Headbangers Open Air - Brande-Hörnerkirchen

26.09.2008 | 17:30

24.07.2008, Festivalgelände

Freitag, 25.07.08

Der zweite Tag beginnt wie schon der erste: Die Sonne scheint. Daran können auch BLACK HAWK nichts ändern. Obwohl die Band aus Mölln bereits seit über zwei Dekaden mehr oder weniger aktiv ist, kenne ich nicht einen einzigen Song von ihnen. Beim Begutachten des Sets beantwortet sich mir auch die Frage, woran dies wohl liegen könnte: Ihr Allerwelts-Metal juckt mich überhaupt nicht. Daran können auch der gute Gesang von Udo Bethke und eine Coverversion von 'Detroit Rock City' nicht viel ändern.

Aufgrund der Absage von PARADOX folgen erneut DEADLY BLESSING, und ich hoffe auf eine überzeugendere Vorstellung. Leider wird schnell klar, dass die Jungs offensichtlich kaum mehr Material eingeübt hatten. So variiert die Setlist fast gar nicht zum Vortage, und der Sänger liegt leider auch heuer relativ häufig neben den eigentlichen Tönen. Da hatte ich deutlich mehr erhofft.

Den Australiern von MORTAL SIN will ich eigentlich nur eine Höflichkeits-Stippvisite abstatten, aber der Fünfer um das hünenhafte Mattenmonster Mat Maurer packt mich schon mit dem ersten Song wortwörtlich bei den Eiern. Was für ein Brett! Der häufig gesuchte Funke springt sofort auf die erstmals mächtig gefüllte Fläche vor Bühne über. Ein Umstand, der mich ziemlich erstaunt, denn ich habe den Jungs keinen derartigen Status zugetraut. Vielleicht habe ich sie auch einfach zu lange ignoriert. Fakt ist, dass MORTAL SIN einen wahren Flächenbrand auslösen, der darin mündet, dass sie beim Titelsong ihres Erstwerkes "Mayhemic Destruction" etliche Fans auf die Bretter holen, die mächtig abfeiern. Basser Andy Eftichiou, der kleine unter Strom stehende Derwisch, der mit seinem Dauergrinsen supersympathisch rüberkommt, scheint es selber kaum glauben zu können, wie sehr die Band abgefeiert wird, und wächst auf Ronnie-James-Dio-Größe an. MORTAL SIN sind für mich schon zu diesem Zeitpunkt der klare Überraschungssieger der gesamten Veranstaltung. Besser kann man vermeintlich altbackenen Thrash heuer nicht darbieten. Wer übrigens einen kleinen Eindruck hinter die Kulissen der Aussies wagen möchte, darf hier http://www.youtube.com/watch?v=EvGKLG4-8tg mal reinschauen.

Mit NWoBHM-Truppen ist das manchmal so eine Sache. Einige wie HOLLOW GROUND, FIST oder TRESPASS können noch gewaltig Arsch treten, andere wirken aktuell etwas hüftsteif. Ich möchte da jetzt keine Negativbeispiele auflisten. Wer meine Berichte verfolgt, weiß, wen ich meine. Entsprechend skeptisch wandere ich also zur Scheune, um mir erstmals SWEET SAVAGE zu Gemüte zu führen. Den meisten wird die Band nur aus zweierlei Gründen bekannt sein: Dort hat Vivian Campbell (DIO, DEF LEPPARD) seine ersten musikalischen Taten bestritten, und METALLICA covern immer mal wieder gern 'Killing Time'. Von Beginn an stellen die Iren aber ihre Spielfreude unter Beweis und kommen bei den alten Freaks auch sehr gut an. Kein Wunder, wenn man solche Granaten wie 'Eye Of The Storm' und 'Take No Prisoners' abfackelt. Dass auch aktuelleres Material in einer Livesituation gut klingt, darf man SWEET SAVAGE als weiteren Bonus anrechnen. Etwas seltsam mutet die Wahl der Coverversion 'Breadfan' von BUDGIE an. Auch wenn die Jungs den Song sauber darbieten, darf man die Frage nach Sinn und Zweck dieser Übung stellen. Anyway, ein gelungener Auftritt.

Da ich die nachfolgende Band weder auf dem KEEP IT TRUE noch auf dem BANG YOUR HEAD!!!-Festival gesehen habe, bin ich mehr als hibbelig vor dem Auftritt von LETHAL. Und was soll ich lange um den heißen Brei herumlabern, LETHAL erfüllen alle, aber wirklich auch alle Erwartungen und sind sogar noch besser. Allein der Gesang von Tom Mallicot ist den Eintrittspreis wert. Dieser Mann, der zwar nuschelt wie kein Zweiter, singt so dermaßen großartig, dass man nach versteckten Playbacks sucht. Obwohl das auch Unsinn ist, denn er klingt ja noch beeindruckender als auf den Tonkonserven. Dazu kommt eine spielfreudige, tighte Band, die heiß ist. Egal ob 'Immune' oder 'Fire In The Sky', die Menge ist aus dem Häuschen und feiert LETHAL nach allen Regeln der Kunst ab. Selbst 'Balancing Act' vom weniger starken "Poison Seed"-Album erstrahlt in völlig neuem Glanz. Dazu die obskuren Ansagen von Tom, die, wenn man sie denn versteht, immer wieder zum Schmunzeln animieren. "Make some noise. I am not good at making noise. I am a humble person." Großartig. Und das Allerbeste: Mit 'Secret Stare' und 'Invention' gibt es zwei brandneue Überflieger zu genießen, die der bekannten Klasse in nichts nachstehen. Ich fiebere einem Album entgegen. Fantastischer Auftritt.

