WALTARI - Nations' Neurosis
Mehr über Waltari
- Genre:
- Crossover
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Metalville
- Release:
- 16.05.2025
- Nature Rules
- Open The Gate
- Do You Accept
- Breakfast In Eiffel Tower
- Diversity
- Murder Plot
- Sun
- Kill For Sport
- Flowin'
- Major Mistake
- Step Back
- Higher
- 7th Heaven
- EST
- Last Chance
Erste Liga in typisch ausfransendem Stilmix.
Die verrückten Finnen sind zurück! Als ich die Band und ihren charismatischen, extrovertierten Frontmann Kärtsy Hatakka Anfang der Neunziger entdeckte, war ich sofort begeistert von ihrer Mischung aus Metal und Skurrilität – ein Stil, den sie nun schon seit fast vier Jahrzehnten pflegen. Ich habe sie über all die Jahre hinweg verfolgt, durch viele Stilrichtungen und Stimmungen. Und wenn ich bei WALTARI von vielen rede, dann meine ich wirklich viele, denn für diese Band gibt es keine Grenzen.
Die Band wurde Mitte der Achtziger gegründet und nach dem finnischen Schriftsteller Mika Waltari benannt, einem der international bekanntesten Autoren Finnlands. 1991 erschien das Debütalbum "Monk Punk", das einen wilden Musikmix bot, am besten als Crossover beschrieben – ein Begriff, der in den Neunzigern groß war. Und ja, auch ein bisschen Punk war dabei. Von diesem Startpunkt ausgehend, erhoben WALTARI das Wort Crossover auf ein völlig neues Niveau und schreckten vor nichts zurück: elektronische Dancefloor-Sounds, Coverversionen von MADONNA und THE CURE, bis hin zu ihrer wilden Mischung aus klassischer Musik und Death Metal im Werk "Yeah! Yeah! Die! Die! Death Metal Symphony in Deep C". Ohne EPs, Kompilationen, Kollaborationen und Kuriositäten mitzuzählen, ist "Nations' Neurosis" Waltaris dreizehntes Studioalbum.
Mastermind Kärtsy hat zuletzt eine turbulente Zeit hinter sich, in der er seine Mutter verlor, eine schmerzhafte Trennung durchlebte und die Welt in einem Zustand allgemeinen Chaos vorfand. Doch Kärtsy wäre nicht Kärtsy – Held von vier Jahrzehnten stilprägendem Crossovers –, wenn er diese Erfahrungen nicht in neue Songs kanalisiert hätte. Mit Unterstützung von Aleksanteri Kuosa nahm er das Album in drei verschiedenen Studios in Finnland auf. Auch das Line-up ist neu: Nur Schlagzeuger Ville Vehviläinen ist geblieben. Die Gitarren übernehmen nun Eero Nykänen, bekannt durch seine Arbeit mit MUTANT BLAST, und Jakke Setälä. Alles andere hat wieder Kärtsy selbst gemacht – inklusive des Programmings, das im Jahr 2025 eine größere Rolle spielt als je zuvor seit der Jahrtausendwende.
Diese finnische Band war schon immer ein Chamäleon – aber auf "Nations' Neurosis" zeigt sie sich in einem neuen Licht. Nicht in dem Sinne, dass sich die Musikform komplett verändert hätte, sondern eher wie eine neue Farbschattierung, die sich nach mehrmaligem Hören als etwas Neues entpuppt. Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Fortsetzung dessen, was WALTARI bislang gemacht hat: von Stil zu Stil springen wie ein Flipperball, den Hörer überraschen, keine Angst vor dem Seltsamen und Ungewöhnlichen haben. Die typischen Kontraste sind geblieben – zwischen einem Metal/Hardcore-Hybriden wie 'Do You Accept', Dancefloor-Nummern wie der ersten Single 'Higher', melodischem Metal à la 'Nature Rules', Synthie-Punk wie 'Est' oder Industrial Metal wie 'Kill For Sport'. Diese Markenzeichen nehmen den Hörer mit auf eine Achterbahnfahrt durch das Album.
Wenn man sich die Zeit nimmt, das neue WALTARI besser kennenzulernen, merkt man zwei Veränderungen im Vergleich zu "Global Rock", dem Vorgänger von "Nations' Neurosis": Erstens ist das Album weniger metallisch als zuvor. In den letzten zwanzig Jahren hatte Kärtsy seine Band auf ein solides Hardrock- und Metal-Fundament gestellt und von dort aus Ausflüge in fremde musikalische Gefilde unternommen. 2025 ersetzte er einen Teil der Gitarrenarbeit durch dominantere Keyboards und Programming. Zweitens atmet das Album insgesamt deutlich mehr Melancholie und weniger Spaß als früher – eine angemessene und nachvollziehbare Entwicklung angesichts des Zustands der Welt zur Entstehungszeit der Songs.
WALTARI war schon immer Geschmackssache – aber sobald sich diese Finnen im musikalischen Gehirn festsetzen, wird jedes neue Album zu einer willkommenen Gelegenheit, den metallischen Gaumen zu reinigen und sich auf eine unterhaltsame Reise durch den Kaninchenbau von Kärtsys ungewöhnlichen Kompositionen zu begeben. Zwar enthalten alle Alben Metalsongs – das bleibt das verbindende Element –, aber jedes Werk enthält auch Tracks, die so gar nicht ins Standardprogramm passen. "Nations' Neurosis" hat davon leider einige, Songs, die einfach nicht für den Mainstream geeignet sind, aber dennoch genug Metal, um hier Beachtung zu finden. Wer "Nations' Neurosis" oder WALTARI allgemein begegnet, sollte mit Vorsicht vorgehen: Diese Band könnte Türen öffnen, die in unerwartete musikalische Landschaften führen.
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Frank Jaeger