QUEENS OF THE STONE AGE - In Times New Roman...
Mehr über Queens Of The Stone Age
- Genre:
- Alternative Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Matador
- Release:
- 16.06.2023
- Obscenery
- Paper Machete
- Negative Space
- Time & Place
- Made To Parade
- Carnavoyeur
- What The Peephole Say
- Sicily
- Emotion Sickness
- Straight Jacket Fitting
Augenblicke eines echten Lebens.
Es ist endlich wieder soweit. Nach einer erneut ziemlich langen Pause erscheint neue Musik von Josh Homme und seinen QUEENS OF THE STONE AGE. Als Fan seit etwa zwanzig Jahren ist dies nichts anderes als ein Freudenfest, weiß man doch schon vor dem ersten Ton, dass Großes erwartet werden darf. Enttäuscht hat der Kalifornier ja noch nie. Gut, das ebenfalls ewig erwartete "Villains" war vielen nicht bissig genug, und die Intensität fiel im Vergleich zum Vorgänger "...Like Clockwork" ja auch tatsächlich ab, meine ich, aber begeistert war ich trotzdem. Sechs Jahre später erscheint nun endlich ein neues Album mit dem fantastischen Titel "In Times New Roman...".
Dass es mal wieder etwas länger gedauert hat, hat erneut seine Gründe. Viel ist passiert und wer Josh Homme schon etwas länger begleitet, weiß, dass man dies der Musik anhören wird. Entstanden Teile von "...Like Clockwork" unter dem Eindruck eines OP-bedingten Herzstillstands des charimsatischen Fronters, ist dies wenig im Vergleich zu dem, was Homme in den letzten Jahren widerfahren ist. Und dabei spreche ich nicht von den vor allem für Künstler harten Pandemieeinschränkungen ihrer Arbeit. Aber eins nach dem anderen.
Denn "In Times New Roman..." startet mit 'Obscenery' zunächst gewohnt rockig - ein etwas wirrer, aber dennoch mitsingbarer Refrain, hübsche Gitarrenarbeit und lyrisch ziemlich genial, was sich durch das ganze Album ziehen wird. Bis plötzlich ein Streichereinsatz den gesamten Groove aus der Bahn und düstere Schatten voraus wirft. 'Paper Machete' bricht dann recht breitwandig über uns her, erinnert in seiner Konsequenz an die weit zurückliegende "Rated R"-Herangehensweise. Textlich scheint Homme hier allerdings seine gescheiterte Beziehung, die in Sorgerechtstreitereien, mehreren Gerichtsverfahren und einstweiligen Verfügungen gipfelte, zu verarbeiten.
'Negative Space' ist da viel zurückhaltender. Wenngleich die Musik entspannter wirkt, der Text ist es nicht. Und so strömt dann der Chorus auch trotz seiner schönen Melodie irgendwie etwas Gruseliges, Bedrückendes aus. Das sehr abrupte Ende sorgt ebenfalls nicht unbedingt für Glücksgefühle. Auf der anderen Seite leitet es mit 'Time & Place' einen derart coolen Rocker ein, der wie eine Mischung aus "Era Vulgaris" und "...Like Clockwork" erscheint. Plötzlich scheint den Königinnen die Sonne aus dem Hintern. Dieser Eindruck verfliegt bei genauerem Hinhören allerdings ziemlich schnell. Denn die sehr gewählten Worte sprechen mal wieder eine andere Sprache. Und auch instrumental passiert hier deutlich mehr, als beim ersten Hören angenommen.
Noch mehr zurück in die vulgäre Ära führt uns 'Made To Parade' mit seinem sleazigen Groove und den verwirrten Zwischenklängen. Der bitterböse gesellschaftskritische Text wird dadurch noch mehr auf die Spitze getrieben. Und während man beim Anblick seiner Mitmenschen also schon mal alle Hoffnung verlieren kann, gibt es mit 'Carnavoyeur' auch gleich ein Rezept, wie mit Hoffnungslosigkeit umzugehen ist: "When there’s nothing l can do, I smile". Für mich ein Schlüsselsatz des Albums. Homme erkrankte letztes Jahr an Krebs auf dem Höhepunkt der schon genannten Sorgerechtstreitigkeiten. Und wenngleich beides für Homme positiv ausgegegangen zu sein scheint, wenn man sich nur mal in diese Situation hineinversetzt, dann ist dieser Song ein verdammtes Meisterwerk. Der Text, der Groove, die Melodien, die himmlische Auflösung zum Ende hin und das tatsächliche knallharte Ende - das ist alles so dermaßen gut und so nah, dass ich schon kurz davor bin, meine Jahresbestenliste hier in diesem Augenblick aufzustellen.
Aber nein, das Album (und das Jahr) ist ja noch längst nicht vorbei. 'What The Peephole Say' glänzt mal wieder besonders glitzernd, wenn man den Text nebenbei liest (ihr erkennt ein Muster?). Nach den überlebten Erlebnissen zieht Homme eine klare Konsequenz: "No time in life for shit"! Das Leben ist zu kurz für Dinge, die uns nicht voran bringen und für Menschen, die zu jedem Thema ihre Schnauze aufmachen müssen. Erneut ein verdammt cooles Stück Rockmusik. 'Sicily' besticht anschließend zunächst durch Michael Shumans Bassspiel, bevor es so richtig dramatisch wird. Die QUEENS OF THE STONE AGE spielen schon immer mit den Strukturen und dem Dekonstruieren von Rockmusik, mit verschiedenen Klängen und Einflüssen, dieser erotische und epische Song ist dafür ein perfektes Beispiel.
Zum Ende hin wurde mit 'Emotion Sickness' noch ein feiner Hit platziert. Auch hier gibt's wieder einige "Era Vulgaris"-Reminiszenzen, die in einem einschmeichelnden Ohrwurm münden. Erneut geht es um den Genuss des Moments und darum Dinge im Hier und Jetzt anzupacken. Zu guter Letzt gibt es mit 'Straight Jacket Fitting' noch einen neunminütigen Longtrack, der (gut geraten!) durch Wortspielereien besticht und der musikalisch teils an "Songs For The Deaf" erinnert, aber auch hier dekonstruiert, durch Streicher gestört und auf anderen Ebenen gehoben.
Josh Homme sucht sich mit seinen QUEENS OF THE STONE AGE einzelne Augenblicke des Lebens und pinselt daraus wundersame Bilder in Rockmusikfarben. Was für ein Glück für uns, dass Hommes Leben so spannend ist. Das dürfte der wohl anders sehen, aber so werden uns immer wieder Meisterwerke präsentiert, auf die wir dann auch gerne länger warten. Rein lyrisch ist es wohl das stärkste Werk in Hommes Karriere. Musikalisch ist das nicht ganz so offensichtlich. Viele Songs möchten etwas erarbeitet werden, es ist bisweilen sehr schwerer Stoff ohne viel Pop-Appeal, weshalb der Einstieg nicht so leicht gerät. Nach ein paar Umdrehungen aber ist man voll drin im Groove und der bedrückenden Stimmung. Ich bin gespannt, wie sich das weiter entwickelt. Eventuell gibt's dann in ein paar Wochen noch einen halben Punkt mehr.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Marius Luehring