IHSAHN - After
Auch im Soundcheck: Soundcheck 01/2010
Mehr über Ihsahn
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Candlelight/Soulfood
- Release:
- 22.01.2010
- The Barren Lands
- A Grave Inversed
- After
- Frozen Lakes On Mars
- Undercurrent
- Austere
- Heavens Black Sea
- On the Shores
Ein sehr schönes Album, das eher zehn Prog-Extremisten mit Ader fürs Abgedrehte anspricht als auch nur einen Schwarzmetallpuristen.
Mit seinem dritten Soloalbum geht der einstige EMPEROR-Frontmann weiter eigene und eigenwillige Wege, die mit Black Metal sicher unzureichend, wenn nicht gar unzutreffend beschrieben sind. Dennoch, auch seine ehemalige Stammband hatte sich zuletzt weit vom traditionellen Black Metal der eigenen Frühzeit entfernt, und so sind doch nach wie vor Parallelen zwischen dem Spätwerk der Imperatoren und dem Soloschaffen des Vegard Sverre Tveitan wahrzunehmen. Diese finden sich zum einen im rauen Gesang des Protagonisten und ebenso in den progressiven Arrangements und der vertrackten Rhythmik. Allerdings ist Ihsahn schon von Beginn seiner Solokarriere an zugänglicher geworden, als EMPEROR dies auf "Prometheus" war.
Den Eindruck der Zugänglichkeit erweckt zunächst auch "After". So ist der Einstieg in den Drittling mit 'The Barren Lands' verhältnismäßig entspannt. Ihsahn lässt gar einige cleane Vocals erklingen, die dem Hörer Halt geben. Mit 'A Grave Inversed' folgt jedoch die erste Geduldsprobe auf dem Fuß. Ein Riffinferno mit einer Armada von Breaks, das bei den ersten Durchläufen nur den Eindruck der aggressiven Kakophonie hinterlässt, braucht einiges an Zeit, bis es einen roten Faden erkennen lässt. Die massiven, jazzigen Saxophon-Einschübe erleichtern dieses Unterfangen kaum, zumal ein schnell gespieltes Saxophon schon auch mal stressig sein kann. Dafür gönnt Ihsahn seinem Publikum direkt im Anschluss eine Erholungspause mit dem sehr zurück gelehnten Titelstück, das in der ersten Hälfte mit klarer Stimme gesungen ist und sich sehr atmosphärisch gibt. Es lässt die Akkorde ausklingen und wird erst ab dem in der Mitte angeordneten rhythmischen Perkussionspart härter und schroffer. Hier kommt dann auch Ihsahns garstige Stimme zum Zuge, die jedoch nichts am melodischen und eingängigen Charakter des Stückes ändert, das auch über einen prägnanten Refrain verfügt.
Das nächste Highlight folgt auf dem Fuß, namentlich 'Frozen Lakes On Mars', das noch am ehesten schwarzmetallische EMPEROR-Züge trägt, selbstredend nicht ohne die spätestens seit Ende der Neunziger untrennbar mit Ihsahn verbundene progressive Note, die sich erneut in der eigenwilligen Rhythmik und zudem im fliehenden Keyboard-Segment im Mittelteil manifestiert. 'Undercurrent' beginnt im Stile eine psychedelischen Halbballade, steigert sich jedoch ebenfalls ab der Hälfte und wird komplex und massiv; auch hier taucht das Saxophon wieder auf und rückt in den Mittelpunkt - es wirkt allerdings weniger anstrengend und fremd als noch bei 'A Grave Inversed' - insgesamt jedoch auch ein komplexes, psychedelisches Stück mit einem langen, vielschichtigen und raumgreifenden Ausklang. Eine gehörige Space-Rock-Schlagseite hat auch das etwas beschaulichere, aber dennoch dynamische 'Austere' abbekommen, während 'Heaven's Black Sea' mit großartigen Melodien glänzt und in seiner Gesamtheit absolut zwingend ist.
Mit dem abschließend völlig entrückten und verträumten Zehnminüter 'On The Shores' wird schließlich klar, dass sich Ihsahn einmal mehr ein paar Schritte weiter von EMPEROR und vom Black Metal in seiner ursprünglichen Form entfernt hat. Doch wer etwas anderes erwartet hat, der ist ohnehin ein Träumer. Dennoch, hier und da hört man noch sehr gut, wo der Musicus her kommt. Gerade der Fan späterer Werke der Vorgängerband wird häufig einen wohligen Schauer auf dem Rücken spüren. Vielmehr macht die Entwicklung von "The Adversary" über "angL" bis hin zu "After" sehr deutlich klar, warum die alte Band nicht mehr das richtige Format war, um Ihsahns musikalische Visionen zu verwirklichen. Spätestens mit der Massivität und der Art und Weise, wie hier das Saxophon eingesetzt wird, ist eine wie auch immer geartete schwarzmetallische Aura nicht mehr vereinbar. Schon gar nicht mit jener einer der in Sachen Stilprägung und Image einstmals tragenden Säulen der zweiten Black-Metal-Welle. Ein sehr schönes Album, das allerdings viel Geduld braucht und sicher eher Prog-Extremisten mit ausgeprägter Ader fürs Abgedrehte ansprechen dürfte, als überhaupt irgend einen Schwarzmetallpuristen. Auch für mich als langjährigen Anhänger des Schaffens Ihsahns ist es eher wieder ein Entfernen als eine Annäherung. Dennoch ist "After" stark, wenn auch nicht so stark wie die beiden Vorgänger. Vorheriges Reinhören ist daher dringend anzuraten.
Anspieltipps: Heaven's Black Sea, After, The Barren Lands, Frozen Lakes On Mars
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle