CORONER - Dissonance Theory
Mehr über Coroner
- Genre:
- Technical Thrash Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Century Media Records
- Release:
- 17.10.2025
- Oxymoron
- Consequence
- Sacrificial Lamb
- Cirsium Bound
- Symmetry
- The Law
- Transparent Eye
- Trinity
- Renewal
- Prolonging
CORONER 2.0! Komplexer und düsterer Tech Thrash. Zeitgemäß, dabei aber nie nostalgisch zurückblickend.
CORONER ist zurück! Nun gut, diese Meldung hat mittlerweile auch schon schlappe fünfzehn Jahre auf dem Buckel, ohne dass in dieser Zeit auch nur ein einziger neuer Ton auf Tonträgerformat gepresst worden ist. Die bandeigene Strategie sah zunächst nämlich vor, sich sehr gemächlich erst einmal wieder ins Bewusstsein der Altfans zurückzurufen und dabei im Vorbeigehen noch möglichst viele neue Hörer dazuzugewinnen. Grundsätzlich kein schlechter Masterplan, zumal die Truppe zuvor ja fast zwanzig Jahre komplett auf Eis gelegen ist.
Und wie stellt man so etwas am besten an? Genau, man beackert in heutigen Tagen dafür am besten möglichst viele mittlere bis große Festivals rund um den Globus, um sich allmählich wieder ins kollektive Metal-Bewusstsein zurückzuspielen. Genau das hat man in den letzten rund fünfzehn Jahren dann auch kontinuierlich und fleißig in die Tat umgesetzt: Wacken, Roadburn, 70000 Tons Of Metal, Hellfest, Maryland Deathfest, Hell's Heroes, Rock Hard Festival sind hierbei nur einige wenige Festivals, die die Schweizer dabei (mitunter nicht nur einmal) bereist haben. Selbst die unliebsamen Strapazen einer klassischen Tour hat man dabei noch einmal auf sich genommen, als man sich im Frühjahr diesen Jahres auf ausgiebige US- und Südamerika-Tour begab.
Aber irgendwann möchte man als musikhungriger Fan dann halt auch gerne doch wieder ein schönes, haptisches Produkt mit neuem Musikstoff in den Händen halten. Das ist uns allen nun auch vergönnt, wenn die neue Platte "Dissonance Theory" am 17. Oktober dann endlich erhältlich sein wird.
Für mich persönlich war die interessante Frage im Vorfeld: Würde man auf dem neuen Werk brachial-räudig agieren wie noch zu Zeiten des Debüts? Ginge man vielleicht eher verspielt und technisch-progressiv mit angenehm hektischer Note zu Werke wie auf den drei danach erschienenen Alben, die heute allesamt als Klassiker in den Kanon des technischen Thrash Metals Einzug gehalten haben? Oder würde man es für CORONER-Verhältnisse eher etwas kontrollierter und zurückhaltender mit einer ausgeprägteren Industrial- und Synthie-Note angehen lassen wie auf dem letzten eher groove-betonten Werk "Grin" aus dem Jahr 1993?
Die Antwort ist: Weder noch. Und doch handelt es sich bei der neuen Platte unbestritten um ein astreines und lupenreines CORONER-Album mit allen Trademarks, für die die Kombo im Laufe der Jahrzehnte bei Kennern des Genres so beliebt geworden ist.
Dass das Pendel in Sachen Tempo grundsätzlich eher Richtung "Grin" als Richtung "R.I.P." ausschlagen würde, ist dabei nun beileibe keine große Überraschung. Ein jeder, der sich in der Vergangenheit auch nur rudimentär mit dem Schaffen der Band auseinandergesetzt hat, weiß natürlich um die enormen, technischen Fähigkeiten eines Tommy T. Baron aka Tommy Vetterli an der Gitarre. Auch wenn man den Klampfensound bereits nach wenigen Nanosekunden als typischen CORONER-Klang identifiziert hat, der gute Mann muss sich und anderen fürwahr nichts mehr beweisen.
Schwindelerregende Frickel-Orgien im Lead- und Shred-Bereich finden sich hier also nur noch in sehr seltenen und wohl dosierten Momenten. Auch auf neoklassische Gniedeleien, zu denen sich Vetterli in den frühen Tagen noch gelegentlich hinreißen ließ, wurde hier zugunsten massivster Gitarrenriff-Wände verzichtet. Zumindest ich bin damit aber komplett tutti, zumal der ganz typische und sich gleich von Anfang an offenbarende CORONER-Geist sich während der 47 Minuten Albumzeit frei und ausgelassen entfalten darf. Das ist am Ende des Tages eben wichtiger als nur zum Zwecke der puren Darstellung vorgetragene instrumentale Kabinettstückchen. Der Song als solcher steht hier also immer im absoluten Mittelpunkt, und das ist auch gut so.
Ausnahmslos allen Stücken wohnt der bandeigene Zauber inne, und diese sind durchweg auf den Punkt genau durchkomponiert. Keine Minute ist hier verschwendetes Füllmaterial, auf jeglichen musikalischen Kokolores mangels vorhandener Ideen wird hier durchgehend verzichtet. Auch auf Platte Nummer sechs demonstriert die Band kongenial eine Fertigkeit, die nur ganz wenige andere Gruppen so sehr aus dem Effeff beherrschen. Nämlich komplexe Songkunst derart zu gestalten, dass sie dem Hörer bereits nach wenigen Durchläufen als angenehm eingängiges Material durch die Ohrmuscheln strömt.
Wenn Sänger/Bassist Ron Royce auch anno 2025 noch mit derselben Inbrunst so energiegeladen und kraftvoll in seinem ihm ganz eigenen rau-monotonen Sprechstil ins Mikro blökt wie vor vierzig Jahren, und ("Neu"-)Schlagzeuger Diego Rapacchietti den doch sehr eigenen, virtuos-abgehackten Trommelstil eines Marquis Marky weiterführt, ohne hierbei als reiner Kopist in Erscheinung zu treten, ist klar: Die Band hat hier verdammt nochmal alles richtig gemacht und schlägt hierbei die vielbesungene Brücke zwischen glorreicher Vergangenheit und Gegenwart. Rifffokussierte, herausfordernd-ungeschönte neun Kompositionen plus einminütigem atmosphärischen Instrumental stehen am Ende zu Buche, welche in puncto Songwriting, Riffing, Kraft, Schärfe und Dynamik absolut nichts vermissen lassen.
Die Schweizer bewegen sich also auch 2025 nach wie vor auf dem schmalen, aber nach wie vor absolut sicheren Grat zwischen technischer Perfektion und kompromissloser Härte, dabei immer mechanisch präzise agierend wie das berühmt-berüchtigte Schweizer Uhrwerk. Wenn denn so "moderner" technischer Thrash Metal aussieht, dann dürfen beziehugsweise müssen sich alle Bands aus dieser Sparte in Zukunft ohne Wenn und Aber an der Zürcher Musikkappelle orientieren. Und hey, wer hätte jemals gedacht, dass man auf einem CORONER-Werk jemals in den akustischen Hörgenuss einer stilechten Hammond-Orgel kommen würde ('Prolonging')?
Das Album ist erhältlich als limitiertes 2CD-Mediabook (mit erweitertem Booklet und dem legendären "Death Cult" 4-Track Demo von 1986, mit Tom G. Warrior am Gesang, als Bonus-CD), als Standard-CD im Jewelcase, als LP auf 180 g Vinyl sowie in digitaler Form.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Stephan Lenze