Party.San Metal Open Air - Bad Berka

22.08.2007 | 15:01

09.08.2007, Festivalgelände

Samstag

Das Erwecken nach einer durchzechten Nacht bringt zwei Erkenntnisse: Weniger Sonne auf einem Open Air lässt länger schlafen, des ausbleibenden Hitzestaus wegen. Ernüchternd wird es nur dann, wenn nicht die geringste Besserung der Situation in Sicht ist und der Zeltplatz immer mehr einer Schlammkloake gleicht. Die Bagger im Backstage-Gelände und die Heubringer haben jedenfalls ordentlich zu tun, die Schäden der Nacht zumindest ein wenig in den Griff zu bekommen. Hut ab.

Eine Überraschung hat der frühe Samstagmorgen auch noch zu bieten: INTERMENT ab 13.45 Uhr, eine Band, die es schon um diese Uhrzeit wagt, in die großen Fußstapfen von DISMEMBER oder ENTOMBED zu treten. Die vier schwedischen Jungs rotzen frisch und unverbraucht ihren Schweden-Sound von der Bühne. Angst scheinen sie dabei nicht zu haben, obwohl es ihr erster Gig außerhalb der heimischen Gefilde ist. Das Publikum weiß ihre Musik durchaus zu schätzen, etliche Headbanger sprechen eine deutliche Sprache. Und ganz deutlich bleibt die brachiale Stimme von Frontmann Johan in Erinnerung, der genauso gut in einer der alten Schweden-Legenden mitmischen könnte.

Solcherlei Genialität geht LENG TCH'E etwas ab. Die Belgier machen ihre Sache zwar gut, doch so recht will ihr grindiger Death Metal dennoch nicht zünden. Klar, einige Liebhaber so extremer Bands wie NAPALM DEATH - deren Sound LENG TCH'E absolut bedienen - sind vor der Bühne. Allerdings besitzt die Band lange nicht so einen hohen Spaßfaktor wie etwa HAEMORRHAGE, die kurze Zeit später alles in Schutt und Asche grinden. Im Kopf bleiben nach dem LENG TCH'E-Gig allerdings das unbändige Schlagzeugspiel von Drummer Toni und das Geschrei von Frontbrigadier Boris. Songtitel spielen da keine große Rolle mehr, obwohl 'Tightrope Propaganda' schon ganz schön amtlich aus den Boxen kracht. Dennoch, eher durchwachsen. Wie eigentlich auch der folgende Gig, oder? Nass war er sowieso ...
[Henri Kramer]

Regen - der Fluch des diesjährigen Party.San - sagt "Willkommen" zu THE BLACK DAHLIA MURDER, wie auch leider sehr viele andere Truppen des diesjährigen Festivals. Und auch hier hat wieder nur eine handvoll Leute den Arsch in der Hose, die Death-Metal-Metalcore-Irren aus Detroit trotz Bindfadensuppe zu supporten. Mit stachelnden Kommentaren wie "What's wrong, can't stand the rain? Don't be fucking pussies!" versuchen sie die verweichlichten Zuhörer aus dem Schutze der Bierzelte hervorzulocken - das Stück 'Statutory Ape' widmet man spontan den ganz Harten aus der ersten Reihe. Diese bedanken sich sichtlich gerührt, indem sie Klopapier und Matsch auf die Bühne schießen, denn schließlich sollen ja auch die Jungs von THE BLACK DAHLIA MURDER in Festivalstimmung kommen. Als dann das Wetter ein wenig aufklart, kommen doch noch ein paar Zottelmänen angehumpelt, um 'The Blackest Incarnation' zu lauschen. Mal ganz vom Wetter und der kleinen Zuhörermasse abgesehen, war es trotzdem ein ehrenwürdiger Auftritt, den uns die Amis da präsentiert haben.
[Marko Seppä]

