DEVILDRIVER und die "Clouds Over California"

15.07.2022 | 11:51

DEVILDRIVER, der Name ist Programm. So hat sich zu Beginn der Jahrtausendwende Dez Fafara von COAL CHAMBER gelöst, um seine Vision von Metal Wirklichkeit werden zu lassen. Knapp 20 Jahre später blicken die Männer aus Santa Barbara an der zentralkalifornischen Küste auf eine bisher famose Karriere mit bockstarken Alben, energischen Auftritten und Songs, die Berge versetzen können.

BMG/Warner Music hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, den ersten fünf DEVILDRIVER-Alben einen würdigen Rahmen zu verleihen und präsentiert mit "Clouds Over California" diese Alben als Deluxe-Splatter-LP-Box und erweiterte CD-Edition. Enthalten sind somit das Debüt "DevilDriver", "The Fury In Our Maker's Hand", "The Last Kind Words", "Pray For Villains" und "Beast" sowie ein Booklet mit exklusiven Liner-Notes, um der Retrospektive die Krone aufzusetzen. Und so blicken wir einmal mit euch in diese Hardcover-Box und schmökern in wohligen Erinnerungen, viel Spaß!

Betrachten wir zunächst das 20-seitige Büchlein mit Liner-Notes von Dez Fafara persönlich. Er spricht Klartext, hat von allen Alben seine persönlichen Erinnerungen, an denen er uns auch gut und gerne teilhaben lässt. Wie es von COAL CHAMBER zu DEVILDRIVER überging, welchen Stellenwert das selbstbetitelte Debüt hat, warum die Jungs für ihr viertes Album ein wenig zurückschauten und warum sie ihrem fünften Streich einen bestialischen Namen gaben, erfahren wir in diesem sehr hochwertigen Heft bzw. Buch im Vinyl-Format, die dem qualitativ sehr aufwänden Eindruck dieser "Clouds Over California: The Studio Albums 2003 – 2011"-Box einen würdigen, narrativen Rahmen verleiht. Doch kommen wir nun endlich zur Musik:

Few musicians manage to make a worldwide impact with their music - Das Debüt dieser Box kommt als White-/Orange-/Brown-Splatter-LP daher und war schon zum damaligen Zeitpunkt – wir schreiben das Jahr 2003 – kaum mit Fafaras' COAL CHAMBER vergleichbar. Nein, auf "DevilDriver" war von Nu Metal keine Spur. Dagegen hielt eine sehr wüste Mischung aus Death'n'Thrash Metal mit jeder Menge Groove fest das Heft in der Hand, die schon früh das Talent der Truppe offenbarte, vorwiegend auch krachende, harte Stücke an den Mann zu bringen. "DevilDriver" ist ein energisches Album, das mit 'Die (And Die Now)', 'Swinging The Dead' und 'Revelation Machine' der Hartwurstfraktion erstklassige Geschenke unter den Weihnachtsbaum legte. Doch auch in etwas melodischeren, für DEVILDRIVER-Verhältnisse sogar ruhigeren Momenten blitzt Dez' Liebe für Energie und Abriss auf: Nummern wie das eröffnende 'Nothing's Wrong', 'The Mountain' und vor allem der 'I Could Care Less'-Ohrwurm gehören auch noch heute zum guten Ton jeder DEVILDRIVER-Show, dazu kommen ein knackiger Sound und die Vorfreude ob der Tatsache, dass hier etwas Großes seinen Ursprung hat. Und kramen wir dank der vorliegenden Box erneut in den Erinnerungen, lässt sich ein gewisser Hauch von Nostalgie nicht verbergen.

My maker I need a savior - Von diesem Gefühl kann auch das 2005er Zweitwerk ein deftiges Liedchen trällern, dessen vorliegende Wiederauflage als Blue-/Orange-Splatter-Version eine sehr gute Figur macht. Und dass, obwohl mit Evan Pitts der Hauptsongwriter des Debüts die Segel strich. Trotzdem ist "The Fury Of Our Maker’s Hand" die logische Weiterentwicklung jener Band, die mit Mike Spreitzer einen kongenialen Nachfolger für Pitts gefunden hat. Mehr noch: Das Album bockt auf ganzer Linie. Trotz des melodischen Starts zelebrieren rasante Blastbeat-Attacken, Riffwände so hoch wie Wolkenkratzer und Dez' charismatischer Brüllgesang vom beginnenden 'End Of The Line' bis zum Titeltrack-Abschlussbrocken ein feines Abrissfest. 'Driving Down The Darkness' spaltet sämtliche Schädel, 'Grindfucked' ist böse bis aufs Blut und 'Sin & Sacrifice' stampft sich vehement in des Hörers Düsterherz. Doch auch die zweite Albumhälfte hat mit 'Impending Desaster' und 'Bear Witness Unto' lichterloh brennende Thrash-Metal-Highlights zu bieten, die dank des knackigen Sounds und der gewissen Prise Dreck auch sehr viel Feuer auflodern lässt. Das unscheinbare Artwork – und den Fall gibt es bei Dez' DEVILDRIVER häufig – sagt bei Weitem nichts über die musikalische Urgewalt aus, die im Inneren steckt. Und optisch haben die Splatterversionen auf dem heimischen Drehteller ohnehin eine besondere Wirkung.

