House of Cards - Das Original. Die komplette erste Miniserie
- Regie:
- Seed, Paul
- Jahr:
- 1990
- Genre:
- Thriller
- Land:
- Großbritannien
- Originaltitel:
- House of Cards vol. 1 (1990)
1 Review(s)
24.03.2014 | 16:13Der Königsmörder ist ein ehrenwerter Mann
Die Konservativen haben die britischen Wahlen gewonnen. Der hinterhältige, aber loyale Francis Urquhart freut sich schon auf den versprochenen Ministerposten. Doch der neue Premierminister bricht sein Wort, Francis soll weiter als Fraktionschef dienen und die eigenen Reihen auf Linie halten.
Von nun an sinnt der Mann mit dem verschmitzten Lächeln auf Rache und hält dabei die Trümpfe in der Hand. Er beherrscht nicht nur alle Regeln des dreckigen Polit-Geschäfts, er kennt auch die kleinen Geheimnisse seiner Parteifreunde. Ein bitterböses Spiel um Macht, Sex, Korruption und Verrat beginnt... (Verleihinfo)
Filminfos
O-Titel: House of Cards Season 1 (GB 1990)
Dt. Vertrieb: Pandavision
VÖ: 25.03.14
EAN: 4048317475513
FSK: ab 12
Länge: ca. 224 Min.
Regisseur: Paul Seed
Drehbuch: Andrew Davies nach dem Roman von Michael Dobbs
Musik: Jim Parker
Darsteller: Ian Richardson (Francis Urquhart), Susannah Harker (Mattie Sorin), David Lyon (Henry Collingridge), Miles Anderson (Roger O'Neil), Diane Fletcher (Elizabeth Urquhart), Malcolm Tierney, Kenny Ireland u.a.
HINWEIS: Die folgende Handlungsdarstellung ist meine eigene Erfindung und hat, was ihren Rahmen angeht, nichts mit der Serie zu tun außer mit der Tatsache, dass in der Serie immer wieder Ratten auftreten.
Handlung
PROGRAMMLEITER: Hallo, liebe Zuschauer, wir haben eine Liveübertragung zum Planeten Erde hergestellt. Wollen mal hören, was unser Reporter vor Ort zu berichten weiß. Bekanntlich herrscht dort ja gerade eine Regierungskrise...
REPORTER
Liebe Zuschauer von Rattus Norvegicus XI, wir sind hier auf der Erde gelandet und wollen Sie ein bisschen durch das gute alte Londinium führen. Bitte folgen Sie mir unauffällig! Unser Ansprechpartner vor Ort ist ein Humanwesen, das auf den Namen "Francis Urquhart" hört. Denken Sie sich nichts bei solchen kompliziereten Namen ohne Elternkennzeichnung - es könnte schlimmer sein: Er könnte gar keine Familie haben.
Dieser "Francis Urquhart" jedenfalls ist ein wichtiger Mensch, denn er führt die Partei, die die Regierung stellt, und sorgt dafür, dass die Hinterbänkler, die nicht im Kabinett der Regierung sitzen, auch tun, was sie sollen. Das Ganze nennt sich "Demokratie", und was das ist, klären wir später. Jedenfalls hat "Francis Urquhart" gerade alle Hände voll zu tun, denn sein Land befindet sich in einer Krise, weil die langjährige Regentin, eine gewisse Humanoide, die auf den Namen "Margaret Thatcher" hört, abgewählt worden ist. Dumme Sache, das, denn nun ist quasi der Thron leer und das Land braucht dringend einen Nachfolger für diese Dachdeckerin.
"Francis Urquhart" ist so schlau, diesen Nachfolger flugs "aus dem Hut zu zaubern", wie man auf Lepus Lepus XIV sagt. Nachfolger soll henry Collingridge werden, ein Schwachkopf ohne Schnurrhaare und Eier, wenn man unseren Artgenossen glauben darf, die die Lage vor Ort im Auge behalten. Natürlich macht sich "Francis Urquhart" Hoffnung auf einen Posten in der Regierung, doch da erhält er eine kalte Dusche: Der engste Berater von henry Collingridge, der konservative Parteivorsitzende Lord Teddy Billsborough, wischt die ganze Wunschliste vom Tisch. Übelst, Leute, übelst! Wenn "Francis Urquhart" ein paar ordentliche Nagezähne hätte, würde er sich "Teddy" jetzt in den Hals schlagen.
Aber er ist schlauer und tut so, als sei alles in bester Ordnung. Insgeheim beginnt er jedoch mit Plan B, dem Königsmord. Opfer Nummer 1 ist der Bruder des Premierministers, eben dieses Collingridges. Ein Börsenskandal ist schnell eingefädelt. Was eine Börse ist? Das erkläre ich Ihnen später. Jedenfalls hat unser Königsmörder die volle Deckung seines Weibchens Elizabeth. Sie gibt ihm sogar freie Hand, ein anderes Weibchen zu bezirzen, und das lässt sich unser held nicht zweimal sagen.
