Wacken Open Air 2017 - Wacken

25.08.2017 | 20:32

03.08.2017, Festivalgelände

Metalfest mit über 75000 Besuchern.

Mir reicht's. Ganz im Ernst. Nein, in diesem Jahr gibt es keine schön-kuschelige, halbinformative Blabla-Einleitung mit nichtssagenden Worten, die ohnehin jeder überspringt und die daher kurz ausgefallen am besten sind. Nein, 2017 platzt es (endlich!) einfach mal aus mir heraus. Etwas, das mir eigentlich schon jahrelang auf der Seele brennt. Die einfache, simple Erkenntnis: Wacken lebt Heavy Metal.
Was an dieser Stelle so unglaublich trivial klingt, ist es wirklich nicht, wenn man sich damit beschäftigt, wie dieses riesige Metal-Festival vielerorts eingeordnet wird. Beide Extreme sind dabei so absurd, verquer und an der Realität vorbei, dass ich mir nur die nicht vorhandenen Haare raufen kann. Auf der einen Seite haben wir da diverse Mainstream-Medien, den anderen Pol bietet dann die (Untergrund-) Metal-Szene selbst. Und beide sind erschreckend nah beieinander.
Wie es bei so vielen Berichterstattungen zu unterschiedlichsten Themen ist, wollen die Mainstream-Medien gar kein tatsächliches Abbild der Geschehnisse vor Ort bieten, sondern nur ihr bereits vorgefertigtes Bild mit entsprechend eingefangenen Momentaufnahmen in Form von Fotos und teilweise bewegten Bilder bestätigt sehen. Im Falle des Wackens bedeutet das dann oft: Matsch, Feuerwehrkappelle, der "Clash der Kulturen" zwischen Kuhdorf und schwarzgekleideten, aber doch sehr liebevollen Bekloppten. Als jemand, der in diesem Jahr ein Dutzend mal in Folge vor Ort war, muss ich konstatieren: Das W:O:A macht dann noch etwas mehr als diese Dinge aus. Metal findet in der Berichterstattung nicht statt. Verständlicherweise, schließlich interessiert sich der Großteil der Zuschauer/Leser nicht dafür. Aber es entspricht dann eben nicht dem Kerngeschehen vor Ort.
Getoppt wird dies aber nur noch vom metallischen Untergrund selbst. Was dem Wacken da alles nachgesagt wird… Ich packe mir echt an die Birne. Selbstredend gibt es Dinge, die kritisiert gehören (bspw. die zuletzt drastische Erhöhung der Ticketpreise oder die nach wie vor nicht tragbare Schlammsituation), aber was da teilweise von Leuten herangezogen wird, die Ewigkeiten nicht mehr vor Ort waren, ist echt abenteuerlich. Beliebt: "Das Wacken ist nur noch eine reine Kirmes- und Saufveranstaltung." Was ein Haufen Bullenexkremente. Dem Alkohol wird dort genauso gefrönt wie auf allen anderen Festivals auch. Dass das Wacken mehr zu bieten hat als nur den Metal auf den Bühnen, das ist richtig. Das sehe ich allerdings weder als "Kirmes" an noch im Gesamtbild unpassend. Ganz im Gegenteil: Die sogenannte Wackinger-Village ist total stimmig, stimmungs- und auch liebevoll hergerichtet und bietet diversen mittelalterlichen Bands (und manchen darüber hinaus) eine Bühne. Die Schnittmenge innerhalb des Publikums ist groß, was auch der selbst für mich immer wieder irritierend große Zuspruch zeigt – passt also. Und einmal pro Festival durch das Dorf zu schlendern kann ich jedem nur wärmstens ans Herz legen; dort herrscht eine derartig tolle Atmosphäre, die man so wohl an keinem anderen Ort findet. Ein weiterer beliebter Satz: "Metal wird auf dem Wacken doch gar nicht mehr richtig zelebriert, da sind doch eh nur noch Metal-Touristen." Oh. Mein. Gott. Dieser elitäre Gedanken kotzt mich auf zwei Gründen an: 1. Er ist elitär. 2. Er ist falsch. Klar, die "harte Szene" feiert ihre Helden auf den kleinen Sparten-Festivals – die ich übrigens ebenfalls sehr schätze – aber wo zur Hölle ist das Problem, wenn große, beliebte oder einfach populäre Bands auch ihr Publikum (oder andersherum). Das muss man nicht mögen, logisch, aber wenn ich mir nur mal den gigantischen Moment vor Augen führe, als DEE fucking SNIDER 2016 das gesamte, verdammte Wacken-Areal beherrscht und zigtausend Kehlen unter seiner Kontrolle hatte, wo dieses "gewisse Etwas" die Luft zum Knistern bringt, das sind einfach Momente, die man in diesem Ausmaß anderswo nicht finden wird. Aber auch abseits davon: Wer meint, Metal würde in Wacken nicht gelebt werden, der hat seinen Arsch schlichtweg nicht vor die Bühnen bewegt und gemeinsam mit anderen gefeiert. Und genau darum geht es doch – oder?
Mich langweilt dieses Wacken-Bashing so unglaublich. Es gibt tolle große Bands, es gibt viele kleine (Zelt olé) und es gibt viel liebevoll Gestaltetes drumherum, eine tolle Security und generell ein top Organisiation. Gepaart im Übrigen mit der angenehmsten Atmosphäre, die man auf Festival dieser Größe finden wird. Wacken ist für mich und für so viele andere "zuhause". Das Zuhause des Heavy Metals. Das muss man nicht mögen; aber wer das Wacken mit halbgarem Bullshit klein-/kaputtredet, dem ist echt nicht zu helfen.
In diesem Sinne: Heavy Metal in the (once more muddy) night! Unser Bericht des Jahres 2017!

