Brutal Assault Festival 2015 - Jaromer, Tschechische Republik

07.09.2015 | 23:34

05.08.2015, Festung Josefov

Heiß, heißer, Brutal Assault XX!

Die Sonne knallt erbarmungslos auf Jaromer. Selten wurde in einem Münchner Camp so wenig Bier und Booze konsumiert wie dieses Jahr. Und genauso selten wurde dem Grundrecht auf Wasser mehr gefröhnt als auf dem Brutal Assault 2015. Für einen erklärten Feind von Sonnenlicht, wie ich es bin, vergeht die Zeit zwischen 9 und 17 Uhr damit, nach einem kühlen Plätzchen zu suchen, um genug Energie für die späteren Bands zu tanken. Als perfekte temporäre Zwischenlösung erweist sich das Horror Cinema, das Basti und ich jeden Tag aufsuchen. Wenn auch schwül, so schützt das Kino zumindest vor direkter Sonneneinstrahlung - und bietet ein ziemlich cooles Programm. Wir pfeifen uns Trash-Klassiker wie TOXIC AVENGER, Horror-Kult wie den zweiten Teil von HELLRAISER oder die Episoden-Splatter-Orgie VHS 2 rein und laden unsere Batterien auf. Daher bin ich wieder einigermaßen fit, um mir die britischen Schwarzmetaller von WINTERFYLLETH zu Gemüte zu führen, die am Spätnachmittag die Zeltbühne zum Beben bringen. Ich habe das Quartett vor einiger Zeit in München gesehen und war sehr angetan. Vor allem das bodenständige Auftreten der Blackies aus Manchester punktet bei mir. Black Metal funktioniert auch ohne Make-Up. Der Sound im Zelt ist erstklassig und die Fans essen den Vieren aus den Händen. Glasklar kommen sämtliche Melodien und Harmonien und die Vocals aus den Boxen, der Gesamtsound drückt aber dennoch ordentlich. Stark! (HD)

 

Davor geben sich allerdings die Metal-/Hardcore-Crossovers von PRO PAIN die Ehre. Bei 37 Grad glühender Mittagshitze möchte man ungern davon reden, wie sehr eine Band dem Publikum einheizt. Viel mehr ist bemerkenswert, dass es PRO PAIN gelingt, unter diesen Bedingungen die Menge überhaupt zu Bewegung zu animieren. Doch mit dem gewohnt sehr soliden Hardcore, den sie hier abliefern, gelingt dies scheinbar mühelos. Sie werden verdient abgefeiert.

HED PE musste ich wegen drohendem Hitzeschlag leider frühzeitig verlassen. Die Amis fingen etwas zu früh an, sodass über die Hälfte des ersten Stücks noch Werbung auf der Leinwand lief. Vom Stil her gehen sie in Richtung BODY COUNT, nur dass sie weiß sind und das Ganze noch etwas Reggae-lastiger gestalten. Sie haben ja auch ein paar arg psychedelische Albumcover am Start, was den Reggae-Part erklären könnte.


Zum Thema Hitze an dieser Stelle noch eine Randnotiz: Wasser gibt es nur an den Brutal Bars, die äußerst rar gesät sind und auch zeitig dicht machen, Bier gibt es hingegen fast an jedem Getränkestand. Flüssigkeit darf gar nicht aufs Festivalgelände genommen werden und Wasser wird in popligen 0,5-Liter-Bechern verkauft. Keine Ahnung, wieviele Kilometer ich auf dem Festivalgelände auf der Suche nach frischem Wasser zurückgelegt habe. Bei den sechs bis sieben Litern Wasser, die ich pro Tag getrunken habe, bekam ich ganze zweimal ein kaltes in die Hand gedrückt. (SJ)


