School Of Rock
- Regie:
- Richard Linklater
- Jahr:
- 2003
- Genre:
- Komödie
- Land:
- USA
1 Review(s)
30.03.2004 | 11:05Rock’n’Roll ist nicht irgendeine Musik, die man ab und an aus dem kleinen 20er CD-Ständer kramt, mal kurz anhört und dann wieder zu den Akten legt. Rock ist eine Musik die man heiss und innig liebt, der man mehrere Quadratkilometer Zimmerwand widmet, sei es durch ein Plattenregal, das der abgebrannten Bibliothek von Alexandria zur Ehre gereichen würde oder durch mehrere Millionen Poster und Sticker, denen mit Sicherheit ein halber Regenwald zum Opfer gefallen ist. Zudem kommt noch die individuelle Persönlichkeit des Rockfans, der als exzentrisch, fanatisch (man nehme einen Jihad’schi und multipliziere den Fanatismus mit 47465362 hoch sieben), und absolut kompromisslos gilt, was den eigenen Musikgeschmack angeht.
"Unbreakable" hat uns bewiesen, dass es in jeder Spezies zwei Extreme gibt, die negativen und die positiven. So war der von Bruce Willis verkörperte David Dunn die absolute Spitze der menschlichen Biologie, absolut unankratzbar. Was Dunn für die menschliche Anatomie darstellte, ist Dewey Finn für die Spezies der Rockfans: als Gitarrist der nicht wirklich erfolgreichen Rockband "No Vacancy" lebt er seine Musik ohne Kompromisse und Rücksicht auf Verluste aus. Der Mann benutzt den Großteil seines Hirns dafür, Riffs und Bandinfos einzustudieren und lässt wenig Platz für anderes in seinem Leben.
Genauso exzessiv lebt Dewey auch die Liveauftritte seiner Band aus. Stagestrip, Verrenkungen in den unmöglichsten Posen und unglaublich schrille und lange Gitarrensoli gehören zu seinen Standardaktionen auf der Bühne. Dass das regelmäßig Vertreter von Plattenfirmen und Medien vergrault ist ihm relativ egal, da Geld in der Musik für ihn keinen Platz hat.
Mit dem Albtraum eines jeden Rockfans beginnt dann auch Dewey's persönlicher Albtraum: dem Stagedive ohne kreischende Fans, die nur darauf warten seinen umfangreichen Körper aufzufangen. Der Krater, den Dewey's Aufschlag wirft, würde jeden NASA-Bot überfordern. Als er aus dem Koma erwacht, schlägt ihm ein GAU nach dem anderen entgegen: sein bester Freund verlangt, aufgestachelt durch die spießige Freundin ("Ich arbeite für den Bürgermeister, und was machst du? Du machst Krach!"), Deweys Mietanteil, was für den Dauerpleitier und Profischnorrer Dewey eine absolute Katastrophe darstellt. Als er dann noch von seiner Band entnervt rausgeworfen wird und er bemerkt dass er mit seinem krassen Verhältnis zum Rock selbst in der Szene als Bekloppter da steht, bricht für ihn seine Welt zusammen.
Rettung kommt in Sicht, als er eine Anfrage einer Privat-Grundschule für seinen Freund Ned Schneebly, einem Aushilfslehrer, annimmt, und sich fortan als diesen ausgibt, in der Hoffnung durch wenig Arbeit viel Geld zu verdienen! Rasiert und auf Lehrer getrimmt, macht Dewey sich fortan jeden Tag auf zur Schule, um seiner dortigen Klasse das gammeln und stillschweigen beizubringen. Ganz so einfach wird das dann doch nicht, weil die Kinder, die er unterrichten soll, nicht ganz seiner Einstellung entsprechen und etwas lernen wollen.
