Factotum
- Regie:
- Bent Hamer
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
1 Review(s)
11.11.2006 | 15:58Handlung:
Irgendeine amerikanische Großstadt in der Gegenwart: Henry Chinaski, der sich selbst für einen Schriftsteller mit großer Begabung hält, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch sein Leben. Stetig auf den großen literarischen Durchbruch hoffend, schickt er wöchentlich Kurzgeschichten an verschiedene Zeitungen, jedoch ohne positive Resonanz. Neben seiner Leidenschaft für das Schreiben, sind Frauen, Sex und vor allem Alkohol die Grundsäulen seines Lebens, denen er in jeder Situation des Alltags treu bleibt. Von einer Frau zur nächsten, von Job zu Job, Chinaski geht seinen Weg mit bitterem Humor.
Auswertung:
Viele große Filme entspringen nicht ausschließlich den Federn begabter Drehbuchautoren, sondern basieren meist auf einer Romanvorlage eines Schriftstellers. "Factotum" ist bestes Beispiel für eine solche filmische Buchadaption. Geschrieben wurde der gleichnamige Roman von dem Amerikaner Charles Bukowski. Der Brockhaus beschreibt so sein literarisches Schaffen: „Auf der Basis eigener Erfahrungen schrieb er im knappen Stil harte, witzige Stories, Romane und Gedichte über das Leben in den Randzonen der bürgerlich amerikanischen Gesellschaft. Schockwirkung durch die Darstellung brutaler Gewalt, obszöner Sexualität und des Schmutzes der Gosse.“
Diese genannte Randzone der Gesellschaft ist auch die Heimat von Henry Chinaski, die er in seiner Literatur einzufangen versucht. Chinaskis gesamter Alltag erzählt eine traurige Geschichte über eine gescheiterte und noch immer scheiternde Existenz, die von Henrys unverwüstlichem Humor nicht allzu ernst genommen wird.
Im fast permanenten Dauersuff kritzelt er kleine Ausschnitte aus seinem Leben zu Kurzgeschichten zusammen und hofft unentwegt auf den großen Durchbruch. Der Traum vom Erfolg, von der berühmten „pursuit of happiness“, scheint dem Protagonisten nicht vergönnt zu sein. Er wird zum Sinnbild für die traurigen Schattenseiten des amerikanischen Traumes, die er selber nicht erkennt oder wahrnehmen möchte. Seine Umwelt ist trostlos, seine finanzielle Lage ausweglos und ihm fehlt jegliche klare Struktur im Leben.
Dank Matt Dillons überragender schauspielerischer Darbietung wirkt Chinaski mit seinen
Eigenarten und Alkoholabhängigkeit absolut authentisch und radikal individuell. Sehr individuell ist auch der Handlungsstrang, der Hamers Werk durchzieht. Dieser ist sehr minimalistisch angelegt und wirkt vom Aufbau her wie eine realitätsnahe Studie eines Menschen, der sich selbst zu großen Taten berufen sieht, aber nie die Gelegenheit bekommt, sich zu beweisen. Chinaski ist zu alt, um sein Leben komplett umzuräumen, und zu verbissen, um seinen Traum aufzugeben. Als er bei einem seiner vielen Gelegenheitsberufe in Gedanken versunken aus einem kleinen Fenster schaut, das einsam in einer großen Betonmauer eingelassen ist, vergleicht er die ihn umgebende Großstadt und alle ihre Auswüchse mit einem Gedicht, das thematisch sehr vielseitig ist. Doch dieser Vergleich muss noch wesentlich weiter aufgefasst werden. Lyrik ist schließlich auch nicht nur emotionaler Ausdruck mit dem Mittel der Sprache, sondern legt eine Wahrheit hinter den Dingen vor, die es zu entschlüsseln und zu erfahren gilt.
Der amerikanische Traum ist ein solches Gedicht. Man kennt ihn, doch das Problem ist letztendlich seine Interpretation, an der schon so viele Existenzen gescheitert sind. Aber wann erkennt man sein eigenes Scheitern? Chinaski gibt eine schlichte Antwort: Solange man seinen Weg aus ganzer Überzeugung geht, ist der Traum nie zu Ende geträumt.
Umsetzung auf DVD:
Die Umsetzung auf DVD ist gelungen. Das Bild ist klar, scharf und rauscht an keiner Stelle des Films. Der Ton ist überdurchschnittlich gut und Dialoge sind absolut gut verständlich.
Weitere Extras der DVD:
- Interview mit Matt Dillon
- Deleted Scenes
- Trailer
Fazit:
"Factotum" ist konsequent. Er verspricht kein Happy End, keinen Chinaski, der sich ruhmreich aus dem Schatten seiner Lebenslage erhebt. Hamers Werk zeigt unzensiert das chaotische Leben eines träumenden Außenseiters, der niemals seinen bittren Humor aufgibt. Eine radikale Abrechnung mit dem amerikanischen Traum oder ein nachdenkliches Plädoyer dafür, seinen Weg zu gehen, egal wohin er führt? Der Zuschauer muss am Ende entscheiden.
Zusammenfassend schwimmt "Factotum" gegen den Mainstream-Geschmack und lebt von Matt Dillons großem Schuspiel, das absolut sehenswert ist.
- Redakteur:
- Thomas Graef