Stilbruch deluxe: Es folgen die martialischen AT WAR, die ich damals eher unspektakulär fand. Geschmäcker ändern sich, denke ich, und gebe dem Trio eine Chance. Kein Fehler, wie sich schnell herausstellt, denn Paul Arnold und seine Metzger haben tubenweise Charisma und versprühen zerstörerische Gedanken über den heißen Garten. Auch wenn das gebotene Material weit entfernt von meinen üblichen Hörgewohnheiten angesiedelt ist, machen Hackballen der Marke 'Ordered To Kill',' Ilsa, She-Wolf Of The SS' und 'Dawn Of Death' ziemlichen Spaß. Das Publikum sieht dies ähnlich und schwingt fröhlich Fäuste. Zur Belohnung wird zwischendurch mal eben 'The Hammer' von so einem anderen Warzen-Trio serviert. Passt wie der berühmte Deckel auf den berühmten Eimer. Kurzweilige Angelegenheit. Um jetzt mal Spekulationen Raum zu bieten: Man sah später die Band sehr lange mit ihrer ehemaligen Labelchefin Ann Boleyn sabbeln. Ob da alte Rechnungen beglichen wurden oder man gar über die Zukunft geredet hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Weiter im Text geht es mit den Shock-Rockern von IMPALER, die ich eigentlich als klassische Pausenband auf meinem imaginären Zettel notiert habe. Nun, das blutige Theater auf der Bühne, welches von simplem, aber gleichsam effektivem Hauruck-Metal unterlegt wird, ist sehr unterhaltsam. Also angle ich mir ein Bierchen und gaffe ein bisschen. Es wird mit Kunstblut gespuckt und Körperteile zerlegt, es stolziert ein dürftig bekleidete Krankenschwester auf den Brettern herum, und es wird BLACK SABBATH zerlegt. 'Hole In The Sky' zeigt dann auch deutlich die musikalischen Defizite der Truppe auf. Trotzdem lustig.

Jetzt aber schnell noch einen Nacken im Brötchen vertilgen, damit man gestärkt ist für die nächste mögliche Sensation: DÉTENTE. Ich denke, ich bin nicht der Einzige, der mit sehr gemischten Gefühlen der Dinge harrt, die nun kommen werden. Wie wird Ann Boleyn (HELLION) die Position der einzigartigen Dawn Crosby füllen? Gebannt harren wir der Dinge, die da passieren. Gleich die ersten Gesangslinien machen klar, dass Ann sich der schwierigen Situation bewusst ist, in der sie sich befindet. Sie versucht erst gar nicht, Dawn zu imitieren, sondern zieht von Beginn an ihr eigenes Ding durch. Und nach einer kurzen Gewöhnungsphase, gefällt mir das richtig gut. Egal, ob 'Losers', 'Widow's Walk' oder 'Russian Roulette' intoniert werden - DÉTENTE anno 2008 blasen alle Befürchtungen davon. Und die, die hier von Leichfledderei reden, sollen bitte erst mal ihre Hausaufgaben machen. Immerhin spielen hier mit Steve Hochheiser, Caleb Quinn und Dennis Butler drei Originalmitglieder. Die dürfen das. Völlig verzückt bin ich als die sympathische Truppe neben dem im Vorfeld angekündigten FEAR OF GOD-Schmankerl 'Diseased' auch noch mein persönliches Albumhighlight 'Drift' obendrauf packt. Gut, die Qualität von Dawns Performance wird (natürlich) nicht erreicht, aber ich bin trotzdem hin und weg. Hätte sich Michael Carlino schlussendlich doch noch zur Mitreise aufraffen können, wären wir in den Genuss einer zweiten Gitarre gekommen. So muss sich Caleb dieser Aufgabe allein widmen und macht dabei eine sehr gute Figur. Addiert man dies alles zusammen, so darf man nur hoffen, dass die vier in nächster Zukunft neues Material einspielen werden. Daumen hoch!

Da hiernach nur BLAZE und SODOM auf dem Programm stehen, die mich beide nicht sonderlich kratzen, wird noch ein bisschen Smalltalk betrieben und dann die Heimreise angetreten. Man ist ja schließlich nicht mehr der Jüngste.

Redakteur:
Holger Andrae

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