Am Freitag begebe ich mich ausnahmsweise erst am Nachmittag vor die Bühne. Bei realen 37 und gefühlten 47 Grad auch keine schlechte Sache. Nach KRISIUN sehe ich mir die Nu-Metaler von ILL NIŃO an. Das Intro gestaltet sich sehr poppig, doch dann zeigt die Band aus New Jersey, dass sie auch schnell kann. Gut gefallen mir die Percussions zusätzlich zu den Drums und die vielfältigen lateinamerikanischen Einflüsse. Das Keyboard wirkt dagegen oft deplatziert und die vielen klaren Passagen sind auf Platte wahrscheinlich furchtbar poppig. Beides wirkt austauschbar, gerade für eine Band mit wirklich eigener Note wie ILL NIŃO. Für mich gerne mehr Südamerika und weniger Nu Metal-/Metalcore-Gejaule, dann sehe ich sie mir gern nochmal an. (FB)


Ich habe es mir mit meiner frischen Pizza auf dem Hügel gemütlich gemacht, doch die Nachmittagshitze ist zu krass und ich flüchte bald zum Fernsehbildschirm mit Liveübertragung von der Bühne im Inneren der Burg. Zuvor fallen mir allerdings noch die Red Bull-Kunstflieger auf, die über dem Gelände ihre waghalsigen Manöver vorführen. WALLS OF JERICHO muss also anfangs noch um meine Aufmerksamkeit buhlen. Spätestens mit dem zweiten Song hat es die Detroiter Hardcore-Formation dann auch geschafft. Ihren neuen Song 'Relentless' widmet Sängerin Candace Kucsulain allen Menschen, die Nahestehende durch eine schwere Krankheit verloren haben. Sie schreit all ihren Hass, ihre Wut und Verzweiflung hinaus, kommt ehrlich und authentisch rüber als Stimme der Underdogs. Dem Publikum gefällt es - man verausgabt sich in mehreren Circle Pits. (SJ)


Sie gehören zu den umtriebigsten Death-Metal-Bands der letzten Jahre und haben gerade mit "Of Ghosts And Gods" ein hervorragendes Album auf die Szene losgelassen. Songs von jener Scheibe stehen heute auch auf der Setlist, doch bis dahin muss sich das Publikum noch etwas gedulden. Bei drückender Hitze beginnt KATAKLYSM das Konzert gewohnt mit 'To Reign Again' und bringt das Publikum damit direkt in Betriebstemperatur. Gleich im Anschluss folgt der erste Bandklassiker in Form von 'As I Slither' und die Menge darf den Refrain mitsingen, was brav erledigt wird. Der sonst sehr sympathische Frontmann Maurizio wirkt heute etwas angefressen und lässt seinen Unmut über den ihm zu kleinen Moshpit aus. Mit 'If I Was God... I'd Burn It All' folgt ein neuerer Song der Bandhistorie. Sobald der letzte Ton des Songs verklungen ist, erklärt Maurizio seine schlechte Laune mit Schlafmangel durch die anstrengenden Tour-Aktivitäten. Mund abwischen und mit 'The Black Sheep' den ersten Song der neuen Platte abfeiern. Mit 'Thy Serpents Tongue' steht ein weiterer Song vom aktuellen Longplayer auf dem Programm und dafür, dass das Album bei den Fans erst wenige Tage im Regal steht, sind sie erstaunlich textsicher. 'Crippled And Broken' bildet den Abschluss eines intensiven, etwas kurzen Konzerts und leider haben die Kanadier auf 'In Shadows And Dust' verzichtet. (BD)