Den rettenden Einfall bekommt Dewey als er seine Klasse beim Musikunterricht belauscht. Fortan steht Rockmusik auf dem Stundenplan, und seine Klasse schweißt der plötzlich sehr engagierte Pseudolehrer in Bandform zusammen, und das mit allem Drum und Dran: Bandmember, Security, Technik, Roadies, jeder der achtjährigen Kinder bekommt seinen eigenen Posten verpasst. Ziel ist der "Battle Of The Bands Contest", bei dem es 20.000 Dollar zu gewinnen gibt, die Dewey aus seiner Finanzkrise helfen sollen.
Stunde um Stunde drillt er den Kindern die Welt des Rock's in den Kopf, angefangen bei AC/DC über Luftgitarre und die richtige Coolness auf der Bühne bis hin zum ideologischen Background des Rocks.
Während Dewey immer mehr auf seine Schüler einwirkt kehrt sich dieses Einflussverhältnis um, die Kleinen sensibilisieren ihren Lehrer für ihre Probleme und verwandeln den erst ruppigen Taugenichts in einen, zwar chaotischen und etwas irren, aber fürsorglichen Vormund der sich tierisch aufregt, als sein Schlagzeuger (Acht Jahre, eingebildet wie Sau und so begabt beim Trommeln wie der Kerl, der Undinge wie "Meteora" oder "Hybrid Theory" verbrochen hat) sich zu Freaks in den Van setzt, die ihre Priorität beim Rock'n'Roll eindeutig auf DRUGS gelegt haben. Die darauf folgende Schelte legt wieder einen Deut von der Welt des Jack Blacks dar (Sex? Yeeeeeeaaaaah!!! Drugs? Go, fuck your self!). Auch rechnet Black unverhohlen mit dem Schönheitswahn ab, als seine pummelige Sängerin sich nicht auf die Bühne traut.
Natürlich läuft nicht alles so perfekt wie Dewey es sich wünscht, und so entwickelt sich der Elternabend an der Schule, auf den er sich widerwillig einlässt, in ein absolutes Fiasko, bei dem die Freundin seines Kumpels dafür sorgt dass seine Tarnung auffliegt. Nach einer überstürzten Flucht landet Dewey wieder dort wo er anfing: im Bett, im komatösen Schlaf der all sein weltliches Leid überdecken soll. Die nächsten Tritte in den Arsch bekommt er dieses Mal von seinem Schlagzeuger (der diese Prozedur der Mobilisierung von Lehrkräften deutlich genießt), der ihn in den Schulbus schleppt, wo schon die anderen Kids warten, um zum "Battle Of The Bands Contest" zu fahren. Die aufgebrachten Eltern natürlich als Verfolger hinter sich.
Im Grunde genommen gehört die Story zum flachsten was in letzter Zeit ins Kino kam. Traumtänzer landet in der Realität, versucht sich durchzumogeln, bessert sich, fliegt dann doch auf die Fresse und wird am Ende dann doch zum (geläuterten) Gewinner. Nach diesem Prozedere verfahren etwa 50% aller Kommerzkomödien. Dazu kommt noch, dass die Handlung beinahe haargenau vom 90er Jahre Blockbuster "Sister Act" geklaut wurde. Zur Erläuterung (auch geklaut von imdb.com): Whoopi Goldberg landet auf der Flucht in einem Kloster, gibt sich als Schwester aus, drillt einen Kirchenchor zum Soulensemble, fliegt kurz vor dem Finale (einem Wettbewerb) auf, und kann am Ende doch mit ihrer Kombo abräumen.
Dreister geht es kaum.
