Gruppentherapie: KORPIKLAANI - "Rankarumpu"

29.04.2024 | 19:51

Schlümpfe und Spatzen zappeln im Humppa-Takt. Ob sie sich vertragen?

Einige lesen Soundchecks ja gerne von unten und manchmal verbergen sich auf dem letzten Platz Albenperlen, die eben nur ein Großteil der Testhörer nicht "versteht". Gerade bei Nischengenres lohnt sich das "von hinten stöbern". Doch gilt das auch für "Rankarmpu" von KORPKLAANI, das im April-Soundcheck ganz hinten gelandet ist? Folk Metal ist doch "in" und KORPIKLAANI eine beliebte Band? Zumindest bei unserem bockstarken Boss, der "Rankarumpu" acht Punkte gegeben hat (zum Review) und auch ein schönes Interview mit Bassist Jarkko Aaltonen geführt hat. Unsere Therapeuten diskutieren hier über mögliche Attentate auf Flötenschlümpfe, schimpfende Rohrspatzen und nicht zuletzt die Radikaltät der Jugend.



Ich weiß, dass sich KORPIKLAANI großer Beliebtheit erfreut und in der Theorie könnte mir die Mixtur aus Metal-Riffs und fröhlich-rotziger Folk-Atmosphäre durchaus gefallen, denn ich mag SKYCLAD und ich liebe Bands wie THE POGUES. Schon beim ersten Song 'Kotomaa' zeigen sich mir aber alle Gründe, weshalb ich diese Mixtur hier absolut furchtbar finde.

Da wäre zum ersten der Gesang. Wenn man solche Musik spielt, braucht es einen sympathischen Lallbolzen mit einer rauchigen Reibeisen-Stimme. Ob der gute Mann sympathisch ist, vermag ich nicht beurteilen. Sein Gesangstalent endet nach meinem Empfinden allerdings unter einer Dusche. Völlig emotionslos spricht er melodische Weisheiten ins Mikrophon und schafft es dabei nicht zu einer einzigen Sekunde irgendeine Emotion bei mir auszulösen. Ihn allein mache ich aber nicht dafür verantwortlich, dass ich diese Musik einfach nicht verstehe.

Die Aufnahme an sich ist so flach wie sie eben nur sein kann. Die Gitarren schrammeln im Hintergrund herum und sind eigentlich völlig überflüssig, denn man hört nur die viel zu lauten Folk-Instrumente wie Akkordeon, Flöten und Streicher. Diese könnten schöne Melodien erzeugen, nur ist das in diesem Fall leider ein Fall des musikalischen Konjunktivs. Diese armen Instrumente werden einfach nur sehr schnell gespielt und von einem Duracell-Hasen-Plöppel-Schlagzeug unterlegt. Angelo Sasso mit langen Ohren? Die immer wieder wie aus dem Nichts auftauchenden Chor-Gesänge erinnern an SANTIANO mit dem Unterschied, dass diese Piraten-Schlager-Metaller tatsächlich singen können. Auf einzelne Songs eingehen, ist mir leider nicht möglich, da die Kapelle die ganze Zeit über nach Schema F ihre zuckersüßen Rattenfänger-Von-Hameln-Lieder abspult.

Wenn dann in einer ruhigen Minute von 'Mettään' der Solo-Gesang mal deutlicher zu erkennen ist, weiß man auch, weshalb er im Mix nicht allzu weit vorn auftaucht. Wie unschwer zu erkennen ist, ist das keine Musik für mich und eigentlich bin ich auch der komplett falsche Kollege, um solche Bands zu besprechen. Da ich nun aber die auffallend niedrigste Note in unserem Soundcheck abgegeben habe, wurde ich gebeten, dies doch in einem längeren Text zu erläutern. Ich hätte auch einfach schreiben können: Ich finde es grässlich.

Note: 3,0/10
[Holger Andrae]



Als diese Folk-Metal-Invasion, der KORPIKLAANI entsprungen ist, Anfang des Jahrtausends an Fahrt aufnahm, lief solche Musik sowohl bei meinem Bruder als auch bei mir relativ häufig: MOONSORROW, FINNTROLL, ENSIFERUM, EQUILIBRIUM und auch die frühen Werke von KORPIKLAANI, die ich heute noch schätze. Ich gebe aber zu, dass ich die Band lange aus den Augen verloren hatte. Das jüngste Album in meiner Sammlung ist jedenfalls von 2009.

