Twilight Of The Idols Europe Tour 2004 - Bischofswerda/Osnabrück/Berlin

07.10.2004 | 12:12

01.10.2004, Eastclub/Tor/K 17

Es ist 23.00 Uhr, als ich mich erwartungsfroh in die Meute draußen am Bierstand vor dem Club stürze. Man teilt mir mit, dass 1349 gerade zu Ende gespielt haben und dass es vor allem laut gewesen sein soll. Ich lerne meine erste Lektion: Sei pünktlich, wenn der Veranstalter verlautbaren lässt, dass 22.00 Uhr Beginn ist. Dafür gestaltet sich die Umbaupause vor GORGOROTH nun nervenstrapazierend lang. Derweilen bietet sich genug Zeit für paranoide Gedanken, ob der schnauzbärtige Herr neben mir eigentlich ein Zivilbulle ist. Ich flüchte verwirrt nach vorn und schaue gebannt zu, wie vor mir meterweise Stacheldraht ausgerollt, Fackeln gelichtet und zwei Schafsköpfe gepfählt werden. Dann, kurz vor zwölf, ertönt endlich das sägende Intro zu 'Procreating Satan'. Vor, hinter und neben mir reißt plötzlich der Spannungsfaden und mit dem Einmarsch der fünf Krieger in schwarz weißer Tarnfarbe beginnt unverzüglich das gehirnvernichtende Haargewerfe - von manchen bis zum Ende der rund einstündigen Show konsequent durchgehalten. Ich versuche kopfnickend meine Stellung an der Front zu verteidigen, doch zwei tollwütige Burschen schlagen zu heftig um sich, als dass ich mich hier noch bewusst auf die Musik konzentrieren könnte. Also flüchte ich zur Seite, während ein bestialisches Riff das andere jagt, und kann mich nur noch schwer gegen den Drang erwähren nicht auch mein Genick dem Untergang preiszugeben. Widerstand ist zwecklos - ich werde assimiliert und verpasse meinem Kleinhirn eine Erschütterung nach der anderen. Weg ist das Bewusstsein, Chaos herrscht in mir und um mich herum. Ich bin 'Possessed By Satan'. Nun will ich auch nicht mehr am Rande stehen, schlängele mich vor, finde eine gute Position zum Schießen und verbringe den Rest des Konzertes kniend vor der Bühne in der Hoffnung auf ein paar gute Fotos. Zwischendrin überkommen mich immer wieder Allmachtsgefühle, insbesondere bei solchen Hymnen wie 'Profetenes Åpenbaring', wenn Gaahl seine Stimme zum Choral anhebt, oder 'Incipit Satan'. Dann weicht der Wille das beste Konzertfoto aller Zeiten einzufangen (der Weg ist das Ziel) und ich lasse meine Muskeln machen, was die Musik von ihnen verlangt. Dabei schießen mir solche Fragen in den Kopf, wie: Wer ist lauter, schneller, böser und hat mehr Songtitel mit dem Wörtchen "Satan", als GORGOROTH, und finde keine Antwort. Das einzige, was hier heute Abend noch "revealed" wird, ist der Untergang. Ohne Zugabe verlässt die Band die Bühne, nimmt aber den Weg durch das Publikum, verschwindet und kehrt zurück um sich allen Fragen, Huldigungen und Angriffen zu stellen. Gaahl und Infernus sind sehr zufrieden, King Ov Hell kritisiert die Faulheit im Publikum: "In Mexiko gehen die Fans ganz anders ab, dort bangt die ganze Halle." Gaahl findet es dagegen gut, wenn sich der Fan konzentriert die Musik anhört und hasst z.B. das schwedische Publikum, wo sich besoffene Fans vor der Bühne raufen. Ihm liegt sehr viel daran, dass sich die Menschen mit dem beschäftigen, wofür GORGOROTH stehen. Damit spricht er vor allem die philosophische Intelligenz in jedem Menschen an, nichts ist für ihn verabscheuungswürdiger, als Dummheit. Auf mich wirkt Gaahl in gewisser Hinsicht sogar sehr spirituell; er achtet genau darauf, was er isst, liest und sagt. Bei den fünf Shows in Mexiko und einer weiteren in Guatemala möchte er z.B. gerne auch die alten Tempel der Maya und Azteken anschauen. Fragt sich nur, ob dafür Zeit bleibt, denn der Tourplan ist dicht gepackt und gönnt den Musikern keinen "Day Off". Das heißt, die Bands werden jeden Tag ein Konzert geben, feiern bis der Morgen kommt, den langen Weg von Stadt zu Stadt im Bus verschlafen, ein wenig essen, duschen (wenn es die Möglichkeit dazu gibt), Soundcheck machen und wieder auf die Bühne gehen - ein ewig währender Kreislauf und am Ende kommt ein stickender halbverwester Sauhaufen zurück nach Norwegen. Das Leben "On The Road" ist wahrhaftig kein Zuckerschlecken, von Luxus keine Spur. Nur am Alkohol wird nicht gespart; bleibt zu wünschen, dass dieser nicht auch noch den von tiefen Augenringen entstellten Busfahrer davon spült...

Setlist 1349:
Nekronatalenheten
Chasing Dragons
Beyong The Apocalypse
Pitch Black
Satanic Propaganda
Perished In Pain
Blood is The Mortar
Manifest
Aiwess Aeon
Riders Of The Apocalypse
Haunting
I Breath Spears

Setlist Gorgoroth:
Procreating Satan
Forces Of Satanic Storms
Possessed By Satan
Bergtrollets Hevn
Rite Of The Infernal Invocation
Profetenes Åpenbaring
Of Ice And Movement
Unchain My Heart
Destroyer
Incipit Satan
Ødeleggelse og Undergang
Blood Stains The Circle
Revelation Of Doom

Redakteur:
Wiebke Rost

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