SOUNDGARDEN - Down On The Upside
Mehr über Soundgarden
- Genre:
- Alternative Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- A&M Records / Universal
- Release:
- 21.05.1996
- Pretty Noose
- Rhinosaur
- Zero Chance
- Dusty
- Ty Cobb
- Blow Up The Outside World
- Burden In My Hand
- Never Named
- Applebite
- Never The Machine Forever
- Tighter & Tighter
- No Attention
- Switch Opens
- Overfloater
- An Unkind
- Boot Camp
Ein letztes Meisterwerk vor dem Abschied.
Nach mehreren, teils noch ungeschlachten, teils bereits herrlichen Hardrocksongs auf den frühen Alben sowie dem stilistischen Erwachsenwerden mit dem Meisterstück "Superunknown" gehörten die Musiker von SOUNDGARDEN schließlich Mitte der Neunziger unangefochten zu den Superstars aus Seattles umtriebiger Rockszene.
Das Nachfolgealbum zu "Superunknown" mit dessen Megahit 'Black Hole Sun' (längst nicht der einzige, ja nicht einmal der beste Hit auf jenem Album) sah sich also hohen Erwartungen gegenüber. Mit Bravour gelang es SOUNDGARDEN, der Falle "Mehr vom gleichen Schlag, doch davon niemals genug" zu entgehen, ohne fanvergraulende stilistische Haken zu schlagen. Denn obschon der Opener von "Down On The Upside" Pessimisten noch die Möglichkeit offenließ, die Band könne opportunistisch vor den Erwartungen ihres mit "Superunknown" zahlreicher gewordenen Publikums eingeknickt sein, um fortan grungiger als je zuvor zu klingen, zeigt schon der durchweg muskulöse 'Rhinosaur', dass die Musiker 1996 mitnichten im bequemen Sich-einrichten in Trend-Schubladen zu verbringen gedachten.
Zwar konnte man nach dem Hören der ersten vier Songs auf "Down On The Upside" noch annehmen, die auf "Superunknown" erspielte, in Maßen auch experimentelle, stilistische Bandbreite von SOUNDGARDEN sei einer erneuten, möglicherweise selbstgefälligen Geradlinigkeit gewichen. Direkte Eingängigkeit bieten nämlich auch 'Zero Chance' und das federnde, optimistische 'Dusty'; 'Zero Chance', allerdings mit einer neuen Eleganz, die SOUNDGARDEN perfekt zu Gesicht steht, und welche die darob nicht zu schmälernde Eleganz eines zweifellos grandiosen älteren Songs wie 'The Day I Tried To Live' sogar noch übertrifft. Fast hätte man meinen können, die hier zutage tretende, perfekt aufpolierte Souveränität der Band sei zu Lasten ihres ursprünglichen Ungestüms und Hungers gegangen. Doch dann treibt einem das rotnackig voranpreschende 'Ty Cobb' mit seinem lean & mean country twang sowie mit blindwütiger Rasanz und gezielter Aggression flugs die Flausen aus.
Das einerseits lässig abgehangene, andererseits gefährlich weltmüde Stück 'Blow Up The Outside World' und auch das wiederum elegant in Szene gesetzte, nichtsdestotrotz wüstenhitzenspröde, aufreibende und doch rhythmisch vertrackte 'Burden In My Hand' sind beides Songs, deren Klasse man unterschätzen könnte, da sie so souverän und selbstverständlich daherkommen, als habe die Band sie mal eben backstage oder im Tourbus geschrieben. Doch nach Jahren treuer musikalischer Begleiterschaft ohne jegliche Abnutzungserscheinung haben sie sich nunmehr längst selbst geadelt. Und was Rhythmushalbgott Matt Cameron im vom Kollegen am Bass, Ben Shepherd, geschriebenen 'Never Named' abzieht, und wie Chris Cornell stimmlich darauf reitet, während Kim Thayil feurige Licks beisteuert, das ist ohnehin über jede Kritik erhaben.
Letztlich, und das gilt unbeschadet des gegenüber sämtlichen Vorgängeralben deutlich abgehangeneren Flairs von "Down On The Upside", ist das 1996er Album von SOUNDGARDEN das mit Abstand experimentellste der Bandgeschichte. Das mäandernde 'Applebite' etwa stellt in puncto Psychedelik locker in den Schatten, was das minimalistische 'Half' auf dem Vorgängeralbum allenfalls andeutete. Und das stets wie kurz vor dem Zerreißen angespannte 'Never The Machine Forever' knüpft nicht nur perfekt an den schwerst hungrigen, deutlich drahtigeren Prä-"Superunknown"-Sound der Band an, sondern treibt diesen sogar noch weiter voran, als gelte es um SOUNDGARDENs Existenz Willen, diesen früheren Sound unter wildem Verspritzen von salzigem Schweiß, metallisch schmeckendem Blut und bitteren Tränen unerbittlich zu Tode zu reiten.
Mit 'Tighter & Tighter' lieferte SOUNDGARDEN schließlich eine hart rockende Elegie sondergleichen ab, die sich im Rückblick als Abgesang auf die eigene Ära hören lässt, denn schließlich sollte sich "Down On The Upside" als letztes Album vor der Band-Auflösung erweisen - was eigentlich immer noch unfassbar ist, denn nach bereits voll verschossenem Pulver klingt diese fette Kreativtorte nun wirklich nicht! Mit "Down On The Upside" frisch im Gehör hätte ich dieser Band damals noch mindestens fünfzehn weitere Jahre im Geschäft wenn nicht gar in kontinuierlicher Rock-Vorreiterschaft prophezeit. Doch es hat nicht sollen sein.
Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob die struppige "don't give a fuck"-Abgrenzungsgeste von 'No Attention' und der abgeklärte hangover-Groove des darum nicht minder dynamischen Prachtstücks 'Switch Opens' bereits als Vorzeichen bandinterner Spannungen bzw. Resignation zu lesen waren, ob der mantraesk-depressive Sound des Cornell-Stückes 'Overfloater' vielleicht der Stimmungslage in SOUNDGARDEN geschuldet war, oder ob Shepherd die Zeilen "We see the vipers of distance / Crawl into our lives everyday" und "On the storm / It's time to go" im aufschürfenden 'An Unkind' auf die eigene Band münzte, denn Fakt ist, dass sein "Marching in lines of contradiction / Forgetting the history we make" genauso gut - ins Positive gewendet - die Essenz einer Band von Pionieren hätte ausdrücken können, die auf kompromisslose Weise aus Widersprüchen kreative Spannung erzeugt, ohne sich dabei zu fragen, was wohl die Vorväter dazu zu sagen gehabt hätten oder was die Nachwelt dereinst davon halten wird.
Denn nicht erst die sarkastische Abrechnung mit jeglichem Erwartungsdruck im finalen 'Boot Camp' stellte klar, dass SOUNDGARDEN sich anno 1996 von nichts und niemandem außerhalb der Band beschränken ließ, sondern nur eine künstlerische Direktive kannte: Weiter aufwärts!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Eike Schmitz