Da ich die ganze Pagan-Szene extrem nervig finde und sie optisch für alles steht, was mich am aktuellen Mainstream-Metal nervt, wollte ich dieses Album natürlich auch so mies finden wie Holger. Leider ist es mir nicht gelungen. Zum einen wird auf zu alberne Melodien weitestgehend verzichtet. Zum anderen handelt es sich um gute Musiker und Songwriter, die mich zwar nicht wieder zum Fanboy machen, aber mir eine gehörige Portion Anerkennung abverlangen. Das ist hier nie so dermaßen seltsam wie bei FINSTERFORST, neueren EQUILIBRIUM, FEUERSCHWANZ oder ähnlichen Truppen, sondern schon ziemlich gut gemacht. An Metal werde ich bei der Musik trotzdem nicht denken, aber anerkennend begutachten kann ich das schon.

Note: 7,5/10
[Jonathan Walzer]

 

Während Klein-Jhonny also wild zappelnd im Humppa-Takt das 2. Jahrtausend eingeläutet hat, Holg die Säure zum Ersaufen der Flötenschlümpfe anrührte, blickte ich mit grimmig verzogenem Gesicht auf die Heiden- und Pagan-Fest-Touren jener Zeit. Hatte ich doch mit meiner eigenen Band WALDWIND das Gefühl, ernsthaften, naturverbundenen Pagan Metal zu spielen. Als eine Art Fortsetzung der Elite des Black Metal. Natürlich nahmen wir uns im Proberaum auch nicht zu ernst, aber die aufgesetzte Fröhlichkeit von Offbeat-Metal-Bands wie KORPIKLAANI ging uns auf die Nerven. So viel zur Nostalgie.

Den Stinkefinger und die wild verschränkten Arme habe ich in den Giftschrank der Jugend verbannt, und von der Fröhlichkeit und Leichtigkeit, die KORPIKLAANI ausstrahlen, lasse ich mich durchaus anstecken. Aus Altersmilde? Vielleicht. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich die Ungarn von DALRIADA sehr schätze; und das Verständnis dafür, dass diese Musiker bei aller Heiterkeit ihre Kunst mit großer Ernsthaftigkeit betreiben, hilft mir, auch eine emotionale Brücke zu KORPIKLAANI zu schlagen.

Versteht mich nicht falsch, ich spreche hier eher von einer wackeligen Seilbrücke im südamerikanischen Dschungel als von der Golden Gate Bridge. Ich bin also weit davon entfernt, ein Fan zu sein, aber ich gebe gerne zu, dass "Rankarumpu" mich zum fröhlichen Mitwippen animiert und ich nachdenklich lächle. Hach, die Radikalität der Jugend hat schon viele Dinge leichter gemacht...

Note: 7,0/10
[Julian Rohrer]

 

Wer mich kennt, weiß um meine überbordende Folk-Leidenschaft und wird verstehen, dass ich weder mit "viel zu lauten Folk-Instrumenten" ein Problem habe noch zuckersüßen oder albernen Melodien abgeneigt bin. Dazu gehöre ich aber auch noch zu einer kleinen elitären Gruppe von ELÄKELÄISET-Ultras und habe somit auch eine nicht zu unterdrückende Passion für Humppa, finnischen schlechten Gesang, vollkommen Gaga-Humor und natürlich Humppa. Erwähnte ich Humppa?

Aufgrund diverser anderer musikalischer Interessen rangieren somit auch Bands wie FINNTROLL sehr hoch in meiner persönlichen Gunst, da ich finde, dass sie diesen Offbeat-Wahnsinn am großartigsten in ihre eigenen Klanglandschaften integrieren. KORPIKLAANI gehörte bis jetzt nicht dazu. Zwar bin ich immer noch Fan von "Spirit Of The Forest" und mit Abstrichen auch von "Voice Of Wilderness", aber danach wurde es selbst mir etwas zu bierselig und widersprach meiner damaligen Auffassung von künstlerisch wertvoller Musik.

