OOMPH!: Interview mit Flux

09.09.2023 | 21:18

Die neue Ära ist eingeläutet, der neue Sänger wurde präsentiert und das neue Album eingesungen. Nun, da ging ein ordentlicher Ruck durch das OOMPH!-Lager, doch mit Der Schulz haben die beiden verbliebenen Originalmitglieder einen mehr als passenden Mann für das Mikrofon gefunden, um das nächste Kapitel aufzuschlagen. Dieses lautet "Richter und Henker" und wir sind sehr froh, dass wir im Zuge der Veröffentlichung Flux einige wahrlich brennende Fragen hierzu sowie zu den jüngeren Ereignissen stellen können.

Flux, wie ist die Stimmung bei OOMPH!?
Vielen Dank, uns geht es großartig! Wir lieben unser neues Album "Richter und Henker", sind sehr aufgeregt und gespannt, was unsere Fans zu den Songs des neuen Albums sagen werden und freuen uns schon tierisch darauf, nach über drei Jahren endlich wieder auf Tournee zu gehen und die neuen Songs live unseren Fans präsentieren zu können!

2021 ging ein ziemlicher Ruck durch euer Bandlager, habt ihr mit Dero doch mehr als die Hälfte eures Lebens gemeinsam Musik gemacht. Jetzt könnt ihr mit zeitlichem Abstand auf den Split schauen. Wie kam es letztendlich zur Trennung und wie wurde diese von euren Fans aufgenommen?
Du sagst es... nach über 30 Jahren gemeinsamer und erfolgreicher Zusammenarbeit war es natürlich schon hart, sich selber einzugestehen, dass es uns trotz aller Bemühungen und Anstrengungen nicht möglich war, unsere Band in der alten Konstellation zu erhalten. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, gegenüber unserem Lebenswerk OOMPH!, gegenüber unseren Songs und Texten, die wir selber über alles lieben, und natürlich gegenüber unseren treuen Fans. Von daher war es CR4P und mir immer klar: Wir müssen mit OOMPH! weitermachen, wir dürfen OOMPH! nicht sterben lassen und wir müssen unseren Traum weiterleben! Wir sind sehr dankbar für die Geduld und das Vertrauen, das unsere treuen Fans uns geschenkt haben und dass sie immer an uns geglaubt haben! Am meisten freuen wir uns darüber, mit welch offenen Armen unsere Fans unseren neuen Sänger und Frontmann Der Schulz aufgenommen haben!

Ihr habt mit ihm einen äußerst charismatischen und kongenialen Sänger gefunden, der auch von der Präsenz her in Deros Fußstapfen passt. Wie kamt ihr letztendlich zusammen, wie haben sich die Wege gekreuzt? Gab es auch andere Kandidaten, eine Art Bewerbungsprozess?
Wir kennen Daniel schon seit 2016, denn da war er mit seiner Band UNZUCHT bei uns im Vorprogramm unserer Europatournee als Support dabei. Schon damals ist uns aufgefallen, wie sehr unsere Fans ihn mögen und was für ein talentierter Sänger und Frontmann er ist. Außerdem haben wir uns auch Backstage auf Anhieb supergut verstanden! Der Schulz war daher wirklich der erste Sänger, den wir als neuen Sänger für OOMPH! angefragt und in unser Tonstudio eingeladen hatten! Die Chemie zwischen uns stimmte sofort und bei der ersten Arbeit an neuen Songs spürten wir sofort die kreative Magie zwischen uns! Es fühlte sich sofort wie die Arbeit am nächsten OOMPH!-Album an, es passte einfach perfekt! Viele Ideen der ersten gemeinsamen Studio-Session sind jetzt 1:1 so auf dem neuen Album zu hören! Als dann öffentlich wurde, dass wir einen neuen Sänger suchen, gab es noch viele aktive Bewerbungen von weiteren guten Sängern. Am Ende haben wir uns mit ca. 25 potentiellen Sängern getroffen und uns die Zeit genommen, wirklich jeden auf Herz und Nieren zu testen. Am Ende war es uns aber eindeutig klar: Der Schulz passt zu uns am besten! Er bekam dann nach gut fünf Monaten endlich die Zusage von uns, der neue Sänger bei OOMPH! zu werden und er sagte zum Glück "Ja" und die gemeinsame Arbeit am neuen Album konnte starten!

