KHEMMIS - Deceiver
Auch im Soundcheck: Soundcheck 11/2021
Mehr über Khemmis
- Genre:
- Doom Metal
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Nuclear Blast (Warner)
- Release:
- 19.11.2021
- Avernal Gate
- House Of Cadmus
- Living Pyre
- Shroud Of Lethe
- Obsidian Crown
- The Astral Road
Eine schwer zu öffnende Schatztruhe, gefüllt mit doomigen Kostbarkeiten.
"Schwer zu öffnen" deshalb, weil für mich eine enorme Anzahl an Durchläufen vonnöten war, bis die Lieder des Albums im Gedächtnis hängen blieben.
Das hier ein interessantes Album vorlag, war sofort klar. Um solches zu verkennen ist KHEMMIS spielerisch einfach zu gut, die Musik zu ansprechend für einen Metalhead wie mich, der komplexere Stil-Collagen mag. Dennoch brauchte ich wirklich lange, bis ich das Ineinanderfließen einzelner Songteile und die von KHEMMIS über dem Soundfundament ihres Doom-Metals miteinander verwobenen Stilistiken samt all ihrer Merkmale als Einheit hören und genießen konnte.
Die Jungs aus Denver im US-Bundesstaat Colorado wurden von mir erstmals bei ihrem umjubelten Aufritt während des "Hammer of Doom-Festival-XIV" im Jahr 2019 wahrgenommen. Damals ging es mir im nachträglichen Übertrag vom Hören des aktuellen Albums zur Wahrnehmung des Auftritts genauso: Gut gespielt, qualitativ eine klare Sache, aber die wirkliche Begeisterung blieb bei mir nach nur einem Konzert zunächst aus. Daher war ich gespannt, was der neue Tonträger "Deceiver" bei mir bewerkstelligen würde.
Das mittlerweile fünfte Album der Band startet furios mit 'Avernal Gate'. Ein sehr feines von einer Akustikgitarre gespieltes Intro leitet einen markanten Heavy–Part ein, der eine schwerfällige, aber wunderbare Gesangsmelodie mit sich bringt. Der Klargesang von Phil Pendergast ist wirklich vorzüglich, jedoch, wie bereits ausführlich angedeutet, sind die Melodien zu komplex, zu feingliedrig um gleich bei den ersten Durchläufen haften zu bleiben. Der Song klingt mit sich verwirbelnden Stilistiken aus, und auch Black Metal schimmert anhand der fauchenden Growls nun zum ersten Mal hindurch.
'House Of Cadmus' findet sich recht schnell in einer getragenen Melodie wieder, die in einem sehr doomig-schläfrigen Walzer-Rhythmus (!) gespielt wird, wenn man genau hinhört, jedenfalls passt Walzer darauf. In der Mitte überwiegen schwere Sludge- und Black Metal-Elemente, stets getragen von klassischen Heavy-Gitarren-Leads, gespielt von Ben Hutcherson und Phil Pendergast bis hin zum leisen Ausklang. Die rhythmische Feinarbeit leisten bei KHEMMIS Zach Coleman am Schlagzeug sowie Daniel Beiers am Bass.
'Living Pyre', die erste Single, ist neben 'Obsidian Crown' der am einfachsten strukturierte und somit eingängigste Song des Albums und hat durch die, mit schönen Gesangsharmonien veredelte Melodie eine enorme Strahlkraft, die sogar durch die ab der Hälfte des Songs einsetzenden Growls nicht aufgehoben wird. Wieder kann man über die tolle Leadgitarre staunen und sich darüber freuen, wie gut das alles letzten Endes klanglich und stilistisch doch zusammenpasst.
Eine sanft melancholische Stimmung erfasst den Hörer zu Beginn von 'Shroud of Lethe', bis ein wuchtiges Riff den knapp achteinhalbminütigen Song voranbringt. Das sperrigste Lied des Albums eröffnet sich mir vor allem durch die klar vorgetragene Gesangsmelodie im Mittelteil, deren Glanz durch tiefes Growlen von Ben Hutcherson jäh abgedämpft wird.
Ein weiteres Mal wird man beim nächsten Lied durch einen klassischen Metal-Part angefixt, der sich in langsamen, doomigen Strukturen verliert, die eine tolle Melodie tragen dürfen. Am Ende erfolgt in 'Obsidian Crown' wieder das Wechselspiel der beiden unterschiedlichen Gesangsarten.
Für mich persönlich steht der Höhepunkt der Scheibe an sechster und somit letzter Stelle: 'The Astral Road' hat alles, was einen epischen Metal-Song ausmacht. Der Knaller ist aber das Hauptriff, das die abermals großartig gesungene Melodie in einen kurzen Doom-Part geleitet, bevor die Band einen in ihrem Riff-, Melodien- und Ideenwirbel geradezu schwindlig spielt. Und dies geschieht verblüffender Weise in überwiegend eher gemächlicher Rhythmik, ganz wie es das Genre vorgibt.
"Deceiver" von KHEMMIS hat mich zuguterletzt doch noch gepackt. Neben dem letzten Lied gefallen mir die ersten beiden Songs 'Avernal Gate' und 'House of Cadmus' am besten. Das Album wächst inzwischen mit jedem Durchlauf, weshalb ich noch gar nicht genau sagen kann, welchen Stellenwert es demnächst bei mir einnehmen wird. Ich spreche aber guten Gewissens einen Kauftipp für alle Doomster, Epic Metal- sowie Heavy Metal-Fans aus, die hörtechnisch gerne auch mal schwelgerisch in diverse andere Stilistiken wie Alternative, Sludge oder auch Black Metal abdriften.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Timo Reiser