Way Of Darkness 2011 - Lichtenfels

02.11.2011 | 11:54

07.10.2011, Stadthalle

Die Zeit vergeht viel zu schnell! Kaum hat die Festival-Saison begonnen, ist sie auch schon wieder vorbei, und die Zeit der Hallenveranstaltungen bricht wieder an. Das "Way Of Darkness" ist zwar eine davon, hat aber gleichzeitig auch den Charme eines Open Airs.

Dass man hier nur knapp achteinhalb Stunden bandfreie Zeit hat, ist brutal! Welcher Besucher steht denn bitteschön extrafrüh auf, um sich 20- bis 25-minütige Stelldicheins von zum Beispiel SOUL DEMISE anzutun? Gerade dieser langweilige Melo-Death mit krankem Gekreische ist ja ganz nett, aber mehr auch nicht.

Erst gegen halb zwei lohnt sich der Gang in die Halle, denn jetzt spielen die hessischen Todesblei-Granaten DISBELIEF. Das sehen auch andere Besucher so und das Venue beginnt sich zu füllen. Allerdings drängt sich schnell die Frage auf, warum die Südhessen so früh auftreten müssen. Immerhin sind sie schon seit einigen Jahren ein wichtiger Bestandteil der der deutschen Metal-Szene und auch ihren Sänger Karsten Jäger kann man mit Fug und Recht als begabte Frontsau bezeichnen. Des weiteren sind auch die Songs nicht zu verachten: 'This Hell Goes On' und 'Rewind It All' sind mächtige Headbanger, ebenso wie die Saitenfraktion, die ihre Matten synchron fliegen lassen. Schade, dass das Spektakel nur 30 Minuten dauert.

Ähnlich früh müssen auch SEVERE TORTURE on Stage. Die Holländer zocken schon seit dreizehn Jahren erbarmungslosen und schnellen Brutal Death Metal, der daneben auch eine angenehme Old-School-Schlagseite aufweist. Dadurch machen Lieder wie 'Feces For Jesus' oder 'End Of Christ' verdammt viel Spaß und die Bewegungsfreudigkeit der Band überträgt sich fast umgehend auf die anwesende Meute.

Nun steht mit HOUWITSER eine seltsame Horde auf dem Speiseplan. Der Sänger Stan Blonk trägt Springerstiefel mit hohem Schaft und eine Sturmhaube. Das sieht erst einmal alles sehr suspekt aus, aber macht trotzdem irgendwie Laune. Denn musikalisch ist ihr Todesblei wunderbar traditionsverbunden und groovt wie die Hölle. Die Performance bleibt trotz allem etwas komisch, denn das Gehampel geht weit über das hinaus, was man so gewohnt ist, und überschreitet bewusst oder unbewusst mehr als einmal die Grenze zum Posen. Aber solange die Songs stimmen und man mit Ex-Fronter und SINISTER-Röhre Mike, der sich für einen kleinen Gastauftritt ebenfalls eine Sturmhaube überwirft, auch noch ein kleines Bonbon am Start hat, kann man nicht meckern.

Kein bisschen leiser wird es da nach bei BENIGHTED. Die Franzosen nehmen keine Gefangenen und schießen ihre Deathgrind-Smasher locker aus der Hüfte. Beispielsweise 'Prey' von der aktuellen Scheibe "Asylum Cave" entzückt die Menge. Jedoch wäre es kein Beinbruch, wenn der Sound etwas besser wäre. Gerade auf der Tribüne hört man den Gesang nur noch suboptimal.

Dieser Umstand ist bei den nachfolgenden CEPHALIC CARNAGE noch das kleinste Problem, denn ihr gesamtes Klangbild ist ziemlich dröge und hat nur selten mal einen Ausreißer nach oben. Die Amis zocken halt (viel zu) progressiven Death Metal, dem spannende Ideen ebenso abgehen wie mitreißende Hooks. Da schauen sich viele Besucher alternativ lieber auf dem angrenzenden Sportplatz die Bezirksliga-Begegnung zwischen dem 1 FC Lichtenfels und Bad Staffelstein an. Hier gibt es im Gegensatz zum modernen Tech-Death nämlich ein spannendes 3:1 für die Heimelf zu bejubeln.

