NINE INCH NAILS - With Teeth
Mehr über Nine Inch Nails
- Genre:
- Industrial Rock
- Label:
- Interscope / Universal
- Release:
- 02.05.2005
- All the Love In The World
- You Know What You Are?
- The Collector
- The Hand That Feeds
- Love is Not Enough
- Every Day is Exactly the Same
- With Teeth
- Only
- Getting Smaller
- Sunspots
- The Line Begins to Blur
- Beside You in Time
- Right Where It Belongs
13 Jahre sind vergangen, seit Trent Reznor seiner Hörerschaft zum zweiten Male NINE INCH NAILS unter die Haut trieb und mit der "Broken"-EP einen kompakten Klumpen industriell zusammengerockten Hasses auswarf - um nicht zu sagen: der Musikwelt vor die Füße kotzte.
13 Jahre sind vergangen, und zum zweiten Male jagt sich der Rezensent ein Werk aus der Schmiede der NINE INCH NAILS unter die Haut.
Der unbändige Hass und die halbfertige musikalische Attitüde haben den Weg in Superstarstatus und professionelle Produktion gefunden. Doch die Spannung ist nach wie vor da. Die ganze Platte steht unter Spannung, auch wenn sie nun so blank poliert daherkommt wie Glas. Glas als Metapher scheint es überhaupt zu treffen: hart, transparent, glatt, undurchdringlich, ganz und gar Oberfläche. Wer ins Innere vordringen will, muss zerstören, muss vorsichtig bohren oder zerschlagen. Man sollte sich nicht anmaßen, Trent Reznor verstanden zu haben, denn sonst könnte man sich schneiden. Piano und zerbrechlicher Gesang streicheln mit gläserner Klinge über die Halsschlagader und träumen eifersüchtig von dem, was ihnen unerreichbar scheint: 'All The Love In The World'. Wie oft schlägt Liebe ins Gegenteil um? Wie leicht schüchterne Zurückhaltung in kalten Hass? 'You Know What You Are?' schleudert die Splitter ins Gesicht des Gegenübers. Die Splitter, die auch in panzerglasdicken Stadion-Rock-Monolithen wie 'The Collector' immer schon mitgedacht werden müssen. Denn diese Platte steht unter Spannung wie die gefrorene Oberfläche eines tiefen Gewässers, auf der ein Elefant steht. Dieser Elefant aber trägt einen Kampfanzug. Die Stampede folgt: 'The Hand That Feeds' rasselt so dreckig wie weiland die Hardrocker von ZODIAC MINDWARP, als sie "One More Knife" forderten. One more nail in your coffin. Diesmal allerdings mit Akkuschrauber. Zeitgemäßer Sound, aber nicht hypermodern. Built to last. Nineties Rave Rock forever. Das könnte glatt von PRIMAL SCREAM stammen, die sich an Reznor messen lassen mussten. Überhaupt müsste sich diese ganze gottverdammte Dreckswelt an ihm messen lassen, wenn es bloß nach ihm ginge. Der Rockdiktator kraft eigenen Egos bläst rot glühende, blasenwerfende Monsterkristallglasblöcke zu morbiden Industrialrockkugeln von makelloser Perfektion auf, dass es einem Epigonen wie MARILYN MANSON darob die Tränen in die Augen treiben müsste. Maßlosigkeit par excellence: 'Love Is Not Enough'. Die Fanatiker werden es lieben und ihm huldigen. Dass Reznors Fans fanatischer als der Rest sind, dürfte durch einen Besuch einschlägiger us-amerikanischer Websites schneller belegt sein, als man neun Nägel in den Terminkalender schlagen kann, um die vertane Zeit des letzten depressiven Schubs aus dem Gedächtnis zu radieren. Auch wenn sie immer mehr werden, so fühlen sie sich doch als Indie-Elite und scheißen auf den Rest der Welt. 'Everyday Is Exactly The Same' kleckert nicht, sondern klotzt: Schleppende Pianozeilen winden sich aus einem zwingenden 16-Tonnen-Block Percussion und dem darin eingeschlossenen basslastigen Saitenschlaglabyrinth. »There is no love here, and there is no pain«, scheint Trent trösten zu wollen, doch die gequälte Stimme und die wirr auf dem Amboss des unerbittlichen Beats aufeinandergeschichteten Riffs strafen diese Worte Lügen. Stumpf mag er sein, der Schmerz, aber er ist gewiss noch zu spüren. Masochismusmucke ist auch das wuchtige Industrial-Doom-Stück, welches dieser Seelenschlachtplatte ihren Namen gibt: 'With Teeth' stellt klar, dass die Nails noch längst keinen Rost angesetzt haben, sondern immer noch stählern zubeißen können.
Die zweite Hälfte des Albums vermag es, die nunmehr etablierte Qualität zu halten und in Variationen ähnlicher Muster fortzusetzen: Da finden sich das verlorene 'Only', das selbstzerstörerische 'Getting Smaller', die zwingend pulsierenden 'Sunspots' mit ihrer MONSTERMAGNETisch ausgewalzten Steigerung, ein böser Verzerrer-Trip namens 'The Line Begins To Blur' mit PLACEBO-ähnlicher Elektronikuntermalung, die Beinahe-Ballade 'Beside You In Time' und der melancholische Abgesang 'Right Where It Belongs'. Als Bonustrack folgt im Digipak noch der Ausklang 'Home'.
Fazit: Das Album "With Teeth" bietet durch und durch professionellen Megarock: monolithisch, pumpend, pochend, durchtrieben, zäh, fies, kraftvoll, durchweg offensiv und meist auch ziemlich breitspurig; allerdings auch ausgefeilt, durchproduziert und - mit einigen Abstrichen (Reibungsverluste gibt es immer, und wo grob gehobelt wird, da fallen auch zahlreich Späne) - mainstreamtauglich.
Kurzum: Trent Reznor hat alles genau richtig gemacht. Und wenn die gottverdammte Welt das immer noch nicht einsehen mag, dann trägt das nur zur Festigung seines Weltbilds bei. Die wahren Fans werden es ihm danken.
Anspieltipps: The Collector, Everyday Is Exactly The Same, With Teeth, Beside You In Time.
- Redakteur:
- Eike Schmitz