Die adrette Jungreporterin Mattie Sorin will sich ihre Sporen in der Politikredaktion des "Chronicle" verdienen. Als der Fraktionsführer auf sie zukommt und ihr vertrauliche Informationen zusteckt, schwebt sie auf Wolke sieben. Leute, ihr solltet mal ihre Augen glänzen sehen. Natürlich landen die beiden zusammen im Liebeslager. Hoffentlich bekommen wir davon bald eine Live-Übertragung.
Jedenfalls sieht sich bald nicht nur der Premierminister, sondern auch Lord Billsborough einer Schnutzkampagne ausgesetzt. Die Wahlen - ja, das gehört eben zur sogenannten "Demokratie" - lassen die Regierung noch mal weiterregieren, aber schon auf dem Parteitag der Regierungspartei in einem Seebad namens Brighton - ja, da sind ja unsere Leute vor Ort im Bild! - also, dort gehtÄs bald drunter und drüber. Der Königsmörder schreckt eben vor nichts zurück, um selbst König werden zu können. Soviel Entschlossenheit lob ich mir!"
Moment mal, hier stimmt was nicht. Waaa!" (Man hört ein Qieken, ein Poltern und dann unheilvolle Stille.)
PROGRAMMLEITER
Räusper! Wir bitten die technische Störung zu entschuldigen, liebe Zuschauer, das kann bei Live-Übertragungen von der Erde immer wieder vorkommen. Wir halten Sie auf dem Laufenden, ob es mit der Liebesnacht zwischen dem Außenminister und der Assistentin des Regierungssprechers klappt oder nicht. Kamera und Mikro stehen schon bereit - gut versteckt, versteht sich..."
Mein Eindruck
In jeder der vier Folgen der ersten Miniserie von "House of Cards" aus dem Jahr 1990 sehen wir mindestens eine Ratte durch Bild huschen. Mal krabbelt sie vor dem Parlamentsgebäude, mal am Pier von Brighton, mal in Gegenden, die wesentlich finsterer sind. Was tun sie dort vor Ort? Berichten natürlich!
Der Gewährsmann dieser Reporter ist ganz klar Francis Urquhart, der sich am Anfang jeder Episode an das Publikum wendet, indem er in die Kamera blickt. Er liefert uns wertvolle Informationen und wirft uns bedeutungsvoll kommentierende Blicke zu. Etwa dann, als ein paar Hinterbänkler ihre verschrobenen Ansichten im Unterhaus zu Gehör bringen.
Es ist eine sehenswertes Schauspiel, das wir als Zuschauer bei dieser Live-Übertragung geboten bekommen. Allein schon die Intrige, die den Bruder des Premierministers in einen Börsenskandale verwickeln soll, ist bis ins Feinste ausgeklügelt. Francis Urquhart tritt selbst als Charles Collingridge auf und legt eine Parteispende von 50.000 Pfund lukrativ in Aktien an. Doch es sind ganz besondere Aktien. Dass sie im Wert explodieren werden, kann nur ein Regierungs-Insider wissen. Und so kommt der Stein ins Rollen, der dem Premierminister schließlich zu Fall bringen wird.
"Mitgefühl? Bitte keine Zimperlichkeit oder gar Wehleidigkeit!" Solche Jammerlappen-Emotionen verbittet sich Francis Urquhart. Gefühle haben im Politgeschäft nichts zu suchen. Wir hingegen versuchen, den Überblick über die große Zahl der Figuren zu behalten. Urquhart hilft uns dabei nach Kräften.
Gefühle hingegen entwickelt Urquhart, wenn es um die junge Politreporterin Mattie Sorin geht. Sie könnte seine Tochter sein, wendet er ein, als sie ihre Bewunderung unverhohlen zum Ausdruck bringt. Na und, meint sie, das sei doch kein Hinderungsgrund. Sie würde ihn gerne "Daddy" nennen. Na schön, lenkt Urquhart ein, denn welcher Machtmensch könnte einer attraktiven jungen Frau widerstehen, die ihm offen Avancen macht?
Doch je mehr Mattie ihre beruflichen Fähigkeiten einsetzt, desto häufiger weisen die Indizien in die Richtung Urquharts. Zuerst will sie es nicht glauben, doch ihr Kollege John stößt sie immer wieder mit der Nase darauf. Hat sie Urquhart wirklich vertraut? Schließlich gesteht sie ihm ihre Affäre mit dem Franktionschef. Nun, es hat schon Unerhörteres gegeben, beispielsweise in der Profumo-Affäre. Was Mattie erschreckt, ist lediglich die ungeheure Diskrepanz zwischen dem Menschen Urquhart, den sie bewundernd liebt, und dem Politbastard, der vor keiner Untat zurückschreckt.
Als urquhart durch seine Machenschaften als einziger Nachfolger von Collingsridge übrigbleibt und ihm der Wahlsieg so gut wie sicher ist, muss sie ihn mit dem konfrontieren, was sie über ihn herausgefunden hat: mit der Trumpfkarte. Ihr Minirekorder ist bereits eingeschaltet, als sie den lieben Francis auf dem Turm des Parlamentsgebäudes findet und ihm gegenübersteht...