HAEMORRAGE haben danach auch nicht die spanische Sonne im Gepäck. Dafür aber Grindcore-Gekloppe der finstersten Art. Dreck ist die erste Assoziation, die einem hier einfällt. Und das liegt nicht nur an den nackten, schlammtriefenden spanischen Fans der Combo, die sich schon bei den ersten Klängen ekstatisch vor der Bühne suhlen. Denn Frontmann Lugubrious taumelt blutüberströmt über die Bühne. Er keift, er spuckt und growlt nur noch Druck auf die Gehörgänge. Zwischen irren Grimassen präsentiert Lugubrious der Meute immer wieder seinen obligatorischen Schweineknochen oder amputierte Gliedmaßen. Das gehört bei den Maniacs von HAEMORRAGE ebenso dazu, genau wie der irre geile Soundmix aus Grind und Punk oder das mehr als schnelle Drum-Geschepper. Die Riesenboxen geben inzwischen ein bedrohlichen Rauschen von sich. Der Sound ist einfach zu viel für die Anlage. Ein egoistischerweise mitgeschlepptes Kleinkind hält sich auf dem Arm der Mutter hysterisch schreiend die Ohren zu, während vor der Bühne ein pathologisches Inferno tobt. Diese Band ist definitiv kein Kindergarten. Für alle Volljährigen sind die ausgetickten Spanier aber ein Muss. Geil, geil, geil!
[Corina Brucker]

Weit gereist sind MELECHESH, um den Fans ihren "Mesopotamian Black Metal" näherzubringen - was sie mit Erfolg schaffen. Das Publikum, das zunächst noch etwas müde scheint, blüht während des Konzertes auf, und am Ende scheinen MELECHESH mit ihrer ungewollten Weckfunktion gute Dienste geleistet zu haben. Man wird bereichert mit älteren Hits, aber auch ein paar Liedern vom neuen Album "Emissaries". Ein wunderbarer Auftritt, aber vielleicht etwas zu früh am Tage, weil die Stimmung der Songs bei Tageslicht nicht immer völlig zur Geltung kommt ...
(Maraike Hofer)

... obwohl solche Klassiker der Bandgeschichte wie 'Triangular Tattvic Fire' dermaßen aus den Boxen sausen, dass dem progressiven Black-Metal-Head ganz warm ums Herz wird, diese Typen aus Israel endlich einmal auf so einem wichtigen Festival zu sehen. Göttlich-sumerisch. Deswegen dürfen auch sie auf der pinken Luftmatratze unterschreiben. Genau wie PRIMORDIAL, die eine ähnliche Erhabenheit ausstrahlen.
[Henri Kramer]

Es ist bewölkt, nasskalt und es regnet. Doch eine Band soll das doch wohl überhaupt nicht stören: PRIMORDIAL. Weiß bemalt, blutverschmiert und bereit, den Pagan-Kampf gegen das vor sich hin dösende Publikum mit Ansagen wie "Raise your fucking hands!" aufzunehmen, betreten die Iren die Bühne. Sänger Alan "Naihmass Nemtheanga" Averill beeindruckt Fotografen und Zuhörer gleichermaßen: Er rennt, hockt, kreischt, springt, singt, verzweifelt, flucht, versteinert, verliert seinen Glauben und schreit vor Wut seine epischen Horrorvisionen von 'The Golden Spiral' über 'Burning Season' bis 'Coffin Ships' in einem so klaren, sauberen und überzeugendem Sound, dass einem das Blut in den Adern gefriert und die Linse vor Spannung zu platzen droht. Und er mahnt seine Freunde immer daran zu denken, dass es noch Musik gibt, die für etwas steht und dass manche Bands da immer kompromisslos sein werden. Ja, PRIMORDIAL wirken nicht echt - sie sind es! Mit der Botschaft, dass ihr gerade fertig gestelltes Album "To The Nameless Dead" ab November in den Läden stehen wird, entlassen sie mit 'Gods To The Godless' ihre Jünger wieder in die regnerische Realität.
[Silvana Conrad]

GRAVE sind danach bei ihrem besonderen Gig wortwörtlich noch mal aus dem Grab auferstanden, denn ihre Setlist beinhaltet nur Songs der ersten drei Alben. Darunter sind einige Schmankerl die die Band seit Jahren nicht mehr gespielt hat. Schon mit 'You'll Never See' schaffen es die Vorreiter des schwedischen Death Metals, die Party.Sanen zum Rotieren zu bringen. Dass sie dann noch extra für's Party.San eingespielte Raritäten wie 'Unknown' und 'For Your God' nachschieben, lässt die Stimmung der Meute in einer Headbang-Orgie gipfeln. Nein, Ola Lindgren muss heute nicht lange um Propeller bitten, denn Ansagen wie "C'mon now! We know you like this shit!" fruchten binnen Sekundenbruchteilen und zerschmetternde Death-Metal-Songs wie 'And Here I Die', 'Christi(ns)anity', und 'Obsessed' werden von den grölenden Fans förmlich absorbiert. Mit einer "Thank you for all these years"-Rede und dem letzten Nagel 'Into The Grave' schließt sich der Sargdeckel wieder und hinterlässt ein - von den Toten wiederauferstandenes - Party.Sanen-Feld.
[Marko Seppä]

