rote Schatten, Der
- Regie:
- Sidney Hayers
- Jahr:
- 1960
- Genre:
- Horror
- Land:
- Großbritannien
- Originaltitel:
- Circus of Horrors
1 Review(s)
18.04.2005 | 07:31Der Zirkusdirektor Dr. Bernhard Schüler alias Dr. Rossiter sammelt gefallene Damen auf, deren Gesicht entstellt ist und verpasst ihnen eine kosmetische Operation, die sie in seine Schuld zwingt. Zum Dank dürfen sie in seinem Zirkus auftreten. Doch wer sich nicht mehr ausbeuten lassen möchte, zahlt dafür mit seinem bzw. ihrem Leben!
Filminfos
O-Titel: Circus of Horrors (GB 1960)
DVD: Anolis, e-m-s 17.03.2005 (Nr. 115657)
FSK: ab 12
Länge: 88 Minuten
Regisseur: Sidney Hayers
Drehbuch: George Baxt
Musik: Franz Reizenstein, Muir Mathieson; Song "Look for a star"
Darsteller: Anton Diffring (Dr. Rossiter / Schüler), Donald Pleasance (Mr. Vanet), Erika Remberg (Elissa), Yvonne Monlaur (Nicole Vanet), Yvonne Roman (Melina) u. a.
Handlung
England, zwei Jahre nach Kriegsende. Evelyn Morleys Gesicht ist nach einer kosmetischen Operation durch Dr. Rossiter (Diffring) leider nicht das, was sie sich erhofft hat. Sie zerschlägt alle Spiegel und wird wahnsinnig. Rossiter muss sich den Behörden entziehen, im Schlepptau hat er seine zwei Helfer, das Geschwisterpaar Angela - die ihn liebt - und Martin Webb. Beide assistieren ihm stets bei den Operationen.
In Frankreich stoßen sie auf dem Lande auf ein von einem Bombensplitter entstelltes Mädchen. Nicole (Monlaur) ist die Tochter des Zirkusbesitzers Vanet (Pleasance), der leider dem Wein sehr zugetan ist. Rossiter nennt sich fortan Dr. Bernhard Schüler, operiert Nicole und lässt sich vom dankbaren Vanet die Nutzungsrechte am Zirkus überschreiben. Als Vanet in den Tatzen eines wild gewordenen Tanzbären stirbt, unterlässt Rossiter jede Hilfeleistung, was seine Assistenten entsetzt, aber Nicole nicht mitbekommt.
Mit dem so erworbenen Zirkus will er ein Unternehmen aufbauen, das weltberühmt ist. Er weiß auch schon, wie. Als er eine Nutte dabei beobachtet, wie sie einen alten Freier ersticht und um sein Bares erleichtert, bietet er Elissa (Remberg) an, sie zu operieren und zu seiner Nummer Eins im Zirkus zu machen. Indem er Fotos von seinen kriminellen und stets entstellten Opfern macht und Dossiers anlegt, schützt er sich vor ihnen.
Doch manchmal reicht das nicht. Zehn Jahre später in Berlin. Elissa Caro ist die "Königin der Luft", aber immer noch die Nummer zwei hinter Magda Merck, der Kunstreiterin. Als Magda den Zirkus verlassen will, um einen Reichen zu heiraten, stößt ihr ein Unfall beim Messerwerfen zu - genau wie etwa einem Dutzend Damen vor ihr. Doch Elissa lässt sich nicht kleinkriegen und drängt Rossiter / Schüler in die Enge. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch ihr ein "Unfall" passiert ...
Der Zirkus ist in Bristol, England, und will seine größte Show in London bieten. Inspektor Arthur Ames wird von Kommissar Andrews auf den Unglücks-Zirkus angesetzt. Ames findet in der unschuldigen Nicole Vanet (Monlaur) eine freigiebige Informationsquelle, die aber auch geliebt werden will.
Als Rossiter erfährt, dass Nicole mit der Polizei - Ames gibt sich als Journalist aus - Kontakt hat und als Angela und Martin sich absetzen wollen, weil ihnen der Boden zu heiß wird, geraten die Dinge völlig außer Kontrolle. Da taucht als Krönung auch noch Evelyn Morley auf ...
Die DVD
Technische Infos:
Bildformate: 1,66:1, 16:9
Tonformate: DD 2.0, Mono
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
- Trailer
- TV-Spot (s/w)
- Bildergalerie
- Filmprogramm mit Szenen, Synopse und Cast-Liste
- Filmbroschüre von Rank Synchronstudio und Verleih
- 4-seitiges Booklet
- Interview mit Yvonne Monlaur (in Englisch mit dt. Untertiteln, 25 Min.)
Mein Eindruck
Wer kennt ihn nicht - den Horrorklassiker "Augen der Angst" (Peeping Tom) von 1959, der in England einen Skandal auslöste? Zusammen mit diesem Streifen und "Das schwarze Museum" (Horrors of the Black Museum, 1958) bildet "Der rote Shatten" (Circus of Horrors, 1960) eine lose Trilogie von Schockern, die das Studio Anglo-Amalgamated herstellte. Alle drei Filme behandeln die Themen Wahnsinn, Mord, Gesichts-Deformation und Voyeurismus.
Doch in "Der rote Schatten" erfolgt die Behandlung dieser Themen auf dem Niveau eines Groschenheftromans: blutig und plakativ. Die Hauptanziehungskraft geht dabei einerseits von seinem Hauptdarsteller Anton Diffring, einem in Koblenz geborenen Nazi-Darsteller aus, ein unterschätzter deutsch-britischer Schauspieler, der bisweilen an Conrad Veidt ("Metropolis") erinnert.
