CRADLE OF FILTH - Darkly,Darkly,Venus Aversa
Mehr über Cradle Of Filth
- Genre:
- Black Metal / Gothic Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Peaceville / Edel
- Release:
- 29.10.2010
- The Cult Of Venus Aversa
- One Foul Step From The Abyss
- The Nun With The Astral Habit
- Retreat Of The Sacred Heart
- The Persecution Song
- Deceiving Eyes
- Lilith Immaculate
- The Spawn Of Love And War
- Harlot On A Pedestral
- Forgive Me Father (I Have Sinned)
- Beyond Eleventh Hour
Vollbedienung für Freunde des theatralischen Bombasts und der finsteren Romantik.
Die Mutmaßung, dass es sich bei CRADLE OF FILTH um die erfolgreichste englische Metalband seit den großen Helden der Siebziger und Achtziger handelt, dürfte kaum ernsthaft bestritten werden. Trotzdem, oder wohl eher genau deshalb, ist die Band alles andere als unumstritten. Gerade in der Black Metal-Szene, aus welcher die Band einst kam, lässt kaum jemand ein gutes Haar an Dani Filth und seiner Truppe. Zu theatralisch, zu kitschig, zu gotisch, zu schnulzig, zu wenig grimmig, zu kommerziell ... die Reihe der Vorwürfe ließe sich endlos fortsetzen. Doch letztlich scheint ein Kompromiss dergestalt gefunden zu sein, dass Band und Fans einerseits wunderbar ohne das Placet des schwarzmetallischen Untergrunds leben können, und andererseits eben jener CRADLE OF FILTH per definitionem aus dem Black Metal heraus zu nehmen pflegt und sich deshalb weder für die Band interessieren noch über sie aufzuregen braucht.
Auch für mich, lange Zeit durchaus gefangen in den Vorurteilen des Schwarzgrundes, war die britische Band zwar nie ein Feindbild, doch war ich immer der Meinung, mich nicht für sie interessieren zu müssen. Obwohl mir die bekannten Songs und gelegentlichen Hörproben durchaus gefallen haben. Auf Anregung einiger Bekannter gab ich mir dann vor einigen Monaten endlich den Ruck, doch noch intensiveren Kontakt zum Schaffen der Schwarzromantiker aufzunehmen, und da kommt mir die neue Scheibe "Darkly, Darkly, Venus Aversa" gerade recht. Schon mit den einleitenden Cembalo-Klängen und der hinzu tretenden weiblichen Erzähler-Stimme des eröffnenden 'The Cult Of Venus Aversa' erzeugt die Band nämlich eine greifbar dichte Atmosphäre und lädt den Hörer ein, ihr in eine finstere, dunkle und doch von bizarrer Anmut durchwirkte Welt zu folgen. Hauptakteur Dani spielt dabei gleich mehrere Rollen: Die des Erzählers mit finster gesprochenen Zeilen, die der Dämonen mit abysmalen Growls und kurzen spitzen Schreien, und die des Protagonisten mit seinem "normalen" Gesang, der sich weit seltener als früher in den extrem hohen und schrillen Keifregionen bewegt, was einen oft geäußerten Kritikpunkt mancher Hörer weitestgehend erledigen sollte.
Auch im Folgenden ziehen die Briten ein Ass nach dem anderen aus dem Ärmel: Den mächtigen, Nacken brechenden Rhythmus des mit starken Riffs glänzenden 'Retreat Of The Sacred Heart', den grimmigen, pechschwarzen Groove des eher getragenen 'The Persecution Song' oder die gespenstischen ruhigen Passagen bei 'Deceiving Eyes'. Großartig sind vor allem auch 'Lilith Immaculate' mit den starken Duett-Passagen und den ruhigen Momenten, in denen Dani fast schon clean singt, sowie das im Refrain stark in Richtung Gothic Rock der Marke SISTERS OF MERCY gehende 'Forgive Me Father'. All das ist durchzogen von einem vielschichtigen, verwirrenden Horror-Konzept um Lilith, Baphomet, die Templer und die Kreuzzüge, das sicher nicht mit wenigen Durchgängen voll erfasst werden kann. Die Hauptzutaten, welche dieses Konzept vor dem inneren Auge bebildern, sind neben Danis vielseitigen Vocals vor allem oft hektische und rasende, aber stets nachvollziehbare Riffs, denen man meist nach wie vor die schwarzmetallische Wiege anmerkt, sowie sehr melodische Leads. Dazu kommen orchestrale Keyboards, die für mich nur selten die Grenze zum Kitsch überschreiten und auf überzeugende Weise eine Atmosphäre erzeugen, welche den Hörer durch die hohen Hallen dunkler Herrscher schreiten lässt. Die lyrische Komponente lässt mit Sicherheit den Schluss zu, dass ein gewisser Edgar Allen Poe massiven Einfluss auf Herrn Filth hatte. Anders lassen sich Textzeilen wie "midnight strikes, the candles sputter, muttering their reeking spells" kaum deuten.
Ja, was CRADLE OF FILTH mit ihrem neuen Album vorlegen, ist großes Theater. Optisch, musikalisch und konzeptionell stimmt hier alles. Natürlich ist das Werk bis ins letzte Detail durchdacht und konzipiert, hier wird nichts dem Zufall überlassen, hier haben wir es nicht mit roher Spontanität oder ursprünglichen Emotionen zu tun, die vom Musiker direkt zum Hörer transportiert werden. Letztlich wird auch das der Grund sein, warum die Band in ihrer Wirkung dem Black Metal nahezu vollständig entwachsen ist. CRADLE OF FILTH ist das morbide und doch romantische Kunstlied des Black Metals. Es ist die Gabe, hintergründige und aufwändige Geschichten in ein aufwändiges Gesamtkonzept zu kleiden, das dem Freud des Literarischen und Opernhaften sehr viel zu entdecken gibt. Vom Ansatz her nicht unähnlich den Werken der späten SAVATAGE, nur mit völlig anderem musikalischem Ausdruck. Dass das nicht jedes Metallers Sache ist, das ist völlig klar, doch das, was die Band erreichen will, kann man kaum besser in Szene setzen. Allenfalls hätte die Band mehr Stücke mit heraus stechendem eigenem Charakter inszenieren können, da sich manche Stücke doch ziemlich stark ähneln. Doch das ist nur leise Kritik bei denkbar hohem Niveau.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle