Metalfest Open Air 2010 - Dessau

02.06.2010 | 09:50

13.05.2010, Flughafen

Bei all dem Nackenschmerzen und Gänsehaut erzeugenden Metal bleibt nur eins zu sagen: "Always Hail Satan" (Zitat von URGEHAL).

Je mehr Nächte vergehen, desto stärker macht sich auch die Kälte in den noch müden Knochen und den wohl noch dröhnenden Schädeln bemerkbar, weil das Bier am Vorabend noch immer wie in Strömen floss. Dennoch schaffen es eine Handvoll Besucher vor die Bühne, um sich um 12 Uhr die Death-Metaller von MINDREAPER anzusehen. Ein guter Start.

Viel voller ist es aber auch nicht bei VICTORIUS. Doch irgendwie scheint die kleine Gruppe vor der Bühne schon viel fitter zu sein und reagiert auch auf typische Ansagen wie "Metalfest – Scream for me!". Lässig spielen die Leipziger Power-Metaller Songs wie 'Stormrider'. Am Ende hüpft Sänger David noch über die Bühne, als ob ihm wohl bei dem Regen auch ein wenig kalt ist.

Ja, die Sonne ist ein Arschloch heute. Da hat Sänger Simon von der Thrash- und Death-Metal-Band RITUAL KILLING völlig recht. Die Coburger schlagen gleich mal härtere Töne an und wollen mit tiefem Gegrowle und schnelleren Rhythmen das Publikum für sich gewinnen. Kurz vor Ende nimmt Simon noch eine größere Trommel und versucht, im Takt darauf zu schlagen. Der kleine Showeffekt scheint nur ziemlich in die Hose zu gehen. Vielleicht hätte er zu Hause das Ganze mal üben sollen, aber wenigstens hört man davon so gut wie nichts. Dafür scheint er in seiner Kutte ein kleiner Entertainer zu sein und klopft gerne Sprüche, so wie "Wir sind von dem Festival schon wieder ganz verfilzt. Da hilft nur eins: weiter Haare schütteln". Und siehe da: Es scheint zu funktionieren. Am Ende gibt es sogar Zugaberufe, die erhört werden.

Nach ihnen wird es atmosphärisch: IMPERIUM DEKADENZ. "Ave Metalfest, die Totgeweihten grüßen euch", so Sänger Horaz. Der düstere und gediegene Black Metal ist ziemlich eingängig und melancholisch. Songs wie 'An Autumn Serenade' oder 'The Night Whispers To The Wise' sind da eine willkommene und tolle Abwechslung. Ihre Musik passt wunderbar zu dem trüben Wetter, lässt hier und da Köpfe mitschwingen. Doch das Wetter fordert auch bei den Jungs einen Tribut: Dem Gitarristen steht kurzzeitig das Wasser bis zum Effektgerät. Doch das kleine technische Problem ist schnell behoben und so kann weiter den melancholischen Melodien von IMPERIUM DEKADENZ gelauscht werden, bevor die Musikrichtung mit der nächsten Band, SCHELMISCH, in eine völlig andere Richtung geht.
[Franziska Böhl]

Wer hat bloß die Idee gehabt, die Bonner Mittelalterrocker von SCHELMISH auf das Hartwurst-Billing zu packen? Zwar konnten SALTATIO MORTIS und auch CORVUS CORAX vollends überzeugen, aber bei SCHELMISH hört der Spaß auf. Plumpe Ansage wie "Habt ihr Lust auf deutschen Schlager?" oder "Wir sind fett, hässlich und asozial" zeugen mitunter von Eigenhumor, doch lassen den prasselnden Regen nicht erträglicher erscheinen. Dennoch scheinen einige Besucher doch auf den Sound der Familienbande zu stehen, denn es werden einige Regentänze aufgeführt. Jedoch bleibt das einheilige Fazit: Das ist Dudelrock, wie er auf den Dudelsack geht.
[Enrico Ahlig]

Pünktlich erklingt bei strömendem Regen das Intro der polnischen Band DECAPITATED. Mit zerstörerischen Doppelbassattacken startet 'Day 69' vom aktuellen Album. Rafael krächzt perfekt seinen Part und lässt sich von der Musik mitreißen. Kompromisslos werden die Songs runtergetrommelt. Das Publikum lässt sich von jedem Titel mitreißen. Mit dem Mikrofon in der rechten Hand feuert der Sänger zu 'Names' das Publikum mit der linken Hand an. Die Geste reicht reicht vollkommen aus um einen großen Moshpit zu bewirken. Rafael scheint das sehr zu gefallen und er spielt weiter mit der Menge. Die letzten Lieder steigern die Stimmung noch mehr; Hörner fliegen und die Menschenmenge feuert lautstark die Polen an. Vor dem letzten Lied fordert Rafael noch einen letzten Moshpit. Der Wunsch wird ihm erfüllt und die Show endet in einer riesigen Party.

Das Publikum in Dessau scheint sehr träge zu sein oder weiß die Klassiker nicht zu schätzen. Zu DEATH ANGEL ist der Platz vor der Mainstage mal wieder spärlich besucht. Die ersten Klänge der Band aus San Francisco versammeln das Publikum in einem kleinen Knoten vor der Bühne. 'Lord of Hate' vom aktuellen Album macht die Eröffnung und Mark Osegueda feuert schon mächtig die Menge an. Er schwingt seine extrem langen Haare zur Musik und lässt seine markante Stimme erklingen. Ein Thrash-Kracher folgt dem nächsten und die Zuhörer nehmen die bekannten Songs der Thash-Legende nur zu gern auf. Es ist wenig los, aber die Partylaune würde für das zehnfache an Besuchern ausreichen. Schon nach vierzig Minuten endet die grandiose Show mit 'Seemingly Endless Time'.
[Stefan Brätsch]

Bereits im vergangenen Jahr konnten die schottischen Piraten-Metaller von ALESTORM mächtig punkten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich der Bereich vor der Bühne prächtig gefüllt hat und fast jeder seinen Bierbecher bis zum Rand mit Flüssigkeit gefüllt hat. Auch wenn sich die Setlist im Vergleich zum vergangenen Jahr kaum verändert hat, sorgt der Schunkel-Metal für glückliche Gesichter – nicht nur bei Piraten-Fans. Auch bekannte Grind-Fans lassen sich die Laune nicht verderben und lassen bei Songs Marke 'Keelhauled' oder 'Captain Morgan's Revenge' das Tanzbein schwingen. Prost, ihr Landratten. Auch im Anschluss an die Show lassen die Schotten die Gläser klirren. Vor allem Sänger Christopher haut seine Cocktail-Gutscheine für den einen oder anderen White Russian gewinnbringend heraus. Die Stimmungskanonen des Tages!
[Enrico Ahlig]

Die positive Stimmung hält und löst regelrechten Jubel aus, denn über die Beliebtheit der nun folgenden Bands muss man nicht sprechen. Das Line-Up für den restlichen Abend sieht super aus. Angefangen mit SEPULTURA: Zu den Thrash- und Death-Metallern aus Brasilien muss nicht viel gesagt werden. Der Platz vor der Bühne ist dementsprechend gut gefüllt. Gut gelaunt geben die Jungs Gas, hauen mächtig in ihre Saiten und lassen es mit Klassikern wie 'Refuse/Resist', 'Troops Of Doom', 'Territory' oder 'Inner Self' richtig krachen. Der kraftvolle Gesang und die gute Mischung aus härterem Geknüppel und tollen, eingängigen Melodien gepaart mit längeren Gitarrensoli kommen sehr gut an beim Publikum. Weiter vorn spielen einige Fans sogar Fußball. Am Ende gehen nicht nur die Pommesgabeln hoch, sondern die Fans hüpfen auf Ansage sogar noch mal kräftig mit. Zum Abschluss gibt es noch 'Roots Bloody Roots'. Für kurzzeitige Unterhaltung, bis es mit der nächsten großen Band weitergeht, sorgen ebenso die amüsanten Ansagen während des Umbaus, die stark an Donald Duck erinnern.
[Franziska Böhl]

Die Dämmerung setzt langsam ein, da stampft Chris Barnes von SIX FEET UNDER auf die Bretter und legt schon bei den ersten Takten los wie die Feuerwehr. Der Mann mit den Megarastas scheint also gute Laune zu haben und das äußert sich nicht nur durch Mattenkreisen, nein, und jetzt kommt's: Herr Barnes kann tatsächlich lächeln. Er peitscht das Publikum während des fulminanten Gigs immer wieder an und die geifernde Meute lässt sich nicht zweimal zum Stumpftanz bitten und löst so ihrerseits fleißig die Haargummis, um zu Songs wie 'Victim Of The Paranoid', 'Revenge Of The Zombie' oder 'Human Target' steilzugehen. So simpel die Songs sind, so gut funktionieren sie auch und allen Kritikern der Band sei gesagt: SIX FEET UNDER rocken live wie Sau! Zum Abschluss gibt es dann noch das übliche 'TNT', bei dem zum letzten Mal kräftig mitgebrüllt werden kann, und es bleibt die Erkenntnis, dass das Wort in AC/DCs Gassenhauer gar nicht "explode", sondern eben "expliiiiiieeeeeeeeeeeeeede" heißt!
[Philipp Halling]

Danach wird es düster auf der in Nebel gehüllten Bühne, denn die Black-Metal-Band BEHEMOTH betritt die Bühne: Die Polen legen gleich gut los und die Menschenmenge reagiert äußerst gut auf Songs wie 'Shemhamforash' oder den harten, schnellen Track 'Slaves Shall Serve'. Dazu gibt es schönes Posing, das an sich ziemlich einstudiert wirkt. Hin und wieder werden auch einige Soli präsentiert, darunter vom Drummer, das von einem Lichtergewitter begleitet wird. Doch BEHEMOTH wollen mehr Action vor der Bühne sehen. An sich nicht so schwierig, doch der Platz vor der Main Stage ist nicht proppevoll. Dafür wird auf der Bühne immer wieder fleißig gemosht, was besonders gut aussieht, wenn sich die Jungs in V-Form aufstellen. Weiter geht es mit einem absoluten Thrasher: 'Chant For Eschaton'. Doch nach rund 50 Minuten ist ihr Auftritt vorbei. Eine Zugabe gibt es trotz der fleißigen Rufe nicht. Doch BEHEMOTH bieten an diesem Abend eine tolle Performance mit einer starken Lichtshow und einem ausgesprochen tollen Sound.
[Franziska Böhl]

