GLUECIFER - Soaring With Eagles At Night To Rise With The Pigs In The Morning
Mehr über Gluecifer
- Genre:
- Schweinerock
- Label:
- White Jazz / Deaf & Dum / Soulfood
- Release:
- 14.10.2004
- Bossheaded
- Go Away Man
- The Year Of Manly Living
- Get The Horn
- Critical Minute
- Silver Wings
- Lord Of The Dusk
- Deadend Beat
- Clean Gone Mean
- Heart Of A Bad Machine
- Gimme Solid Gold
Rock 'n' Roll. ROCK. Hardrock.
Tjoh, die Begriffverwirrung wird immer schlimmer, je mehr Substile ihre eigenen Aufkleber bekommen. Aber es gibt ja durchaus Gegenmittel, die zurück zum Wesentlichen führen. Wer wie ich in den musikgeschmacklich prägenden Jahren eine eher metallastige Sozialisation durchlaufen hat, wird da in jedem Fall eher zum jeweils härteren Stoff der jeweiligen Genres tendieren. Paradebeispiele nach meinem Geschmack sind für die obigen Schlagworte jedenfalls: LITTLE RICHARD, GLUECIFER und DEEP PURPLE.
Ersterer, weil er einfach schärfer, heißer, schneller, wilder war als der Rest der Pioniere - und dennoch rollte wie ein Rollmops beim Kegeln. Außerdem hatte er ein Klavier am Start, und das finde ich einfach verdammt cool.
Letztere, weil sie mit "In Rock" ein experimentelles Monument sondergleichen rausgerotzt und sich danach irgendwann in genau dem breit ausgewalzten, selbst geprägten und selbstbezogenen Stil fest und später fast zu Tode gespielt haben, den sie nie mehr ablegen würden. Außerdem hatten sie bei allem Pathos und Großgetue, das zweifelsohne dazugehört, immer auch Rock-'n'-Roll- und Blues-Bezüge mit drin sowie eine verdammt coole Orgel am Start.
Tja, und mittendrin siedele ich dann anachronistischerweise die jüngste Band der drei an: GLUECIFER.
Warum? Nun, weil die Typen einfach Eier haben. Sie stellten sich hin und spielten dreckigen, lauten Rock, so als hätte es eine immer weiter kultivierte und dann irgendwann auch gemäßigt gewordene Hardrock-Kultur nie gegeben, so als ständen sie kurz davor, ihn selbst zu erfinden, weil ihnen der Rock 'n' Roll - egal wie heiß brennend und schnell blitzend er auch gespielt ist - einfach nicht mehr ausreicht. Dabei verzichteten sie allerdings auf all die Manierismen des Hardrock, ebenso wie auf die Attitüde des Punks; und dennoch sind da diese Ansätze, und dennoch ist da dieses letzte Zucken des Roll im Rock.
Denkt euch MOTÖRHEAD ohne Metal, denkt euch MANDO DIAO auf hart, denkt euch LITTLE RICHARD in einer abgerissenen Jeansjacke, MONSTER MAGNET ohne Psychedelica oder ZODIAC MINDWARP auf Speed. GLUECIFER waren die Schweinepriester des Cockrock, denen es scheißegal war, ob sie jahrelang im Schatten von HELLACOPTERS und TURBONEGRO standen, in ihrer eigenen Welt waren sie die Kings of Rock. Und gerockt, Teufel noch mal, das haben sie.
Vermutlich reicht es völlig aus, ein GLUECIFER-Album zu besitzen. Dieses hier ist nun mal meins geworden, und ich kam dazu wie die sturzbetrunkene Jungfrau in Roskilde zum Kind. Irgendein Rezensent protzte mit seinen neuesten Klamotten, und ich kleiner Hüpfer dachte mir sofort: Geil! Haben wollen!
Kein Wunder, stand es doch da in seiner vollen Pracht mit dem mächtig prangenden Stern auf dem Großstadtcover und verhieß einem schwächlichen Kleinstadtjungen eine fette Ladung No-Bullshit-Rock ohne Rücksicht auf Verluste.
Der Albumtitel gab mir den Rest: "Soaring With Eagles At Night To Rise With The Pigs In The Morning". Ich bitte euch!
Alles sprach dafür, es hier mit einem völlig größenwahnsinnigen, sich selbst überschätzenden, in Punkass-Riffs versinkenden Möchtegern-OASIS-Klon zu tun zu haben, und doch schlug ich ohne mit der Wimper zu zucken zu. Um es sogleich zu bereuen. Denn GLUECIFER nahmen wirklich keine Rücksicht auf Verluste. Dreckiger, schneller, prügelnder, dosenbiersaufender Rock ohne Schliff, ohne Gimmicks, ohne Eingängigkeit schallte aus den Boxen, und ich musste erst mal schlucken.
Irgendwann nach dreißigmal wundgeschürften, blutenden Ohren, Schwellungen und blank geschmirgelten Schorfstellen hatte sich das Teil dann aber doch noch selbst ins Hirn gepustet und begann zu wirken. Was soll ich sagen, die Scheibe ist ein Virus. Ich kann sie wochenlang, monatelang in einer dunklen Ecke liegen haben, und plötzlich bricht er wieder aus; dann kann ich nicht anders, dann heißt es ab in den Player damit und die Haare geschüttelt. Hellyeah!
Nun haben sich GLUECIFER aufgelöst. Die Homepage ist gecrasht ob des Ansturms empörter, verstörter, verzweifelter, geschockter und trauriger Fans. Ich wollte ihnen eigentlich nur gratulieren.
Gratulieren dafür, dass sie für mich zur Ikone geworden sind.
Zur Ikone für den ROCK in Großbuchstaben.
Anspieltipps: The Year Of Manly Living, Silver Wings, Deadend Beat, Gimme Solid Gold
- Redakteur:
- Eike Schmitz