Party.San Metal Open Air - Bad Berka

22.08.2007 | 15:01

09.08.2007, Festivalgelände

Freitag

LAY DOWN ROTTEN haben die Ehre, den ersten so richtig offiziellen Festival-Tag zu eröffnen. Sie tun dies mit einer extrem brutalen Show, die als Mischung aus KATAKLYSM und ein paar Schweden-Einlagen funktioniert. Die Fans dürfen dazu mit dem ausgestreuten Heu vor der Bühne spielen oder sich an dem einsetzenden Nieselregen ergötzen. Mit Recht kann da Sänger Jost Kleinert sagen: "Danke schön, das sieht sehr gut aus von hier oben." Was bei ihm und seinem gewichtigen Kollegen Daniel Jakobi in der Folge auch extrem gut klappt, ist das schicke Wechselspiel zwischen growligen und gutturalen Vokillz, die dem Sound noch einen Zacken mehr Härte bescheren. Die gewählten Songs liefern zudem einen guten Einblick in das Schaffen von LAY DOWN ROTTEN, die mit solchen Klassealben wie "Breeding Insanity" schon für ordentlich viel Aufmerksamkeit in der Szene gesorgt haben. Auch Sinn für Humor zeigen sie: Mit derben "Fleisch!"-Rufen werden die Besucher verabschiedet, vorher gibt's dafür eine Predigt zum Thema Drogen und ihre Gefährlichkeit. O-Ton: "Das ist was für Nazis."
[Henri Kramer]

Wer am Freitagnachmittag noch am Kater des Vorabends zu leiden hat, dem prügeln KORADES anschließend gegen 14.30 Uhr erbarmungslos die Katze aus dem Kopf. Eine brettharte Doublebass, fiese Thrash-Riffs und die MOTÖRHEAD-Stimme von Frontmann Joo lassen keine Zeit, sich mental auf den Kampf mit KORADES einzustellen. Dass nur ein harter Kern von ca. 15 Thrash-Metallern den fünf Hallensern per Haupthaarrotation huldigt, interessiert die Jungs wenig. Vor der Bühne bricht die Hölle los. "Krieg Alkohl!", brüllt Iroträger Joo seinem Publikum entgegen und scheint selbst nicht mehr so ganz nüchtern zu sein - oder immer noch nicht. Dies hindert ihn nicht daran, das gerade Punk-Thrash-Death-Metal-Set ohne Erbarmen durchzuziehen. Ein bangbarer, wüster Gig, der zeigt, dass Punkrock und Thrash Metal eine brachial-geile Symbiose bilden können. Unklar bleibt hier nur Joos Sonnenbrille bei Nieselregen.
[Corina Brucker]

CLITEATER-Sänger Joost Silvrants setzt sich danach die Unterhose auf den Kopf. Oder so was in der Art. Es sind solche Momente, die den Gig der niederländischen Grindcore-Institution zu einer spaßigen Angelegenheit machen. Die fünf Jungs holzen los wie die Weltmeister, und der "Clit"-Pit vor der Bühne lässt vermuten, dass ihre Fans dabei richtig Spaß haben. Im politischen Teil wettert der Frontmann gegen al-Qaida, wünscht den Terroristen den Teufel an den Hals - oder mindestens den gesamten Schlamm des Festivals. Der großartige Mosh-Gig endet mit einem formidablen 'Eat Clit Or Die', dem Titeltrack ihres zweiten Albums. Wer danach noch meckert, dass Grindcore zu viel oder zu wenig Spaß macht, hat CLITEATER und diese gesamte Musik nicht verstanden. Denn die haben genau den Fun-Level, von dem ein Festival wie das Party.San auch lebt. Danach folgt der industrielle Teil des Tages.
[Henri Kramer]

Und jetzt: basslastig, brummend wie zwei fette, überdimensionale Maikäfer, die es direkt am Trommelfell der Zuhörer treiben - das sind RED HARVEST! Das ist astreiner Industrial Black Metal aus Norwegen. Das ist ein psychedelisches Gemetzel aus langsamen Parts, die einem tief brummend die Gesichtsmuskulatur massieren, bevor sie dann losbrechen und einem prügelnd die letzten Schlaf-Falten glatt bügeln. Das ist genau die Mucke, die Frau abends hören will, wenn sie die Zigarette danach raucht und sich mit den Eingeweiden ihrer letzten Eroberung einseift. Woohoo! Das ist ein musikalischer Hardcore-Porno, bei dem es nur die Geschickten schaffen, ihre Haare und ihren Hintern gleichzeitig im Balztanz rotieren zu lassen. Hammerfett!!!
[Silvana Conrad]