Flux, du hast es vorhin kurz angesprochen: Wie waren denn die Reaktionen beider Fan-Lager als bekannt wurde, dass Der Schulz nun bei OOMPH! angekommen ist?
Unsere Fans sind ja auch in der Vergangenheit schon immer sehr offen mit Veränderungen umgegangen. Seien es nun musikalische Weiterentwicklungen, Imageänderungen, Mainstream-Erfolge, Line-up-Wechsel bei unseren Live-Musikern... von daher waren wir guter Hoffnung, aber natürlich doch auch aufgeregt, als wir ihn als neuen OOMPH!-Sänger im Juli bekannt gegeben haben. Die Reaktionen waren überwältigend positiv! Wir haben so gut wie alle Kommentare in den Sozialen Medien verfolgt und sind begeistert von dem warmen Empfang und den offenen Armen, mit denen Der Schulz in die OOMPH!-Community aufgenommen wurde! Ich glaube, soweit ich das verfolgt habe, waren die Reaktionen bei UNZUCHT auch positiv und beglückwünschend.

Spielte eventuell auch die coronabedingte Pause eine entscheidende Rolle, dass ihr euch neu sammeln und in Ruhe und gemeinsam zu dritt an neuen Songs arbeiten konntet?
Auf jeden Fall haben wir diese konzertlose Zeit genutzt und viele neue Songs geschrieben und mit der Produktion begonnen.

Die Chemie zwischen euch stimmt auf jeden Fall – denn "Richter und Henker" ist ein fantastisches Album geworden. In Anbetracht des einstigen Ruf Deutschlands, das Land der Dichter und Denker zu sein, habt ihr den Titel wohl nicht zufällig gewählt, oder?
Dankeschön! Ja, der Song 'Richter und Henker' handelt genau davon, dass es in dem ehemaligen Land der Dichter und Denker scheinbar nur noch Richter und Henker gibt, oft in Personalunion und ganz besonders in den Sozialen Medien. Leider gibt es keine Diskussionskultur mehr, sondern nur noch Hass und Hetze. Die Meinung des anderen wird nicht mehr diskutiert, sondern nur noch sofort lauthals niedergeschrien! Das ist traurig und eine beängstigende Entwicklung.

Ich muss zugeben, dass ich ob des Artworks zunächst etwas stutzig war. Wie weit steht der verkleidete Steinbock mit dem Titel und den Songs auf "Richter und Henker" in Verbindung?
Diese ikonische Darstellung des Fabelwesens soll ganz bewusst Fragen beim Betrachter erzeugen und die Fantasie beflügeln: Ist die Ziege der Richter? Ist sie der Henker? Ist sie das Opfer vor der Hinrichtung, das trotzdem stolz den Betrachter anschaut? Ist der Betrachter, also wir, die wir das Cover in der Hand halten, der Richter und Henker?

Fragen über Fragen. Seit "Ritual" hat sich selbstverständlich der Gesang bei OOMPH! verändert. Aber auch die Songs wirken kompakter, atmosphärischer und noch etwas zielgerichteter als auf dem 2019er Album. Wie weit unterscheidet sich rein musikalisch der Vorgänger vom aktuellen Album "Richter und Henker"?
Wir sehen "Richter und Henker" als eine Art konsequenter Fortführung und Weiterentwicklung unseres sehr erfolgreichen Nummer-Eins-Albums "Ritual", nur eben mit einem neuen fantastischen Sänger. Textlich ist es wahrscheinlich das OOMPH!-Album mit den meisten Texten zu ganz aktuellen Themen. Ich denke, noch nie haben wir so konkret und direkt das Zeitgeschehen um uns herum aufgegriffen und in unsere Texte einfließen lassen. Wahrscheinlich hat es auch noch nie so viele krasse Veränderungen während einer der vorherigen Albumproduktionen gegeben... das Ausscheiden eines Bandmitgliedes, die Corona-Pandemie und ihre Folgen, das Suchen und Finden eines neuen Sängers und der abscheuliche Angriffskrieg in der Ukraine!