Oh. Was nun?! Ein Mikro mit einem Geweih verziert, eine Geige, ein Akkordeon, ganz viel Fell und noch mehr Blut. Ja, der Anblick der finnischen Folk-Metal-Kapelle KORPIKLAANI lässt auf dem Party.San doch den ein oder anderen ganz harten Metalschopf die Nase rümpfen. Der Großteil freut sich aber ausgelassen über die stimmungshebende und vor allem warm machende Tanzmusik, so dass nach kurzer Zeit auch die letzten Zweifler ihre Becher, Methörner und Gummihammer in die Höhe heben, um den mehr als gut gelaunten Jungs zuzuprosten. Wer keine Lust hat, sich bei Songs wie 'Happy Little Boozer', 'Korpiklaani' und 'Tuli Kokko' warmzutanzen, der kann sich auch einfach warmlachen, indem er zuschaut, wie 50 Prozent der Party.Sanen so derbst einen in der Krone haben, dass sie beim Schunkeln reihenweise in den Schlamm klatschen.
[Silvana Conrad]

Doch die Gewinner des Festivals heißen ASPHYX. Das liegt schon alleine daran, dass sie sich auf Bitten der Party.San-Crew noch einmal aufgerafft haben, während ihres Gigs aber zu keiner Zeit erkennen lassen, dass sie ihre Sache bereuen würden. Wie auch? Die Fans feiern, die Fans toben. Allenthalben, gerade bei jüngeren Semestern, herrscht einfach nur die pure Freude, diese neu reunierte Death-Metal-Legende noch einmal zu erleben. Dazu kommt, dass ASPHYX - eine lange, wechselvolle Geschichte haben sie hinter sich - anno 2007 wieder mit ihrem besten Frontmann auftreten, den sie je hatten: Martin van Drunen. Wieviel Gift und Galle in der Mörderstimme dieses Mannes mitschwingt, ist schier unglaublich. Gleichzeitig merkt man dem Quartett an, dass sie noch den Metal-Spirit versprühen, der sie Anfang der Neunziger mit Alben wie "The Rack” so groß gemacht hat. Die Titel, die sie auf dem Party.San spielen, sind dementsprechend gewählt: Perlen wie 'M.S. Bismarck' oder 'Wasteland Of Terror' brechen hervor, in jenem Stil zwischen Raserei und tonnenschweren Riffs, der sie so kultig und unvergessen machte. Nun sind sie wieder da. Es ist zu hoffen, dass ihre Fans noch oft bei ihnen toben können. Und vielleicht schaffen es ja die Party.Sanen im nächsten Jahr, noch eine weitere verschollene Band zu reaktivieren. Gute Kandidaten wären CARCASS oder THE CROWN. Doch zurück zu ASPHYX: Eine neue Platte ist angekündigt. Wir dürfen alle gespannt sein. Doch in dieser bestechenden Live-Form ist ein weiterer Paukenschlag wohl unvermeidlich.
[Henri Kramer]

Eine der wenigen Black-Metal-Bands auf dem diesjährigen Party.San sind GORGOROTH. Obwohl auch das Publikum an das eher Death-Metal-orientierte Billing angepasst scheint, ist es vor der Bühne rappelvoll. GORGOROTH selber betreten im typischen Black-Metal-Outfit die Bühne: Corpsepaint, Patronennieten, Nagelarmbänder, was man eben trägt, wenn man ein hohes Tier in der Szene ist. Auch in Bezug auf die Stimmung enttäuschen sie nicht. Sänger Ghaal rennt ab und zu auf der Bühne herum, zwischen den Songs gibt es kaum Ansagen oder sonstige Kontaktaufnahme mit dem Publikum. Ein paar Klassiker fehlen auch, dennoch sind sie rein musikalisch gut anzuhören, wenn man's denn generell gerne hört und man sich mit Pyrotechnik und Stroboskoplicht als Stimmungsanheiterer zufrieden gibt. Eine Band wie GORGOROTH kann sich das wohl erlauben - und die eingefleischten Fans scheinen sich auch nicht zu stören, die Haare werden trotzdem fleißig geschüttelt.
[Maraike Hofer]

