ein SISTERS OF MERCY-Konzert erinnert. So richtig laut und flüssig wird es erst im Anschluss mit 'Straight To The Light'. Dabei merkt man, dass der Sound heute nicht den Level des letzten Auftrittes in der AGRA erreicht. Wie immer gibt es wenig Interaktion auf der Bühne, dafür im Publikum umso mehr. Das feiert die Helden, obwohl die Show nicht der Reißer ist. Die Band wirkt unmotiviert und lässt sich lieber in Nebel hüllen als mit Spielfreude zu überzeugen. Natürlich wird der Klassiker 'Moonchild' frenetisch bejubelt, verdient ist der Applaus aber nicht so wirklich. Der Funke der Begeisterung will einfach nicht zünden. Sicher auch dem schlechten Sound geschuldet. 'The Watchman' oder 'From The Fire' können noch ein paar positive Akzente setzten, ehe sich die Herrschaften verabschieden. Das Publikum ruft nach mehr, worauf die Band nach einiger Wartezeit das gut zehn Minuten lange 'Last Exit For The Lost' zum Besten gibt. Das funktioniert besser als der Rest, doch die Rocker verschwinden recht schnell von der Bühne. Zeit wäre eigentlich noch genügend, um einen Song zu spielen. Aber daraus wird nichts. Also später angefangen, eher aufgehört - für die Headlinerposition eine schwache Kür.

Als "Mitternachtsspezial" steht ein ganz anderer Sound auf dem Programm. RECOIL dürfen nun noch den verbleibenden Rest in der Halle unterhalten. Vor allem viele DEPECHE MODE-Fans sind da, denn das ehemalige Bandmitglied Alan Wilder versteckt sich hinter dem Namen RECOIL. Gemeinsam mit Paul Kendall präsentiert er das DJ-Set 'A Strage Hour' Das lebt neben der Musik von einer Video-Show, die passend zur Musik läuft. Würde man es nicht wissen, könnte man denken, dass Paul Kendall der Kopf der Band ist. Er macht Party, heizt die Menge an. Wilder wirkt dagegen etwas schüchtern, agiert mehr im Hintergrund. Aber das nehmen ihm die Fans nicht übel. Die Mischung aus lauten und hypnotischen Sounds kommt gut an, dazu machen die abgedrehten Videos auf der Leinwand das zu einer klasse Show. Später lässt sich dann Douglas Mc Carthy (NITZER EBB) blicken und präsentiert 'Family Man'. Der wird von den Anwesenden ebenfalls mit viel Beifall bedacht und immer wenn während des Sets ein paar DEPECHE MODE-Sequenzen durchschimmern, sind die Fans aus dem Häuschen.

Das im Vorfeld etwas langweilig anmutende DJ-Set entpuppt sich als richtiges Highlight des Abends und so geht es nach einem enttäuschenden FIELDS-Konzert mit guter Laune Richtung Zeltplatz.

Redakteur:
Swen Reuter

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