Die Überleitung zu EQUILIBRIUM, die manche vielleicht als die Shampoo-Metal-Band des Party.San bezeichnen würden, fällt da schwer. Deswegen: Sie kommen jetzt:
[Henri Kramer]

Sauber durchgespielten Pagan-Humppa-Party-Metal würde der normale Metalhead eher in Finnland ansiedeln. Nicht jedoch im erzkatholischen München. Die Herren und die durchaus vorzeigbare Bassfrau von EQUILIBRIUM schert es einen Dreck. Mit unglaublicher Power stürmen die fünf Bayern am frühen Freitagabend die Bühne - und blicken auf ein Meer aus erhobenen Händen. Der Sound drückt, wird aber immer wieder durch filigrane, eingängige Folkmelodien entschärft. Leicht, fast verspielt, darüber genau richtig gesetzte und subtile Gitarren-Soli - so klingen EQUILIBRIUM. Sänger Helge hat sichtlich Spaß und fegt wie blöd über die Bretter. Schade nur, dass der Rest der Band so in Konzentration versunken zu sein scheint, dass sie Helges Energie fast ein wenig bremsen. Das tut der musikalischen Qualität des Gigs allerdings keinen Abbruch. Die Meute feiert EQUILIBRIUM, was das Zeug hält, und grölt die deutschen Texte sicher mit. Als Helge dann auch noch T-Shirts im Publikum verteilt, haben die Münchner Humppa-Trolle gewonnen. Fazit: sehr sympathisch, sehr melodiös, absolute Ohrwurm-Garantie und vielleicht einen Tick zu nett.
[Corina Brucker]

Manchmal ist es übrigens aber auch schön, wenn sich zwei Schreiber aus Versehen einen Gig ansehen - und offensichtlich ganz andere Sachen mitbekommen ...
[Henri Kramer]

Am späten Nachmittag betreten die Epic-Pagan-Metaller EQUILIBRIUM die Bühne. Man bekommt die klassische Show zu sehen, natürlich auch mit dem Hit 'Met', bei dem Sänger Helge eben jenes Getränk stilvoll in Plastikflaschen umgefüllt in die Menge wirft. Nach dem Song gibt es noch ein paar T-Shirts geschenkt - um Sympathiepunkte zu sammeln - und ein neues Stück, das auf dem längst überfälligen neuem Album "Sagas" zu finden sein wird. Obwohl er in das typische EQUILIBRIUM-Schema passt, scheint das Publikum eher wenig hingerissen.
[Maraike Hofer]

Es folgt eine Band, die auf dem Festival als eine der ersten die Ehre hat, auf einer pinken Luftmatratze am Legacy/Rock-Hard-Stand zu unterschreiben. Noch viele dürfen das: ASPHYX zum Beispiel, GORGOROTH auch. Doch erstmal sind BELPHEGOR dran.
[Henri Kramer]

Sie sind schwarz, sie tragen Nieten, und sie sind einfach nur böse. BELPHEGOR geben reinsten, exquisiten Black Metal zum Besten - und das wissen sie auch. Der Sound ist dreckig-düster, wie er sein soll, und Frontmann Helmuth growlt, als wolle er den jüdischen Dämon aus dem Mittelalter, der den Österreichern ihren Namen gab, selbst auf die Bühne locken. Wuchtige, schwere Riffs harmonieren perfekt mit einer klar getappten Leadgitarre. Songs wie 'Lucifer Incestus', 'Belphegor - Hells Amassador' oder 'Swarm Of Rats' bringen die BELPEHGOR-Gemeinde vor der Bühne zum Kochen. Die Drums sind nur noch Gewitter, und als hätte sich jemand auf höherer Ebene angesprochen gefühlt, donnert und blitzt es um 19.15 Uhr durch den penetranten Nieselregen. Einen besseren Background kann es für BELPEHGOR nicht geben. Die Menge vor der Bühne ergeht sich in unheiligen Zuckungen, und als Helmuth ihnen sein inflationär gebrauchtes "Fuck you all!" entgegenschleudert, gibt es kein Halten mehr. Doch noch mehr Großtaten stehen an ...
[Corina Brucker]