~ Die Girl-Revue ~
Noch viel mehr aber hat der heutige und damalige Zuschauer (und Voyeur) von den zahlreichen jungen Damen, die in verschiedenen Stadien der Entblößung zu besichtigen sind. An einer Stelle bilden sie sogar entsprechende Tableaus, in denen sie Sappho, Helena von Troja oder andere klassische Schönheiten darstellen: eine milde Form der Freak-Show, direkt im Anschluss an den Zirkus, wo sie in Aktion zu sehen sind.
Die wichtigste dieser Damen ist zweifellos Erika Remberg, zugleich die Ehefrau von Regisseur Sidney Hayers. Sie wirkte in zahlreichen europäischen Co-Produktionen mit, wie etwa in dem deutschen Vampirfilm "Der Fluch der grünen Augen" (1963) oder in dem Arthouse-Softsex-Streifen "The Lickerish Quartet" (1970) von Radley Metzger.
Desweiteren wirken mit: Die Französin Yvonne Montlaur (als Nicole Vanet), die 1960 gleich in zwei Hauptrollen bei Hammer zu sehen war: in "Dracula und seine Bräute"( The Brides of Dracula) und "Terror der Tongs" (The Terror of the Tongs; Tongs sind chinesische Verbrechenssyndikate). Ihr zur Seite steht Yvonne Romain, die auch aus der Hammer-Produktion "Der Fluch von Siniestro" (The Curse of the Werewolf, 1960; mit Oliver Reed) bekannt ist.
~ Die Optik der restaurierten Fassung ~
Dem Kameramann Douglas Slocombe, der später Polanskis "Tanz der Vampire" und Spielbergs "Indiana Jones"-Trilogie fotografierte, verdankt der Film seine dynamische Farb-Fotografie. Damit beschwört er eine Atmosphäre herauf, die an Groschen-Comics erinnert: auf den Punkt, d.h. den Effekt gebracht. Das schnelle Tempo verdankt der Film aber auch Regisseur Hayers, der zusätzlich den Schnitt erledigte.
In der deutschen Fassung war das Tempo bisher ein wenig zu hektisch, weil acht handlungsentscheidende Minuten zu Beginn der Films, als Rossiter den Zirkus von Vanet "übernimmt", bislang auf Video und im TV fehlten. Dies hatte zur Folge, dass Donald Pleasance als französischer Zirkusbesitzer praktisch nicht vorkam. Diese Szenen wurden jedoch damals fürs Kino synchronisiert und sind jetzt erstmals wieder enthalten. Sie zeigen eine entstellte Nicole vor der Gesichts-Operation und eine positive Seite des Schurken Rossiter. So wird klar, warum Nicole so lange an die Unschuld ihres "Onkels" glaubt.
Regisseur Hayers, der später u. a. "The Avengers" in Serie drehte, schuf zwei Jahre später mit "Hypno" (Night of the Eagle) einen weiteren ausgezeichneten britischen Genre-Film. Der extra für den Film geschriebene Song "Look for a star", der stets bei Elissas Auftritt erklingt, wird den Zuschauer noch lange verfolgen (es gab davon sogar eine Single-Auskopplung). Der Film startete in Deutschland am 11. August 1960. Zum Glück synchronisierte sich Anton Diffring selbst, weshalb die deutsche Synchro auch wirklich keinen Anlass zu Kritik gibt.
Eine Frage jedoch bleibt nach wie vor offen: Wer spielte den traurigen Clown? Es war vermutlich ein Mitglied des gastgebenden Billy Smart Zirkus, der auf Londons Clapham Common gastierte, um für den Dreh die Kulisse zu bieten - und echte Akrobaten.
Unterm Strich
Anton Diffring (bekannt aus "Anna - der Film") spielt den egoistischen und skrupellosen Schönheitschirurgen Dr. Rossiter wie einen zweiten Dr. Frankenstein oder Caligari. Aus Monstern macht er Schönheiten, doch wenn seine Kreaturen dem Dompteur nicht mehr gehorchen wollen, sind es sehr bald tote Schönheiten. Er ist ein Künstler-Sadist, der Macht über die Metamorphose hat: von Entstellung über Schnitte zu gemachter Schönheit. Schleier verhüllen Enstellungen, und diese wiederum Totenköpfe - Rossiter hat die Macht über das Dunkel, in dem eine entstellte Frau leben muss, und das Scheinwerferlicht, wenn er sie von dem Makel befreit hat. Wenn sie die Freiheit vorziehen, wirft er sie zurück ins Dunkel: das des Todes.
Einzig Nicole ist eine reine Unschuld und glaubt an ihren "Onkel". Als die Polizei sie eines Besseren belehrt, gerät sie in die Schusslinie und Rossiter ins Zwielicht. Sein Sündenfall spiegelt sich alsbald in seinem Gesicht: ein Gorilla zernarbt ihn. Statt ihn zu operieren, tun seine abtrünnigen Gehilfen nur so - die Kündigung der Loyalität als Quittung für die verratene Liebe Angelas. Nun ist es a) der Arm des Gesetzes und b) die lange Hand der Vergangenheit (E. Morley), die ihn ins Dunkel treiben. Das Ende ist unausweichlich, denn wie in jedem Genrefilm muss Schuld gesühnt werden, auf welche Weise auch immer.
Die gut gemachte und mit etlichen Extras ausgestattete DVD bietet Gelegenheit, einen britischen Horrorklassiker wiederzuentdecken, der weniger durch Blut und Horror als vielmehr durch die Reize seiner weiblichen Grazien zu interessieren weiß.
- Redakteur:
- Michael Matzer