Erfolgreicher als das Gast-Team sind die aus den Niederlanden angereisten HAIL OF BULLETS. Hier gibt es kein nerviges Gefrickel oder sonstigen modernen Krempel. Das Menü umfasst einfach nur rundum gelungenen Old-School-Death-Metal, der von viel Doom und Texten über den Zweiten Weltkrieg flankiert wird. Darüber hinaus spricht Fronter Martin Van Drunnen etwas an, was vielen noch gar nicht aufgefallen ist: Viele Kapellen dieses Tages kommen aus Holland. Der sympathische Sänger spricht in diesem Zusammenhang von einer "Invasion" und hat da gar nicht mal so Unrecht. Mit THANATOS (die leider viel zu früh gespielt haben), HOUWITSER, SEVERE TORTURE und LEGION OF THE DAMNED sind neben der All-Star-Combo noch vier andere Oranje-Bands Teil des musikalischen Programms. Aber ist das eigentlich wichtig? - Im Grunde nicht, aber eine nette Randnotiz ergibt dies allemal. Denn HAIL OF BULLETS gibt ansonsten nicht viel Anlass für eine ausführliche Berichterstattung. Da man hier wie schon auf dem "Party.San Open Air" festhalten kann, dass die Songs (unter anderem 'Operation Z', 'Red Wolves Of Stalin' und 'Tokyo Napalm Holocaust') bärenstark sind, die Pyrotechniker alle Hände voll zu tun haben und die Stimmung unglaublich begeisternd ist. Also alles wie immer und wie immer gut. Leider gehen aber auch diese 40 Minuten Spielzeit viel zu schnell vorbei und 'Ordered Eastwards' bildet das obligatorische Finale eines hammerharten Gigs.

Die PROTECTORS übernehmen dann kurz danach das Zepter und eine Frage muss gestattet sein: Darf eine PROTECTOR-Coverband (auch wenn sie über den Original-Sänger verfügt) so spät antreten? Legende hin, Legende her, dieser Death-Thrash zeugt nicht gerade von Einfallsreichtum. Man rumpelt sich halt 45 Minuten lang vor sich hin und bietet mit 'Kain & Abel' immerhin einen Semi-Hit an, der halbwegs zu unterhalten weiß. Insgesamt sollte aber die angekündigte PROTECTOR-Reunion in Zukunft mehr auf dem Kasten haben als diese schwedische Tribute-Band um Martin Missy.

Mehr Authentizität gibt es bei EXHUMED. Seit über 20 Jahren spielt die von Matt Harvey gegründete Combo gore-lastigen Death Metal, der nie langweilig wird. Mal brutal, mal grindig bekommt man Tracks wie 'Through Kryptic Eyes' und 'Matter Of Splatter' geboten, die einen ansprechenden Querschnitt durch die eigene Historie darstellen. Auch die Gitarrensoli sitzen perfekt und beweisen musikalisches Feingefühl. Mit 'Distorted and Twisted to Form' widmet man den Genre-Kollegen ENTOMBED einen Song und kommt damit gut bei deren Fans an.

Dass DESTRUCTION gut ankommen, überrascht wohl kaum jemanden. Auch wenn ihre Popularität in erster Linie auf ihre 80er Jahre Meilensteine zurückzuführen ist. Schmier und seine Komplizen sind zwar ebenso gut aufgelegt wie die moshende und bangende Menge vor ihnen, allerdings muss man auch beanstanden, dass der Bass-spielende Frontmann ein wenig klingt als habe er eine heisere Bulldogge verschluckt. Vielleicht genau deswegen äußert ein unzufriedener "Fan" sein Missfallen durch das Werfen eines Bechers. Dieser trifft Schmier direkt an die Stirn, was man durch das Mikrophon verstärkt sogar weit hinten noch hören kann. Der angepisste Sänger versucht direkt den Übeltäter ausfindig zu machen, doch gibt relativ schnell auf, da die Masse vor der Stage einfach zu dicht ist, und zockt einfach weiter. Positiv zu bemerken ist im Übrigen die Setlist, die einen ausgewogenen Mix aus Klassikern wie 'Nailed To The Cross' oder 'Mad Butcher' sowie neueren Songs von unter anderem "D.E.V.O.L.U.T.I.O.N." darstellt. Abgerundet von aufflammenden Pyroattacken kann insgesamt ein solides Fazit gezogen werden, auch wenn DESTRUCTION in diesem Leben nicht mehr meine Lieblingsband werden.

Weiter im Programm geht es mit DYING FETUS. Die morbiden Grinder fahren einiges auf und bieten eine coole Show. Die Lichter zucken in verschiedenen Farben über die Bühne und die Halle ist brechend voll. Auch die Stimmung ist nun sehr wild und übertrifft sogar den Gig von DESTRUCTION. Man sieht den Amerikanern an, wie sehr ihnen ihre Arbeit heute Abend gefällt, wofür nicht nur das technisch perfekte Bass- und Gitarrenspiel als Beweis herangezogen werden kann. Von der Songauswahl her ackert man sich auch hier querbeet durch alle möglichen Alben und streift so zum Beispiel den ersten Longplayer mit 'Eviscerated Offspring' genauso wie andere Kracher der Marke 'Praise The Lord' oder auch 'Your Treachery Will Die With You'. Einzig das göttliche 'Kill Your Mother, Rape Your Dog' fehlt beim Klassiker-Stelldichein. Skandalös! Aber trotzdem haut der Gig ordentlich rein.