Später am Tag folgt eine Band, auf die ich mich schon sehr freue: BRUJERÍA. Obwohl erst letzte Woche in München gesehen, schaue ich mir die Grindcore-Supergroup gerne nochmal an. Zusätzlich zu Jeff Walker und Nick Barker ist heute auch Shane Embury dabei, der in München fehlte. Show und Setlist ähneln dem München-Gig: Während die gesamte Band sich hinter Halstüchern versteckt, zocken Sänger El Brujo und El Sangron, unterstützt von Gastsängerin Concubina del inferno, ihren Mexican-style Grind. Nicht nur vor, auch hinter der Bühne haben sich sehr viele Zuschauer eingefunden. Voll war es in München auch, aber hier ist die Stimmung deutlich besser. Ein großer Pit walzt sich erbarmungslos durch das Set und auch sonst wird fleißig genickt, mitgebrüllt und gestikuliert, wozu BRUJERÍA-Konzerte auch einige Möglichkeiten bieten. Mitsingfaktor auf Grind, sozusagen. Wurde in München noch Danny Lilker engagiert bei 'Consejos Narcos' das Schild zu halten, weist heute die Concubina alleine an, wo man "Si" bzw. "No" zu rufen hat: "Marihuana - si! El polvo - no!". Mexico und Marihuana - die beiden Hauptzutaten der BRUJERÍA-Texte. Wer jetzt befürchtet, die Show würde allzu komödiantisch ausarten, sollte sie sich selbst ein Bild davon machen. Ihre "Fuck Donald Trump European Tour" endet leider dieses Wochenende. Zum Abbau ertönt das gewohnte 'Marijuana' vom Band mit gesanglicher (Live)-Unterstützung. Auch eine Band, die ich mir jede Woche ansehen könnte. Viva la raza!

Setlist: Raza odiada (Pito Wilson); Colas de rata; La migra (Cruza la frontera II); Hechando chingasos (Greńudo locos II); Pititis, te invoco; Vayan sin miedo; Sida de la mente; El desmadre; Ángel de la frontera; Marcha de odio; Anti-Castro; Revolución; Division del norte; Brujerizmo; Consejos narcos; La ley de plomo; Matando güeros; Marijuana.

 

Nach BRUJERÍA folgt mit PRIMORDIAL zugegebenermaßen ein großer Bruch in Stil und Stimmung. Von mexikanischer Hochgeschwindigkeitsmusik zu getragenem, hoch emotionalem irischen Pagan Metal. Da ich auch diese Band sehr gerne mag, geht es natürlich direkt rüber zur Jägermeister-Stage. Ich war zuerst selbst skeptisch, wie der Wechsel zwischen diesen beiden Bands funktionieren würde. Aber da es die Iren bereits vor zwei Jahren am Nachmittag bei brütender Hitze schafften, ihre nicht gerade sommerliche Stimmung zu verbreiten, sollten das auch heute bei langsam untergehender Sonne kein Problem sein. Mich ziehen sie heute jedenfalls sofort in ihren Bann. Den Anfang macht der Titeltrack des aktuellen Albums, 'Where Greater Men Have Fallen', die Ansagen und die eindrucksvolle Präsenz von Sänger Alan Averill tun ihr Übriges dazu. Geboten wird eine gute Mischung aus alten und neuen Songs, die jeweils mit dem selben Pathos dargeboten werden. Bei Songs in Richtung der Zehn-Minuten-Marke bleibt leider nicht allzu viel Platz in der Setlist und nach nur sechs Songs müssen Averill und Co. das Feld wieder räumen, nicht aber, ohne vom Publikum gebührend verabschiedet zu werden. (FB)

Setlist: Where Greater Men Have Fallen; As Rome Burns; No Grave Deep Enough; The Coffin Ships; Wield Lightning To Split The Sun; Empire Falls.


Die Deutschen LANTLÔS lassen uns gleich eingangs wissen, dass sie bereits auf der letztjährigen Ausgabe des Brutal Assault hätten spielen sollen, ihr Auftritt jedoch von der streikenden Technik verhindert wurde. Nun machen sie ihr Versäumis zur 20. Ausgabe aber wieder wett und liefern wunderschönen Post Rock am frühen Abend. Mit verhältnismäßig verhaltenen Tönen fangen sie an, um dann mit dem dritten Song so richtig loszulegen. In ruhigen Passagen hört man erneut die Red-Bull-Fliegerstaffel kreisen. (SJ)