Bevor TWILIGHT OF THE GODS ihre Tribut-Show zelebrieren, dürfen POWERWOLF im Hangar ran. Eine Verschwendung, wenn man die unterhaltsame Show der Jungs betrachtet. Sänger Attila glänzt mit humoristischen Sprüchen und die Saitenfraktion (ohne Bass) glänzt mit Soli im Sekundentakt. 'Ressurection By Erection', 'Werewolves Of Armenia' oder 'Prayer In The Dark' lassen die Haare kreisen und die Luftgitarren schwingen.

Nun ist es endlich soweit: TWILIGHT OF THE GODS. Die Namen der sich dahinter verbergenden Musiker lesen sich göttlich: Alan Nemtheanga (PRIMORDIAL), Blasphemer (AVA INFERI, AURA NOIR, ex-MAYHEM), Frode Glesnes (EINHERJER), Nick Barker (BENEDICTION, ex-DIMMU BORGIR, ex-CRADLE OF FILTH) und Patrik Lindgren (THYRFING) – und wenn diese Jungs BATHORY-Cover spielen, was soll da schief gehen? Während die ersten Klänge von 'A Fine Day To Die' laufen, stürmt Alan die Bühne und legt eine schicke Feuerspuck-Action hin. Burn, Baby, Burn! In der folgenden Stunde huscht eine Gänsehaut nach der anderen über die Haut der Anwesenden. Alan zuckt über die Bühne, spart nicht mit großen Gesten und erinnert daran, dass dieser Auftritt lediglich einen Tribut an eine Legende darstellt. Er möchte Quorthon ehren und seinen Einfluss auf die heutige Metal-Szene in den Mittelpunkt stellen. Musikalisch legt man größtenteils das Augenmerk auf das legendäre "Hammerheart"-Album sowie auf "Blood On Ice", welche vor allem die heutige Viking-Szene wie keine zwei anderen Alben geprägt haben. Leider kommen die Fans nicht in den Genuss von 'One Rode To Asa Bay', doch auch ohne den Überhit kommen alle Fans auf ihre Kosten. Wer hier nicht vor der Bühne stand, hat wirklich was verpasst. Jedoch bekommen die Sünder auf der kommenden Heidenfest-Tour eine nächste (letzte?) Chance, denn pünktlich zum Metalfest wurden TWILIGHT OF THE GODS nun auch offiziell als Headliner verkündet.


Setlist:
  1. A Fine Day To Die
  2. The Sword
  3. Father To Son
  4. Home Of Once Brave
  5. Through Blood By Thunder
  6. Valhalla
  7. One Eyed Old Man
  8. Under The Runes
  9. Blood Fire Death

Damit geht das Metalfest Open Air in Dessau auch langsam zu Ende: Als vorletzte Band auf dem Festival betreten im Hangar noch die schwedischen Black-Metaller SHINING die Bühne. Trotz des eher mäßigen Sounds liefern die Jungs eine gewohnt interessante Show ab, bei der Sänger Niklas Kvarforth gerne post, sich auch mal eine Zigarette am Hosenbein ausdrückt oder seinen Gitarristen in den Mund spuckt. Dabei hat die Musik so etwas gar nicht nötig: Die ruhigen, schweren Songs mit dem kraftvollen Schreigesang würden sicher auch so gut ankommen. Den Abschluss bildet die lettische Folk-Metal-Band SKYFORGER. Für einige geht es danach schon nach Hause, noch eine kalte Nacht im Zelt muss nach mehreren Tagen nicht sein.

Fazit: Das Metalfest Open Air in Dessau litt ein wenig unter dem durchgängig mieserablen Wetter. Irgendwann halfen auch kein Bier oder heißer Met mehr. Auch SEPULTURA war es zu kalt, die deshalb nicht zur Autogrammstunde erschienen sind. Doch sieht man von den doch etwas vielen Pagan- und Mittelalter-Bands ab, bleiben Erinnerungen an einige tolle Auftritte. Besonders hervorzuheben sind folgende Gigs: URGEHAL werden durch ihre ulkige und kultige Art sicher noch länger im Gedächtnis bleiben - "Always Hail Satan" -, bei ENFORCER sind es dann eher die trashigen Outfits. BEHEMOTH lieferten einen souveränen Auftritt und der absolute Höhepunkt war TWILIGHT OF THE GODS. Bis zum nächsten Jahr und dann hoffentlich mit mehr Sonne!
[Franziska Böhl]

Auf dem Metalfest Open Air 2010 in Dessau waren für euch: Stefan Brätsch (Text), Philipp Halling (Fotos und Text) und Franziska Böhl (Text).

Redakteur:
Franziska Böhl

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