Nun wird es Zeit für den Co-Headliner und dieser hört doch tatsächlich auf den Namen LEGION OF THE DAMNED. Eine Band, die beinahe alle Steckdosen Europas kennen müsste, da sie dort schon ihre Verstärker eingestöpselt haben. Das macht die Vorfreude natürlich nicht besonders groß, denn zu allem Überfluss sind die Lieder der verdammten Legion so abwechslungsreich wie Karton Eier. Ob nun 'Legion Of The Damned' oder 'Son Of The Jackal' von der Bühne dröhnt, ist eigentlich egal und nur bedingt interessant. Denn wenn man ehrlich ist, reichen fünf Minuten, um alles mitzubekommen, was die Jungs zu bieten haben. Und das ist im Grunde nicht mehr als 08/15-Brutal-Thrash, der in erster Linie Mainstream-Extremisten vor die Bühne lockt, aber von einem Co-Headliner kann man eigentlich doch etwas mehr erwarten. Trotzdem ist davon auszugehen, dass der Stern der Holländer auch in den nächsten Jahren weiter steigen wird und ihre Fans sie vielleicht sogar auf die Pole-Position eines größeren Festivals hieven werden.

Diese Stellung gehört heute aber fürs erste ENTOMBED, die sich wie immer etwas Zeit lassen, bis sie die Bühne entern. Aber bei einer Show, deren Setlist aus den beiden Referenz-Alben "Left Hand Path" und "Clandestine" besteht, lohnt sich jede Sekunde der Wartezeit. Und so legen die fünf Schweden nach einem sphärischen Intro so richtig los und feuern aus allen Rohren. Der 39-jährige LG Petrov sieht zwar aus wie über 50, besitzt aber das Herzblut und die Agilität eines Teenagers. Wie in den frühen Tagen schmettert er die kranken Growls von 'Drowned', 'Stranger Aeon' oder 'Crawl' (das LG übrigens als 'Cruel' bezeichnet) heraus. Den anwesenden Nostalgie-Fanatikern steigen fast die Tränen in die Augen, als der NIHILIST-Klassiker 'But Life Goes On' angestimmt wird. Zwischendurch schwingt Petrov außerdem lustige Reden und bedankt sich bei Bands, die umgekehrt ENTOMBED in ihren Ansagen erwähnt haben. Die Gitarrenarbeit schwankt übrigens etwas. Während die schwedische Antwort auf Slash alias Alex Hellid cool, souverän und sauber eine Großtat nach der anderen abliefert, scheint sich Rhythmusgitarrist Nico Elgstrand etwas zu sehr an der Weinflasche bedient zu haben, die er schon die ganze Zeit mit herum schleppt. Denn neben dem Bedienen seiner Gitarre fällt es ihm ab und zu auch schwer, das Gleichgewicht zu halten. Dazwischen liegt irgendwo die Leistung von Basser Victor Brandt. Dieser spielt zwar zum einen ganz solide, post aber zum anderen so übertrieben herum, dass ihn Joey DeMaio von der Bühne weg adoptieren würde. Das offizielle Set endet mit dem Titeltrack des Debütalbums "Left Hand Path" und LG bestätigt nebenbei auch noch wie gut es ihm ginge, da er voller Bier sei.

Was folgt ist ein Zugabenblock, der sich gewaschen hat. Petrov gibt zwar direkt zu, dass seiner Bands so langsam die Songs ausgehen (immerhin wollte man nur Songs der ersten beiden Alben spielen). Jedoch ist das alles andere als schlecht, weil auch neuere Tracks wie 'I for an Eye', 'Chaos Reigns' oder auch 'Demon' Abrissbirnen sind, die das letzte aus der Menge herausholen. Trotzdem will die Zuschauerschaft mehr und gefühlte zehn Zugaben später beendet der X-Men-Tribut 'Wolverine Blues' ein denkwürdiges Konzert, das fast an der zwei Stundenmarke kratzt . Vielen Dank ENTOMBED und vielen Dank "Way Of Darkness", das war ein amtlicher Abschluss des Festivalsommers.

Völlig ausgebrannt wird das Event abschließend bei einem Bierchen sacken gelassen, bevor man sich in eiskalten Zelten mit der Option des Kältetods auseinandersetzen muss. Allerdings zeugen diese Zeilen davon, dass zumindest die POWERMETAL.de-Delegation überlebt hat. Nächstes Jahr sollte man sich dennoch früh genug einen Platz in der Schlafhalle sichern.

Redakteur:
Adrian Wagner

Login

Neu registrieren