Julian spricht von Altersmilde und dem kann ich uneingeschränkt zustimmen. Dem Stefan, der gerade KING CRIMSON und GENTLE GIANT für sich entdeckte, durfte das per Gesetz gar nicht gefallen. Nun mit Ü40 und einer Playlist voller Art Rock, Malle-Schlager, Kauz-Metal, Pop, Hip-Hop, Techno, progressivem Black Metal, Folk in allen erdenklichen Ausprägungen und jeder sonstigen Form von Musik gibt es auch wieder genug Spielzeit für den Klan des Waldes. Und den erkämpfen sich die Finnen auch endlich wieder, selbst wenn es keine großen Überkracher, also potentielle Single-Hits, zu verzeichnen gibt.

Es macht durchgängig Lust und Laune und zumindest 'Saunaan' dürfte aufgrund privater Kauf-Entscheidungen noch häufiger zum Ende des Jahres laufen. Sollte Jhonny sich also dazu durchreißen, seit 2009 mal wieder seine Sammlung zu erweitern, dann müssten wir uns echt über eine Sammelbestellung austauschen. Bis dahin werde ich mich mit einem neuen Mindset mal an die weiteren Alben heranwagen, welche ich bisher ignoriert habe. Bis jetzt ist KORPIKLAANI meine persönliche Überraschung und Neu-Entdeckung des Jahres.

Note: 8,0/10
[Stefan Rosenthal]

 

Mann, was habe ich KORPIKLAANI früher gerne gehört. Ich konnte gar nicht genug von "Voice Of Wilderness" und "Tales Along This Road" bekommen. Und trotzdem habe ich die Finnen aus den Augen und Ohren verloren. Vielleicht bin ich auch etwas erwachsener geworden und diese gute-Laune-Mucke ist nicht mehr ganz so meins gewesen.

Und jetzt, wo ich "Rankarumpu" höre, weiß ich, dass ich in den letzten Jahren nichts verpasst haben dürfte. KORPIKLAANI versucht weiterhin auf Teufel komm raus gute Laune zu versprühen, nur wirkt das Ganze bei mir zu keiner Sekunde mehr. Ehrlich gesagt ist es schon positiv, wenn mich einzelne Songs wie der Opener oder 'Aita' nur langweilen und nicht wie 'Saunaan' oder 'Kalmisto' und der Titeltrack ziemlich auf die Nerven gehen. Diese verursachen ein akutes Skip-Verlangen, damit die Laune nicht vollkommen ins Negative schlägt.

Note: 3,0/10
[Mario Dahl]



Ein lustiges Hauen und Stechen ist das hier. Dabei möchte die Band doch nur fröhlich sein und gute Laune erzeugen...

Ich bin hier wohl nicht der einzige Antagonist zu Stefan, was Humppa und finnischen Folk Metal angeht. Ich fand FINNTROLL schon immer nervig. Und KORPIKLAANI schafft es jetzt das erste Mal auf meinen (leider nur digitalen) Plattenteller.

Nun, ich finde es nicht so schlimm wie das letztens zu therapierende FIDDLER'S GREEN-Album. Vielleicht, weil ich die Texte nicht verstehe? Gesang in fremden Sprachen (also nicht Englisch und nicht Deutsch) empfinde ich ja meistens als spannend und erzeugt einen Bonus. Bei diesem Sänger, der mich oft mehr an einen schimpfenden Rohrspatz als an einen Vokalakrobaten erinnert, schmilzt der Bonus aber schnell zusammen. Und leider klingen viele Songs so ähnlich, dass man gar nicht merkt, wann die Scheibe wieder von vorne anfängt.

So lande ich dann schneller bei Holgers Hörempfinden als bei einer Rohrer'schen der Altersmilde geschuldeten Gelassenheit, möchte aber dennoch nicht so tief in die Notenkiste greifen. Man kann das schon ein-, zweimal im Leben anhören.

Note: 5,5 /10
[Thomas Becker]



Fotocredits: Peero Lakanen

Redakteur:
Thomas Becker

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