Die Blu-ray
Technische Infos
Bildformate: 4:3 (1080p)
Tonformate: D in DTS-HD 2.0, Englisch in DTS-HD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D, Englisch
Extras:
- Audiokommentar zur 1. Folge
Mein Eindruck: die Blu-ray
Das restaurierte Bild der Serie aus dem Jahr 1990 ist in vielen Details gestochen scharf. Besonders im Vorspann ist das gut zusehen, als das Kameraauge über Big Ben und die Parlamentsgebäude von Westminster schwebt. (Dieser 10.000 Pfund teure Helikopterüberflug, so erfahren wir aus dem Audiokommentar, wurde später immer wieder verwendet.)
Der Ton entspricht gutem Stereoton, wie man ihn vom Fernseher gewohnt ist. Leider musste ich in Szenen ohne Dialog immer wieder ein leises Rauschen auf der Tonspur feststellen. Diese dialoglosen Stellen sind zum Glück sehr selten, denn die Handlung lebt vom scharfzüngigen verbalen Schlagabtausch.
Die deutsche Synchronisation unterscheidet sich erheblich von den Dialogen des Originals. Das kann der des Englischen weniger gut als ich mächtige Zuschauer leicht an den Untertiteln ablesen, die doch an zahlreichen Stellen von der Synchronisation abweichen. Dies zu verfolgen kann einerseits aufschlussreich sein, andererseits vom Geschehen ablenken.
EXTRA
Audiokommentar zur 1. Folge
Im nicht untertitelten Audiokommentar zur 1. Folge geben der Hauptdarsteller Ian Richardson, der Drehbuchautor Andrew Davies und Ken Riddington, der Produzent, diverse Auskünfte zur Entstehung der Serie und wie die Dreharbeiten verliefen. Außerdem erfahren wir, dass die Episode 1 just eine Woche vor dem Rücktritt von Margaret Thatcher gesendet wurde - was die Macher der Serie geradezu als Propheten erscheinen ließ. Die Konservativen verfolgten die Serie offenbar mit neugierigen Augen - bis zu ihrem schockierenden Schluss.
Unterm Strich
Die Serie lebt von dem spannenden, raffiniert eingefädelten Plot und den eindrucksvollen Darstellerleistungen. Natürlich ist Ian Richardson der Star der Darstellerriege, und sein nuancenreiches Mienenspiel ist eine Schau. Er spielt den Königsmörder Macbeth, und seine Elizabeth ist ihm ebenbürtig. Ihm gegenüber tritt Susannah Harker als die junge Mattie wie die Unschuld vom Lande auf. Doch warum lässt sie selbst in intimsten Situationen noch ihren Taschenrekorder laufen? Sie ist auch nicht das, als was sie sich ausgibt.
Durchweg bekommen fast alle Schauspieler eine große Szene, in der sie zeigen können, was sie draufhaben. Sie wissen wir stets, was die einzelnen Figuren antreibt beziehungsweise in den politischen Ruin treibt. Wie in einem Hitchcock-Thriller werden präparierte Aktenköfferchen vertauscht, geheime Botschaften unter der Tür durch geschoben und vieles mehr gedeichselt.
Die beste Szene von allen hat zweifellos der Darsteller des Regierungssprecher Roger O'Neill. Der von Urquhart wegen seines Kokainkonsums und wegen Verurntreuung von Parteigeldern erpresste Ex-Rugbyspieler wird immer verzweifelter und kommt zu den Urquharts auf deren Landhaus südlich von London. Dort wartet angeblich seine Rettung, doch es soll seine allerletzte Fahrt werden. Sein Abgang hat tragische Größe. Shakespeare, dessen unsterbliche Zeilen immer wieder von Urquhart zitiert werden, hätte dazu einiges zu sagen gewusst.
Alles, was diese "Macbeth"-Variation bräuchte, sind noch drei Hexen, eine Prophezeiung und ein Nachfolger. Einen Widersacher hat dieser Macbeth bereits: die junge Mattie, die ihm die Nächte versüßt. Doch können die beiden einander wirklich vertrauen? Die eigentliche Frage, die die Serie letzten Endes stellt, lautet: Vertrauen ist ein Luxus, den sich nur das Wahlvolk leisten kann, nicht jedoch diejenigen, die mit dem Politgeschäft befasst sind. Ratten, die Wappentiere der Verräter, sind daher die optimalen Berichterstatter vom Planeten Erde.
Die Blu-ray
Das Bild der restaurierten Fassung ist gestochen scharf, doch die Tonspur weist ein leises Rauschen auf. Es tritt immer dann auf, wenn kein Dialog gesprochen wird, also zum Glück sehr selten. An Bonusmaterial gibt es fast keines, nicht mal Trailer. Der nicht untertitelte Audiokommentar stammt vom Hauptdarsteller Ian Richardson, dem Drehbuchautor Andrew Davies und Ken Riddington, dem Produzent. Er ist amüsant und informativ. Werbende Trailer sucht man auf der Disc vergeblich, aber das ist sicherlich kein Verlust.
Michael Matzer (c) 2014ff
- Redakteur:
- Michael Matzer