You must believe not all who wander are lost - Das "Make it or break it"-Album aus dem Hause DEVILDRIVER heißt "The Last Kind Words" und kam nur zwei Jahre nach dem Zweitwerk auf den Markt, lange fackeln wollten Dez und Konsorten wohl nicht, um der Hörerschaft klarzumachen, wohin der Death'n'Thrash-Hase hoppelt. Und dieser schlägt auf dem dritten Album – heuer als Yellow-/Beige-/Green-Splatter-Version – mächtige Haken, ist flink und dynamisch, zappenduster und bitterböse zugleich, ein richtiger kleiner Bastard. Die Platte ist extrem! Die Gigs mit IN FLAMES, FEAR FACTORY und MACHINE HEAD hatten spürbare Auswirkungen. Die elf Fieslinge bewegen sich im Affentempo nach vorne, stecken voller Testosteron und wachsen von Durchgang zu Durchgang. 'Not All Who Wander Are Lost' ist ein brutales Statement vor dem Herrn, der Namensgeber der vorliegenden Box folgt nicht minder bockstark und so ziehen sich die rasanten Hooks, der höllische Groove und die "Jetzt erst recht"-Devise des Fünfgestirns durch die komplette Platte. Und wenn Jason Suecof und Andy Sneap Songs wie 'Monsters Of The Deep', das hagelnde 'Head On To Heartache (Let Them Rot)' sowie 'Burning Sermon' und das Rhythmusmonster 'These Fighting Words' auch noch einen zeitgemäßen Höllensound verpassen, dann bleibt kein Auge trocken, kein Nacken unbewegt, keine Faust ungereckt. Album Nummer drei zeigt einmal mehr, welche Urgewalt in DEVILDRIVER steckt.

They pray for villains when their heroes let them down – Eine Eule schmückt nicht nur den rechten Oberarm des Rezensenten, sondern auch den "The Last Kind Words"-Nachfolger von 2009. Richtig, die engagierten Zwei-Jahres-Abstände zwischen ihren Alben behielt die Teufelsbande auch weiterhin bei, ohne dass "Pray For Villains" in Sachen Niveau auch nur ansatzweise Abstriche machen muss. Im Gegenteil, obwohl ich anfangs mit der Scheibe meine Schwierigkeiten hatte, fiel der Groschen spätestens beim dritten Durchgang, als die 13 hundsgemeinen und voller Adrenalin vollgepumpten Songs ihr gesamtes Können offenbarten. Und auch über all die Jahre versprüht DEVILDRIVER auf "Pray For Villains" einen einerseits zwar gewohnt ballernden, voller Aggressivität nur so strotzenden Charakter, hat andererseits aber allerlei Ecken und Kanten hier vertont, an denen man sich bestens festhalten kann. Hier Hooks, die nicht von dieser Welt sind ('Forgiveness Is A Six Gun', 'Teach Me To Whisper'), dort ein wütender Aufschrei, der seinesgleichen sucht ('Back With A Vengeance', 'It’s In The Cards'), nur um dann in gewohnter Death- und Thrash-Metal-Manier sämtliche Wohnzimmer in Brand zu stecken ('Pray For Villains', 'Pure Sincerity'). Dabei passt die White-/Red-/Black-Splatter-Optik wie die Faust aufs Auge wie auch die düstere Atmosphäre und der dezente Anflug von Melodien – sowohl in Dez' Gebrüll als auch in den alles niederschmetternden Riffs – dafür sorgen, dass "Pray For Villains", wer hätte es anfangs gedacht, zu meinem meistgehörten DEVILDRIVER-Album mutiert.

It's worth believing in – Wir springen weitere zwei Jahre in die Zukunft und betrachten mit der fünften DEVILDRIVER-Bestie das letzte Album sowohl dieses illustren Rundum-sorglos-Boxsets als auch unter den Fittichen von Roadrunner Records. Danach erfolgte der Wechsel zu Napalm Records, allerdings nicht, ohne der alten Heimat ein starkes Ausrufezeichen zu hinterlassen. Die Optik aus dunklem Lila und Giftgrün zieht sich auch auf die Schallplatten selbst, doch "Beast" macht seinem Namen auch musikalisch alle Ehre. Obwohl das fünfte Album der Dez' Jungs in Sachen Melodien etwas zurückrudert, ist es nicht minder eingängig und aus dem Grunde genauso brachial wie der Vorgänger. Aus technischer Sicht ist "Beast" eine abermalige Steigerung, zeigt der Fünfer doch erneut, welche erstklassigen Musiker dieses Aggressionsbollwerk intonieren. Brutal und wütend brüllt sich der Fronter wieder die Seele aus dem Leib, Songs wie 'You Make Me Sick', 'Black Soul Choir' und vor allem der Doppel-Decker 'Dead To Rights'/'Bring The Fight (To The Floor)' gleich zu Beginn haben ungemein viel Substanz und der Sound ist wie auf den vorangegangenen vier Album erste Sahne Death-Metal-Filet. Es groovt aus allen Ecken und Enden, es donnert gewaltig und mit dem kraftvollen 'Lend Myself To The Night' endet nicht nur "Beast", sondern es läutet auch den letzten Song dieser erstklassigen und hochwertigen Box ein.

Was unterm Strich bleibt, sind fünf erstklassige Alben, die für die Entwicklung des jüngeren Death- und Thrash-Metals nicht nur zum Einmaleins gehören, sondern auch zeigen, wie stark und prägnant ein Musiker aus seiner – in diesem Fall COAL CHAMBER – Komfortzone ausbrechen und neue, engagierte Musiker um sich scharren kann, um kurzerhand mit sehr viel Wut im Bauch, technischer Raffinesse und dem Gespür für den musikalischen Zahn der Zeit die Welt der riff- und grooveorientierten Musik in Wallungen versetzen kann. Somit ist "Clouds Over California: The Studio Albums 2003 – 2011" ein wertvolles Zeugnis für knüppelharte Musik nach der Jahrtausendwende und ein wunderbarer Schwenk in die eigene musikalische Vergangenheit, als "Beast", "DevilDriver" oder "The Last Kind Words" das erste Mal ihre Runde drehten.

Redakteur:
Marcel Rapp

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