Besonders bleibt bei GORGOROTH auch in Erinnerung, das Ghaals klarer Gesang unglaublich gut klingt und so den brachialen Kompositionen manchmal einen wohltuenden Kontrast gibt. Ohne solche Sanges-Spielereien kommen allerdings die Samstag-Headliner aus. Denn MALEVOLENT CREATION dreschen einfach nur. Und zwar so derbe, dass die vielen Death-Metal-Lunatics nach ASPHYX noch einmal ihre Genicke hergeben müssen. 'To Die Is At Hand' heißen solche Abrissbirnen, die punktgenau treffen. Dazu kommt, dass Fronter Brett Hoffman auf seine nun schon etwas älteren Tage immer noch ordentlich viel Aggression intus hat und so die Band sich als würdiger Hauptact verkauft. Vermisst noch jemand DEICIDE, die eigentlich an diesem Platz hätten spielen sollen und kurzfristig getauscht wurden? Nein, wenn auch eventuell ASPHYX an diese Stelle gehört hätten.

Doch kein Gemoser. Gemessen an den unglaublichen Wetterbedingungen - so viel Schlamm ist sehr selten - und vorherigem Band-Getausche, geht dieses Party.San bei der Wertung zur besten Metal-Party des Jahres dennoch aufs Siegertreppchen. Denn hier hat sich wieder gezeigt, dass es einem Metal-Head eben egal ist, ob der Matsch matscht oder der Regen sifft - Hauptsache das Bier bleibt regenfrei. Zudem lässt sich der Sound vor der Hauptbühne als durchgehend annehmbar, teilweise sogar brillant beschreiben. Ebenso grandios: Die tonnenweise verschossene Pyro-Technik, besonders die großen Feuerfontänen bei den Hauptacts. Und im Gegensatz zu anderen Festivals liegt die Bühne eben auch so, nämlich etwas weiter unten, dass selbst kleinere Besucher-Kaliber die Chance haben alles zu sehen und nicht auf eine Leinwand angewiesen sind. Also, warum Gemotze, wo es doch den Brutz&Brakel-Cocktail-Stand gibt?

Achja, die leidige T-Shirt-Frage. Einer der drei Veranstalter - Mario "Mieze” Flicke - hat sich inzwischen gegenüber POWERMETAL.de zu den Vorwürfen im Party.San-Internetforum geäußert: "Natürlich sind bei einigen Kontrollen Fehler passiert", sagt Mieze. Man hätte eine extra geschulte Security-Firma engagiert, "die sich mit solchen Dingen auskennen sollte.” Leider hätten aber verschiedene Mitarbeiter der Firma das versprochene Niveau der Geschäftsführung nicht gehalten. "Es tut uns leid, dass es zu manchen unberechtigten Ansagen gekommen ist”, so Mieze. Doch stimme auch der Satz: "Es kann nur der keine Fehler machen, der nichts macht". Denn zu lange sei gegen Nazi-Tendenzen im Metal nichts unternommen worden. "Wir nehmen uns aber der Kritik an und werden schulungstechnisch wie auch personell reagieren." Ziel bleibe dabei allerdings immer ein nazifreies Party.San. Auch sollten Fans die Diskussionen im Internet sehr differenziert lesen. "Nicht jeder der dort schreibt und sich etwa eine '88' an seinen Nickname heftet, ist auch tatsächlich 1988 geboren wurden." Dass sich gerade solche Leute offen aufregen, sei schon schlimm genug. Prinzipiell bleibe für die Veranstalter zu sagen, "dass wir unsere Aktion als einen Erfolg werten", so Mieze. Denn dieses Mal hätten sich tatsächlich wesentlich weniger geistige Tiefflieger auf dem Party.San herumgetrieben. "So haben wir auch wesentlich weniger Hausverbote ausgesprochen als im Vorjahr." Mit diesem Erfolge würden die Party.San-Macher nun hoffen, auch anderen Veranstaltern eine Anregung gegeben zu haben, so Mieze: "Denn das Problem ist kein reines Party.San-Problem." Vielmehr betreffe es beispielsweise auch andere Festivals und ließe sich deswegen auch nur mit einer breiten geschlossenen Front aus Schreibern, Bands und Veranstaltern lösen. "Wir für uns werden auf jeden Fall dort nicht locker lassen - allerdings im nächsten Jahr auf eine höhere Qualität achten", so Mieze.

Und dann kommen wir alle wieder - und werden noch viel mehr zur extremsten und geilsten Extrem Metal-Party des Jahres.
[Henri Kramer]

Redakteur:
Henri Kramer

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