KADAVAR (DE) - I Just Want To Be A Sound
Mehr über Kadavar (DE)
- Genre:
- Retro Rock / Pop
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Clouds Hill
- Release:
- 16.05.2025
- I Just Want To Be A Sound
- Hysteria
- Regeneration
- Let Me Be A Shadow
- Sunday Mornings
- Scar On My Guitar
- Strange Thoughts
- Truth
- Star
- Until The End
Kompletter Kurswechsel ohne Scheuklappen.
Lange Jahre waren die Berliner KADAVAR eine hiesige Institution, wenn es um fuzzigen und leicht psychedelisch angehauchten Rock ging. Zahlreiche Alben wie "Berlin" oder "Rough Times" waren gespickt mit Höhepunkten und machten das Trio zu einer festen Größe der Retro-Rock-Szene. Doch mit dem letzten Langdreher "The Isolation Tapes" hielt der Wandel im Hause KADAVAR Einzug. Inzwischen ist die Band durch Gitarrist Jascha Kreft zum Quartett gewachsen und auch musikalisch hat man jegliche Scheuklappen abgelegt, sodass man 2020 teilweise nicht einmal sicher war, ob hier wirklich KADAVAR im Player rotierte. Ob diese Entwicklung wohl nun mit dem neuen Langdreher "I Just Want To Be A Sound" weitergeht?
Nun, der Pressetext zum neuen Album lässt schon einmal nichts Gutes hoffen für Fans, die sich eine Rückkehr zum fuzzigen Rock gewünscht haben. Laut eigener Aussage betrachtet die Band selbst die Scheibe nämlich als Reboot, bei dem nichts heilig ist und die musikalischen Grenzen endgültig abgelegt werden. Ich bin geneigt, diese Aussage zu unterschreiben, denn der eröffnende Titeltrack ist sicher vieles, aber auf jeden Fall kein klassischer KADAVAR-Track. Statt die fuzzigen Riffs nämlich in den Vordergrund zu stellen, zelebrieren die Berliner einen eigentümlichen Mix aus modernem Pop, den Synthesizer-Spielerein der THE WHO-Ära um "Who's Next" herum und Alternative Rock mit deutlicher Siebziger-Schlagseite. Was dabei herauskommt, ist ein durchaus cooler Track mit einem feinen Chorus, der mich irgendwie teilweise sogar an ABBA denken lässt und mir einen dauerhaften Ohrwurm einpflanzt. 'Hysteria' vereint dagegen an zweiter Stelle der Trackliste traditionelle Fuzz-Gitarren mit dem Bass-Groove diverser MUSE-Hits, was stilistisch nicht minder überraschend ist, ähnlich wie der Opener aber für sich betrachtet sogar gut funktioniert.
Auch in der Folge muss man sich als Zuhörender auf massive und teils schlagartige musikalische Richtungswechsel einstellen, denn auch wenn "I Just Want To Be A Sound" insgesamt schon wie aus einem Guss klingt, wird selten einmal eine stilistische Linie konsequent durchgezogen. So stehen dann psychedelische Siebziger-Ausflüge wie 'Regeneration' gleichberechtigt neben modernen Pop-Alternative-Nummern wie 'Let Me Be A Shadow'. Hat man sich gerade einmal halbwegs an den reduzierten Einsatz der Gitarren gewöhnt, streicht der Vierer sie für die Synth-Pop-Nummer 'Strange Thoughts' gleich einmal komplett, um im DEPECHE MODE-Fahrwasser mit deutlich fröhlicherem Grundton zu schwimmen. Gemein haben die Songs des Langspielers so eigentlich nur die Tatsache, dass die Jungs in ihren klanglichen Experimenten immer wieder viele spannende Ideen und durchaus starke Hooks unterbringen, sodass man sich trotz des musikalischen Chaos immer ganz gut aufgehoben fühlt und zumindest nicht den roten Faden verliert. Und ja, ein paar potentielle Hits hat "I Just Want To Be A Sound" auch im Gepäck, wobei dank des kommerziellen Sounds sogar das Mainstream-Radio ins Visier genommen werden könnte.
In seiner Gesamtheit stellt mich das Album dann aber doch irgendwie vor ein Problem: Wie soll man eine so grenzenlose Liebeserklärung an die gesamte Musikhistorie der Dekaden zwischen 1970 und 1990 bewerten? Nehme ich die Fanbrille einmal ab, dann ist "I Just Want To Be A Sound" ein durchaus gelungenes Album mit schönen Hooklines, das zwar das Absetzen jeglicher Scheuklappen verlangt, dafür aber mit vielen tollen Momenten belohnt.
Trotzdem nagt in meinem Hinterkopf die schwer zu ignorierende Stimme des KADAVAR-Fans, die an jeder musikalischen Wendung auf die glorreiche Retro-Rock-Walze hofft, welche die Band erst auf mein Radar gehievt hat. Bekommen tut man diese hier allerdings nicht, weshalb ich euch auch nur dringend raten kann, den Silberling vor dem Kauf ausgiebig anzutesten. Ob ihr die musikalische Veränderung nämlich mögt, könnt ihr am Ende nur selbst herausfinden. Ich selbst tue mich bei allem Respekt für die musikalische Leistung auch nach vielen Durchläufen schwer mit dem Album, weshalb ich nur auf sieben Zähler komme.
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Tobias Dahs