19.45 Uhr ist jetzt zwar nicht gerade eine würdige Zeit für einen Death-Metal-Vorschlaghammer wie VADER, aber Schnaps drüber: Hauptsache, die Jungs sind überhaupt am Start! Gleich von Anfang an legt der morbide polnische Exportartikel gewohnt monströs los. Ein Todesbrett nach dem anderen wird einem schonungslos ans Ohr genagelt und drängt sich durch sämtliche Schichten des Trommelfells. Blaue Flecken in den Tiefen der Gehörgänge können zwar auch später nicht nachgewiesen werden, müssen bei diesem Feuerwerk blutigster Beerdigungsmucke aber definitiv vorhanden gewesen sein. Alles andere wäre eine Beleidigung! Und spätestens als 'Helleluyah'(!!!) angestimmt wird und Frontmann Peter "God is dead" in die Menge grölt, ist auch dem letzten Metalhead scheißegal, dass ihm der verpisste Dauerregen lauwarm ins Bier plätschert. Von da an wird nur noch gerockt, Unmengen an Schlamm umgewälzt und die Mähnen zu den Klängen aus dem Totenreich geschüttelt. Dieser Auftritt, der ausnahmslos aus Höhepunkten besteht, entschädigt auf alle Fälle für das verwässerte Bier und steigert die Vorfreude auf kommende Gigs.
[Markus Wuchenauer]

Die schwedischen Retro-Thrasher BEWITCHED werden von der wütenden Meute schon sehnlich erwartet und eröffnen ihren Gig mit dem Opener ihres letzten Albums "Fucked By Fire". Doch obwohl die Band eine Hammer-Stimmung verbreitet, wirkt der Großteil des Publikums noch alles andere als vom Feuer gefickt. Um trotzdem noch tiefschwarze Dunkelheit über ihre Gefolgsleute hereinbrechen zu lassen, legen sie den neuen Song 'Desecrate' nach. Ohrwurmverdächtig und rockig lässt einen dieses neue Meisterstück schon zähnefletschend auf die neue Scheibe warten. Obwohl Stücke wie 'Black Burning Hatred', 'Blood On The Altar', 'Spell Of Death', 'Glorious Are The Ways Of The Death' und 'Night Of The Singer' die Luft förmlich zerreißen, wären wohl ein paar animierende Stromstöße nötig gewesen, um die Party.san-schen Alkoholleichen vor der Bühne aus ihrem Schlummer zu wecken.
[Marko Seppä]

Was? Nein. Jetzt sind doch alle wach! Denn ab nun heißt es Reitermania. Überall. Weil die Jungs schon vorher angekündigt haben, dass sie sich vor allem auf ihre ollen Kamellen der Anfangsjahre konzentrieren wollen, was bei einem Festival des Party.San-Härtegrads auch angemessen und so gewollt ist. Ein Erfahrungsbericht:
[Henri Kramer]

Ich habe schon Gänsehaut, als sich der pompöse Orchestersound um die rot-blau durchflutete Bühne in meine Ohren bricht. Hektisch pule ich mir das Ohropax aus den Ohren: Das muss ich ganz genau hören, Tinnitus hin oder her. Eine dunkelhaarige Tänzerin betritt in einem fast durchsichtigen weißen Kleid die Bühne. Es scheint, als werde sie von den Melodien umspült. Noch mehr Gänsehaut. Ein Mönch erscheint im Blickfeld, sein Gesicht unter der weiten Kapuze ist nur ein schwarzer Fleck. Er greift der jungfräulichen Tänzerin rüde an die Brüste und in den Schritt, dann stößt er sie von sich. Als die Tänzerin endgültig zusammenbricht, tobt Frontmann Fuchs auf die Bretter. Nur im Samurai-Beinkleid mit Sonnenbrille und Kunstblut schmettert er den Fans seine Begrüßung entgegen. So etwas schaffen nur DIE APOKLAYPTISCHEN REITER.