Gern möchte ich einige Songs ansprechen, die ich vor allem ob der Texte hochinteressant finde. Vor allem 'Nur ein Mensch' als Anti-Kriegshymne berührt mich. War es euch ob der heutigen Zeit ein besonderes Verlangen, diesen Song zu kreieren?
Ja! Wir hatten auch schon in der Vergangenheit Antikriegslieder auf unseren Alben, aber noch nie war ein Krieg für uns so nah, so spürbar und noch nie waren wir so konkret involviert. Ein unfassbarer Krieg auf unserem Kontinent, in direkter Nachbarschaft! Wir haben sehr viele Konzerte in Russland und in der Ukraine gespielt und auf allen Konzerten waren Fans beider Länder gemeinsam bei uns im Publikum und haben mit uns eine große Party zu unseren Songs gefeiert... undenkbar, dass dieselben Menschen sich nun hassen und töten, von der Propaganda ihres Herrschers beeinflusst. "Brüder töten Brüder" ist eine Zeile in unserem Song, aber viele Ukrainer sehen Russen wahrscheinlich mittlerweile nicht mehr als ihre "Brüder" an.

'Ein kleines bisschen Glück' – am Ende gibt es noch eine sehr schöne, nachdenkliche Hymne. Kann man den Song quasi als Statement für die neue Band-Ära ansehen?
Nein, eigentlich nicht. Bei dem Song, der auf einem Gedicht basiert, das Der Schulz schon vor längerer Zeit geschrieben hatte, geht es eher darum, dass man sein Leben lang arbeitet, um sich dann irgendwann mal von dem hart erarbeiteten Lohn ein kleines bisschen Glück zu erkaufen. Genau das hinterfragen wir. Für wen arbeitet man wirklich, für seinen eigenen Traum? Ist das der Weg? Schafft man es wirklich, so seine Träume zu verwirklichen?

Regt zum Nachdenken an. Bei 'Wut' schaltet sich JOACHIM WITT mit ein – wie kam es denn zu dieser Kollaboration?
JOACHIM WITT ist ja eine Ikone unsere Jugend! Sein Album "Silberblick" hat Horizonte für uns aufgestoßen und besonders seine Texte haben gezeigt, was alles mit der deutschen Sprache möglich ist! Freunde sind wir dann 1998 geworden, als er uns fragte, auf unserer "Unrein"-Tour als Support mit dabei zu sein. Das war natürlich eine Ehre für uns! Seitdem sind wir befreundet, haben auch für ihn einige Remixe gemacht und als wir 'Wut' produzierten, hat uns der Gesang von Der Schulz auch irgendwie an Joachim Witt erinnert! Also riefen wir Joachim an und baten ihn, als Duett-Partner mitzumachen! Er sagte sofort zu und schon zwei Tage später war sein Gesang aufgenommen! Fantastisch!

Ein kleiner Ritterschlag also. Ist 'Nichts wird mehr gut' vom Titel her nicht doch etwas zu pessimistisch?
Es klingt vom Titel her erstmal so, aber wir sehen in dem Erkennen, dass nichts mehr gut wird, auch das Positive: dass man nämlich endlich die Erkenntnis hat, dass das Alte beendet ist und man von nun ab nach vorne schauen kann und befreit neu beginnt!

Ihr seid seit so vielen Jahren im Geschäft und habt 2019 mit "Ritual" das erste Mal die Spitze der Albumcharts geknackt. Weckt das in euch irgendwelche Erwartungen für das neue Album?
Chartpositionen hängen von so vielen Komponenten und Konstellationen ab, wer veröffentlicht sonst noch in diesem Zeitraum, sind die Fans noch im Urlaub, wie ist das Wetter, usw., hehe. Von daher ist es nie wirklich vergleichbar oder vorhersagbar. Wir haben, glaube ich, auch noch nie Anfang September ein Album veröffentlicht, wir sind gespannt!

Als Redakteure steckt man Bands gerne in Schubladen. Offen und ehrlich – seht ihr euch denn selbst in der Neuen Deutschen Härte oder eher im Gothic Rock? Oder hat OOMPH! in über 30 Jahren ein eigenes Genre kreiert?
Hoffentlich letzteres, hehe. Ehrlich gesagt interessieren uns diese Schubladen nicht so sehr, denn wir produzieren seit über 30 Jahren einfach immer genau die Musik, die wir selber lieben und hören wollen, anders geht es für uns eh nicht!

Flux, ich wünsche euch nur das Beste mit "Richter und Henker" – was möchtest du unseren Lesern und euren treuen OOMPH!-Fans noch mit auf den Weg geben?
Liebe Fans, vielen Dank für Eure Geduld, Eure Treue und Euer Vertrauen in uns! Wir freuen uns auf unsere Europatournee im November und auf die Party mit Euch!!!

 

Fotocredit: Heilemania



Redakteur:
Marcel Rapp

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