Trotz der unverhohlenen Scriptklauerei begeistert der Streifen schon von den ersten fünf Minuten an. Warum? Weil sein Hauptdarsteller so etwas von übermächtig die Handlung beherrscht, dass kein Blick dran vorbei auf das recht wackelige Gerüst der Story erhascht werden kann. Der Hauptdarsteller ist nicht, wie irrtümlicherweise im Cast aufgelistet, der US-Komiker und TENACIOUS D.-Barde Jack Black, sondern die Musik, welche die Welt der Menschen seit nun fast 60 Jahren ununterbrochen im Griff hat: Rock'n'Roll
Der komplette Streifen strotzt nur so von den Grundessenzen des Rock'n'Roll: Postertempel, mannshohe Boxen, jeder freie Quadratzentimeter mit Aufklebern zugepappt, leere Biergläser wo man hinschaut, mit Stacheldrahnt und Minenfeldern gesicherte Plattenregale, das Wummern aus dem Nachbarzimmer, abgewrackte Konzerthallen, in denen die Post abgeht, und einen schrillen Chefideologen, der diese Umgebung aufsaugt wie ein Bierdeckel.
So verwundert es nicht, dass der eigentliche Nebendarsteller Jack Black mit seinen eher dürftigen schauspielerischen Fähigkeiten (Jack Black kann nur zwei Rollen spielen: Jack Black und Jack Black) trotzdem den ganzen Film in einen Spaß verwandelt, auf den die Welt gewartet hat. Am Anfang des Films könnte man Dewey Finn für ein Stück des gammeligen Mobiliars halten, doch im Laufe des Films entwickelt Jack Black so viel Elan, dass der Rest der Schauspieler teilweise auf der Strecke bleibt (mag ja sein, dass die Kinder teilweise etwas eingeschüchtert wirken sollten, aber bei dem aufbrausenden Dewey Finn wäre WEGLAUFEN und HEULEN ein verständlicher Punkt auf dem Stundenplan gewesen). Viel Charakterentwicklung bringt Black zwar nicht zustande, aber das ist auch nicht nötig. Konsequent zieht er den Fanatiker von Minute 0 bis 108 durch, und ändert in dieser Zeit nie seine Ziele, nur seine Prioritäten. Die Gags, die vom Stapel gelassen werden, sind endlich mal erfrischend anders als der stereotype Hollywoodhumor und trieft nur so vor Sarkasmus ("Meine Gitarre verkaufen? Würdest du Picasso sagen er soll seine Gitarren verkaufen?") und Seitenhieben auf die Popkultur.
Die anderen Schauspieler (unter anderem Black's Freund Mike White, der für ihn auch "Raus aus Orange County" geschrieben hat, und für dieses desaströse Drehbuch verantwortlich ist) spielen ihre Rollen ziemlich souverän, auch wenn sie manchmal arg aus der Art schlagen. So überdreht Joan Cusack als - verklemmt wäre hier untertrieben - zugetackerte Direktorin Mullins (die schon nach einem halben Schluck Bier röchelt und einen Blackout hat), und Mike White spielt den kindlichen und unsicheren Ned Sneebly so ekelig kitschig, dass man kaum hinschauen kann (wobei hier jedoch der Seitenhieb auf die Black Metal Szene göttlich ist).
Im Großen und Ganzen ist "School Of Rock" eine genial verkorkste Komödie mit einem geklauten Drehbuch, einer manchmal unlogischen Handlung (wieso weiß der sonst so sichere und einfallsreiche Finn beim Elternabend nicht weiter?), dem genialsten Hauptdarsteller der Welt (Rock'n'Roll), einem überzeugenden und urkomischen Jack Black als Nebendarsteller, einer genialen Truppe an Nachwuchsrockern, und dem ehrlichsten Filmsoundtrack der letzten Jahre (quasi als Lernmaterial zum Film hinzugefügt. Keine Fang-das-NuMetal-Kid-Mucke sondern einfach nur Rock, und man ertappt sich immer wieder beim mitwippen).
Toller Film für Rockfans, Nichtrocker dürften ihre Probleme mit der flachen Handlung haben.
Anspieltipps: THE CLASH, KISS, DEEP PURPLE, THE DOORS, AC/DC, THE WHO, THE RAMONES, METALLICA, LED ZEPPELIN, SCHOOL OF ROCK
- Redakteur:
- Michael Kulueke