Dass Iwans Gitarre für ein paar Minuten ausfällt, bekomme ich nur am Rande mit. Dafür umso mehr den unvergleichlichen REITER-Sound, der das Gelände in einen wahren Hexenkessel verwandelt. Neben Old-School-Sahnestückchen wie 'Unter der Asche' , 'Gone' und - mit Huldigung an die anwesenden Vorbilder - 'V.A.D.E.R.' veredeln die Reiter wie immer mit einem brillanten Mix aus Cembalo, Klavier und hochentwickeltem, reinem Metal. Dazu genießt Fuchs die Rolle des Gauklers sichtlich. Er speit Feuer, schickt blaue Riesenluftballons in die Menge und steigt immer wieder dem befrackten Dr. Pest aufs Keyboard. Volk-Man keift wie besengt und erzwingt mit seinen üblen Riffs nur noch mehr Ekstase. Inzwischen drohen meine Knie den Abgang zu machen, obwohl das bisher getrunkene Bier sich auf eine einstellige Ziffer beläuft. Kein Wunder. Für jede Frau mit Geschmack ist Sänger Fuchs in diesem Moment der Gott. Als dann auch noch ein Sarg mit Ex-Sänger Skelleton darin auf die Bühne gerollt wird und Fuchs und sein Vorgänger im Duett 'Metal Will Never Die!' schmettern, bin ich am Rande eines Nervenzusammenbruchs. DIE APOKALYPTISCHEN REITER lassen an diesem Freitagabend keine Wünsche offen. Einfach Reitermania.
[Corina Brucker]

IMMOLATION sind nach diesem Feuerwerk die Todesblei-Entsprechung von GORGOROTH am nächsten Tag. Denn genau wie die Norweger schweben die Amerikaner in eher satanischen Sphären und lassen auch auf der Bühne erkennen, dass ihnen unbeschwertes Lachen zumindest live eher weniger liegt. Dafür liefern sie einen infernalischen Gig ab, der mit solchen Krachern wie 'No Jesus No Beast' gespickt ist. Dazu kommt die atemberaubende Art der beiden wichtigsten IMMOLATION-Mannen Ross Dolan und Robert Vigna: Dolan trägt als Frontmann und Bassist wohl immer noch einen der längsten Haarschöpfe, die die Metal-Szene kennt, Vigna dagegen verschmilzt mit seiner Gitarre und sieht aus, als würde er darauf dreißig Stunden täglich üben. Ein Gig, bei dem potentielle Nachwuchsmusiker ein paar Schwindelanfälle bekommen haben dürften - und die Fans dieser völlig unterbewerteten Band einen Mosh-Koller.
[Henri Kramer]

Und nun KREATOR! Es hat sich nichts verändert. Die deutschen Kult-Thrasher sind zwar ein wenig älter geworden, aber keineswegs leiser und langsamer. Rauch steigt auf und vernebelt das opulente Bühnenbild samt Leinwand – leider zu Beginn auch ein wenig Milles Stimme. Egal! Denn sie ballern 'Violent Revolution', 'Pleasure To Kill' sowie 'Enemy Of God' in die begeisterte Menge. Die Atemwege langsam wieder freibekommend, kann sich Mille nun endlich einer seiner zahlreichen Ausführungen widmen. Das deutsche Volk - ein Land der Dichter und Denker. Und recht hat er ja: "Im Metal hat Rassismus keinen Scheiß-Platz."

In die Vollen geht's auch bei 'Extreme Aggression' und 'Reconquering The Throne'. Gegen Ende ist es an der Zeit, die Hass-Flagge zu hissen und zwei abschließende Songs vom 'Endless Pain'-Debüt rauszukloppen. Im Hintergrund flimmern Bilder aus der Bandhistorie von der Leinwand. Man kann dabei schon fast sentimental werden. Die vielfach während des Auftritts zu hörenden "TORMENTOR!"-Rufe werden beim ultimativen Rausschmeißer 'Tormentor' endlich beantwortet, die "Zugabe!"-Rufe leider nicht. Aber die Jungs versprechen, bald wieder mit neuem Album zurück zu sein, getreu dem Motto: Thrash till Death!
[Stefanie Rudolph]

... and Party till Death, now ...
[Henri Kramer]

Redakteur:
Henri Kramer

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