THE DILLINGER ESCAPE PLAN - verdammte Scheiße, ist das geil! Die Amis haben mir bis zu dem Zeitpunkt wenig gesagt. Reingehört habe ich zwar schon, aber bis auf Neugier hatte ich noch keine weitere Assoziationen mit der Band. Technisch auf höchstem Niveau zocken die Amis ihren äußerst kurzweiligen Set mit einer Tightness herunter, dass dem toleranten Metalhead die Kinnlade nach unten klappt. Ob das nun Mathcore, Jazzcore oder was auch immer sein soll - scheißegal, denn es reißt mit, unterhält und regt die grauen Zellen an, sofern vorhanden. Mich beeindruckt vor allem Sänger Greg Puciato, der seine Stimme äußerst variabel einsetzt und dabei stets eine fantastische Figur abgibt. Leider habe ich es mit Songtiteln bei TDEP nicht so. Aber bei einem Lied lassen die Gitarristen zunächst dem Basser und Drummer den Vortritt. Als Puciato dann plötzlich darüber singt, verleiht er der Passage einen unglaublichen Groove - das Grinsen kriege ich im Laufe des Sets nicht mehr aus der Fresse. Wahnsinn! (HD)


KPYCK spielt vor vollem Zelt und textsicherem Publikum, was angesichts der Tatsache, dass die Finnen auf Russisch singen, auch in Tschechien durchaus bemerkenswert ist. Große Teile derer, die hier vor der Bühne stehen, sind augenscheinlich erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs geboren und dürften wohl nicht mehr zwangsweise Russisch in der Schule gelernt haben. Ich persönlich verstehe außer "Stalina" kein Wort, finde jedoch den Klang dieser Sprache wunderbar passend zur Musik von KYPCK. Zudem grooven die uniformierten Herren dort auf der Bühne auch noch ordentlich. Dogmatismen einmal außen vor gelassen, liefert KPYCK grundsoliden Doom ab. (SJ)

 

Zu späterer Stunde gibt es mit NAPALM DEATH eines der Urgesteine des Grindcore zu erleben. Was soll man zu den Briten noch sagen? Sie sind laut, schnell, hart und mit dem gesellschaftskritischen Bewusstsein ausgestattet, welches neueren Grind-Bands oft fehlt. Das Quartett hat auch keine Probleme, sowohl alte als auch neue Songs in ihrer Setlist unterzubringen. Gerade Tracks wie 'You Suffer' gehen immer. Auch andere Klassiker wie 'Suffer The Children' oder das DEAD KENNEDYS-Cover 'Nazi Punks Fuck Off' fehlen natürlich nicht. Leider hat die Band immer wieder mit Soundproblemen zu kämpfen. Besonders deutlich wird das am Ende des Sets, als man neben einsamen Snares und Toms nur Barneys Stimme hört. Der Band fällt dies nicht auf, die Bühnenmonitore scheinen zu funktionieren. Schade um den Abschluss, trotzdem ein gelungener Abend mit Mr. Greenway und Konsorten. (FB)

KILLING JOKE hat aus unbekannten Gründen die Teilnahme am diesjährigen Brutal Assault gecancelt, was ich persönlich sehr schade finde. Schließlich spielt die Post-Punk-Legende nicht an jeder Steckdose. (HD)


