DIABLO SWING ORCHESTRA - No. 2: Sing Along Songs For The Damned & Delirious
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2009
Mehr über Diablo Swing Orchestra
- Genre:
- Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Ascendance/Soulfood
- Release:
- 18.09.2009
- A Tapdancer's Dilemma
- A Rancid Romance
- Lucy Fears The Morning Star
- Bedlam Sticks
- New World Widows
- Siberian Love Affairs
- Vodka Inferno
- Memoirs Of A Roadkill
- Ricerca Dell'Anima
- Stratosphere Serenade
Großartige, operettenhafte Revue über das Leben, den Teufel und Tänze im Delirium - unbedingt anhören!
Gründung: 2003. Erstes Album: "The Butcher's Ballroom", 2006. Neues Album: "Sing-Along Songs For The Damned And Delirious". Band: Zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, Klarinette, Cello, Sopran. Musik: Absolut ungewöhnlicher Stilmix aus Jazz, Swing, Rock, Surf, Oper und Metal.
Diese Fakten müssen reichen, mir brennt es unter den Nägeln, ich will die Musik dieses absolut außergewöhnlichen Sextetts endlich erleben. Nach dem überaus spannenden Ausflug in die Welt modernen Crossovers, ja, Avantgarde-Crossovers, nach "The Butcher's Ballroom", kommt nun also endlich der zweite Schlag dieser genialen Schlagsahne auf das gemischte Eis unserer Szene. Allein der Titel des Albums, "Sing-Along Songs For The Damned And Delirious", zeugt schon von der musikalischen Hybris dieser Platte, zeugt von dem immensen Spaß an musikalischen Verbindungslinien, wo es eigentlich gar kein Notenblatt gibt, um sie aufzeichnen zu können. Doch ganz im Gegensatz zur technischen Unmöglichkeit dieses Unterfangens in unserer normalen Welt klingt das Album wiederum dermaßen wie aus einem Guß, dass man sich schon fragen muss, aus welcher Welt diese Musiker eigentlich stammen?
Doch auch darauf gibt die Musik vom DIABLO SWING ORCHESTRA eine legitime Antwort: Aus der operettenhaften Welt der Revues, des musikalischen Theaters, der skurrilen Welt verrauchter Spelunken mit grob gezimmerten Bühnen, der rauschenden und überbordenden Welt eines Pariser Cabarets. Diese eigene Welt erlaubt vieles – und ermöglicht noch mehr. Die Grundlage der Band zu suchen wäre nicht nur unmöglich, sondern auch völlig falsch im Ansatz: d:s:o spielen nicht Metal mit Einflüssen aus anderen Musikarten, sondern entführen den Hörer für knapp 50 Minuten in eine Welt der Maskerade, der entblößten Brüste, der farbenfrohen Schminke, des Weins, der Erotik, der intensiven Gefühle, der coolen Gangster wie der melancholischen Clowns, ja, wenn auf dem Artwork ein Karussell abgebildet ist, so ist das eine tolle Analogie: Jahrmarkt, treibendes Fest, mystischer Ort und Kindheitsfantasie in einem – all das ist oder kann das Orchester sein.
'Lucy Fears The Morning Star' mit seinem Marsch durch die Manege, der zuerst durch Bläser dominiert wird, während sich im zweiten Teil die Gitarre nach vorne kämpft und das Feld der Artisten und Wagemutigen durchpflügt, ist ein starker Song, der möglicherweise am ehesten an die Vorgänger-Platte erinnert – und wenn am Schluss alles in einem abgefahrenen Salsa-Part kulminiert wird, so spricht das nur für die Genialität dieser Komposition. Im Allgemeinen wurde der Metall-Faktor ein wenig zurückgeschraubt, der Kreisel, den das d:s:o darstellt, zieht seine Bahnen nun fast noch großflächiger durch den musikalischen Fundus der menschlichen Kultur. Nein, trotz musikalischer Eskapaden in den Swing der Zwanziger Jahre wie in 'A Tapdancer's Dilema' oder in dem Gangster- und Kanonensong 'Memoirs Of A Roadkill', dem russischen Taiga-Song 'Vodka Inferno', der sibirischen Folklore-Nummer 'Siberian Love Affairs', der schweinecoolen Beach- und Surf-Rock-Nummer 'Ricerca Dell'anima' oder der spanisch anmutenden Liebesgeschichte mit Haken 'A Rancid Romance' lässt sich ein gereiftes DIABLO SWING ORCHESTRA jederzeit wiederfinden.
Fazit: Das Orchester definiert sich mit "Sing-Along Songs For The Damned And Delirious" nicht neu – unabhängig davon, dass das abslout gut so ist – wechselt möglicherweise den Dirigenten, sucht sich neue Stücke, zerreißt die Partitur klassischer Spießer und erschafft, schmiedet, ach was: paktiert mit dem Geige-spielenden Teufel höchstselbst, verkauft seine Seele zum zweiten Mal und erschafft nun endlich dadurch eine großartige Platte, die den Vorgänger eben nicht in den Schatten stellt, sondern vielmehr die erreichte Qualität bereichert, in ein neues Gewand überführt und den furiosen Maskenball, für den das DIABLO SWING ORCHESTRA bislang sowieso schon stand, um bizarre und kuriose Tanzschritte, um exotische Maskeraden und noch mehr diabolischen Witz erweitert.
Anspieltipps: Lucy Fears The Morning Star, A Tapdancer's Dilema, Memoirs Of A Roadkill, und der Rest
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Julian Rohrer