Nun steht ein ganz besonderes Schmankerl auf dem Programm, denn die schwedischen Doomster CANDLEMASS geben sich endlich mal wieder die Ehre und beackern die Festivals der Welt. Geschlagene zehn Jahre habe ich die Band nicht mehr gesehen. Damals war Powermönch Messiah Marcolin noch das markante Sprachrohr der Band, mittlerweile ist es der weit unbekanntere Mats Leven. Da die Herren von KILLING JOKE den Auftritt auf dem Brutal Assault absagen mussten, hat das Doom-Quintett die Chance erhalten, auf der großen Metalshop-Bühne zu zocken. Es geht rasant mit 'Mirror Mirror' los und das Publikum macht sofort mit. Mats' Stimme ist mehr im Power-Metal-Bereich angesiedelt, dennoch schafft der junge Mann es mühelos, in die großen Fußstapfen von Messiah Marcolin und Rob Lowe zu treten. Die Band hat sichtlich Spaß an der Sache und bringt relativ früh den Hit 'Black Dwarf'. Das Publikum darf mitsingen und nimmt dieses Angebot begeistert an. Ob man wirklich bei einem 40-Minuten-Set einen ganzen Song für ein Gitarren-Solo verballern muss, weiß ich nicht. Auf jeden Fall darf sich Gitarrist Lasse drei, vier Minuten an der Gitarre austoben, bis es mit 'Emperor Of The Void' weitergeht. Der Abschluss eines hervorragendes Auftritts ist der Klassiker 'Solitude', welcher von der versammelten Meute bereitwillig mitgesungen wird. Einziger Wehrmutstropfen: Basser und Bandchef Leif Eidling war leider privat verhindert und wurde durch einen Session-Musiker ersetzt. (BD)

 

Nach einer kurzen Pause heißt es: 30 years of SEPULTURA. Immer wenn ich Derrick Green sehe, denke ich "das ist der neue Sänger von SEPULTURA". Dabei kenne ich die Band aus Altersgründen natürlich nicht mehr mit Max Cavalera und Mr. Green ist inzwischen länger dabei, als Max es je war. Für mich führt er die Band würdig weiter und auch ohne seine Dreads ist er eine furchterregende Gestalt. Der Raum vor der Bühne platzt inzwischen aus allen Nähten. Was den Zuschauerandrang und die Energie des Publikums anbelangt, kann sich SEPULTURA durchaus mit CANNIBAL CORPSE gestern messen. Die Band genießt ihre Jubiläums-Tour sichtlich und verwöhnt das Publikum mit Songs aus ihrer langen Geschichte. Einige Songs haben wir bereits von SOULFLY gehört, mit Sicherheit auch große Teile des Publikums heute, doch das tut der Stimmung keinen Abbruch, die Menge wogt, bebt und hüpft durch das Set. Aktuellere Brecher wie 'Kairos' reihen sich neben Klassiker wie 'Rattamahatta'. Zum Ende hin zeigt Derrick Green, der mit einem tschechischen Model verheiratet ist und in Prag lebt, seine Verbindung zum Gastland und den Festivalbesuchern, indem er ihnen 'Roots' widmet. Sicher habe ich auch SEPULTURA hier nicht das erste Mal gesehen und man wird entsprechend wenig überrascht von dem, was geboten wird. Trotzdem ist das ein sehr versöhnliches Konzert. (FB)

 

Neben ENSLAVED und BIOHAZARD macht sich nun DEATH DTA auf, meine persönliche Festival-Top-3 zu vervollständigen. Allein auf dem Papier macht das Billing mächtig was her: Steve DiGiorgio am Bass, Gene Hoglan an den Drums und Bobby Koelble an der zweiten Gitarre. Wow! Lediglich Sänger/Gitarrist Max Phelps hat nie mit Chuck Schuldiner bei DEATH gezockt. "Spiritual Healing" war neben MORBID ANGELs "Altars Of Madness" meine Death-Metal-Einstiegsdroge. Während ich DEATH und Schuldiners Schaffen bis zu seinem Ableben enthusiastisch verfolgte, verlor ich das Interesse in Azagthoth und Co. nach "Domination". Aber das nur am Rande. Mutig steigt das Quartett mit dem Überhit 'The Philosopher' ins Set ein. Verschießen sie etwa gleich zu Beginn ihr Pulver? Nope, überhaupt nicht. Denn jeder einzelne Song, egal ob im Medley angespielt oder in voller Länge gezockt, ist ein Hit für sich. Und Phelps sieht auf der Bühne tatsächlich aus wie der junge Chuck: Dasselbe Gitarrenmodell hängt in exakt derselben Höhe an der Schulter. Nur dass Phelps recht frontal zum Publikum steht, wo es Chuck vorzog, sich leicht seitlich auf der Bühne zu positionieren. Die Stimme ist kräftig und Phelps schafft es, die etwas tieferen, dämonischeren Vocals der ersten fünf Studioalben genauso überzeugend rüberzubringen wie den klareren, verständlicheren und leicht höher gepitchten Gesang ab "Symbolic". Ich kommte aus dem Staunen nicht heraus. Die Leads sitzen. Phelps zockt dabei Schuldiners Soli relativ nahe am Original, wohingegen Bobby Koelble Rozz, Murphy, Masvidal, LaRocque und Hamm klasse interpretiert. Steve DiGiorgio übernimmt die Kommunikation mit dem Publikum und bedankt sich artig beim Publikum und den Veranstaltern. Gänsehaut gibt es en masse. Ich finde vor allem den Wechsel von 'Spiritual Healing' zu 'Within The Mind' absolut hervorragend. Denn - bei allem Respekt vor Schuldiner, aber eines muss ich loswerden: DEATH-Songs laufen meist bis zum Kehrvers, dann folgen die (ausnahmslos genialen) Soli und dann... ja, dann gingen Chuck plötzlich die Ideen aus. Was macht man dann? Wiederholen. Kann man machen, muss man aber nicht. In der heute dargebotenen Version wäre 'Spiritual Healing' auch auf Konserve noch einen Ticker geiler gewesen. Kehrvers, Solo, Kehrvers, Punkt. Aber nun Schluss mit der Analyse. Danke DEATH TO ALL, das war ein denkwürdiger Auftritt! (HD)


Ein Nachtrag zu DEATH TO ALL: Leider zu jung für DEATH mit Chuck, sehe ich die Tribute-Version nun schon zum dritten Mal in derselben Formation wie Anfang des Jahres in München. Und wer das Quartett noch nicht gesehen hat, sollte dies tunlichst nachholen. Natürlich ist es nicht dasselbe (das behauptet, glaube ich, auch niemand), aber näher an das Original kommt man nicht heran. Max Phelps klingt und sieht sogar ein bisschen so aus wie der junge Chuck, hält sich aber während des Konzerts komplett zurück und konzentriert sich nur aufs Singen und Gitarrespielen, die Ansagen übernimmt Bassist und Ex-DEATH-Mitglied Steve DiGiorgio. Ein perfekt gelungenes Gesamtpaket. Diesen Eindruck bestätigt mir auch ein vollends überzeugter Bekannter, der DEATH (bzw. DTA) gerade das erste Mal seit den 90ern gesehen hat. Wenn DEATH ohne Chuck, dann so. Diese Combo erhält DEATH würdig am Leben. (FB)


Vom düsteren Industrial-Duo GODFLESH um Tausendsassa Justin Broadrick kenne ich nur das Debüt "Streetcleaner", das in seiner Düsternis und Destruktivität anno 1989 einzigartig gewesen ist. Umso geiler, dass der gitarrespielende Sänger Broadrick und sein Sidekick Benny George Christian Green am Bass live lärmen, als würde man 26 Jahre in der Zeit zurückreisen. Die programmierten Drums wurden haargenau so belassen wie auf Konserve, was diejenigen, die mit GODFLESH bislang nicht in Berührung gekommen sind, zunächst etwas abfällig schmunzeln lässt. Aber eben das macht den Charme der alten Tracks aus: Maschinelle Monotonie, viel disharmonischer Krach und ein Shouter, der immer noch wütend ist auf das System - ein Überzeugungstäter eben. Für mich ist der Auftritt der Birminghamer zu dem Zeitpunkt genau richtig, um von dem Gewitter, das DEATH TO ALL zuvor losgelassen hat, etwas runterzukommen. Klasse Show! (HD)

Weiter zum Samstag

Redakteur:
Haris Durakovic

Login

Neu registrieren