Mir reicht's. Ganz im Ernst. Nein, in diesem Jahr gibt es keine schön-kuschelige, halbinformative Blabla-Einleitung mit nichtssagenden Worten, die ohnehin jeder überspringt und die daher kurz ausgefallen am besten sind. Nein, 2017 platzt es (endlich!) einfach mal aus mir heraus. Etwas, das mir eigentlich schon jahrelang auf der Seele brennt. Die einfache, simple Erkenntnis: Wacken lebt Heavy Metal.

Was an dieser Stelle so unglaublich trivial klingt, ist es wirklich nicht, wenn man sich damit beschäftigt, wie dieses riesige Metal-Festival vielerorts eingeordnet wird. Beide Extreme sind dabei so absurd, verquer und an der Realität vorbei, dass ich mir nur die nicht vorhandenen Haare raufen kann. Auf der einen Seite haben wir da diverse Mainstream-Medien, den anderen Pol bietet dann die (Untergrund-) Metal-Szene selbst. Und beide sind erschreckend nah beieinander.

Wie es bei so vielen Berichterstattungen zu unterschiedlichsten Themen ist, wollen die Mainstream-Medien gar kein tatsächliches Abbild der Geschehnisse vor Ort bieten, sondern nur ihr bereits vorgefertigtes Bild mit entsprechend eingefangenen Momentaufnahmen in Form von Fotos und teilweise bewegten Bilder bestätigt sehen. Im Falle des Wackens bedeutet das dann oft: Matsch, Feuerwehrkapelle, der "Clash der Kulturen" zwischen Kuhdorf und schwarzgekleideten, aber doch sehr liebevollen Bekloppten. Als jemand, der in diesem Jahr ein Dutzend Mal in Folge vor Ort war, muss ich konstatieren: Das W:O:A macht dann noch etwas mehr als diese Dinge aus. Metal findet in der Berichterstattung nicht statt. Verständlicherweise, schließlich interessiert sich der Großteil der Zuschauer/Leser nicht dafür. Aber es entspricht dann eben nicht dem Kerngeschehen vor Ort.

Getoppt wird dies aber nur noch vom metallischen Untergrund selbst. Was dem Wacken da alles nachgesagt wird... Ich packe mir echt an die Birne. Selbstredend gibt es Dinge, die kritisiert gehören (wie die zuletzt drastische Erhöhung der Ticketpreise oder die nach wie vor nicht tragbare Schlammsituation), aber was da teilweise von Leuten herangezogen wird, die Ewigkeiten nicht mehr vor Ort waren, ist echt abenteuerlich. Beliebt: "Das Wacken ist nur noch eine reine Kirmes- und Saufveranstaltung." Was ein Haufen Bullenexkremente. Dem Alkohol wird dort genauso gefrönt wie auf allen anderen Festivals auch. Dass Wacken mehr zu bieten hat als nur den Metal auf den Bühnen, das ist richtig. Das sehe ich allerdings weder als "Kirmes" an noch im Gesamtbild unpassend. Ganz im Gegenteil: Die sogenannte Wackinger-Village ist total stimmig, stimmungs- und auch liebevoll hergerichtet und bietet diversen mittelalterlichen Bands (und manchen darüber hinaus) eine Bühne. Die Schnittmenge innerhalb des Publikums ist groß, was auch der selbst für mich immer wieder irritierend große Zuspruch zeigt – passt also. Und einmal pro Festival durch das Dorf zu schlendern kann ich jedem nur wärmstens ans Herz legen; dort herrscht eine derartig tolle Atmosphäre, die man so wohl an keinem anderen Ort findet. Und im allerschlimmsten Fall kann man all das auch einfach ignorieren und zu "seinen" Bands gehen. Ein weiterer beliebter Satz: "Metal wird auf dem Wacken doch gar nicht mehr richtig zelebriert, da sind doch eh nur noch Touristen." Oh. Mein. Gott. Dieser elitäre Gedanke kotzt mich auf zwei Gründen an: 1. Er ist elitär. 2. Er ist falsch. Klar, die "harte Szene" feiert ihre Helden auf den kleinen Sparten-Festivals – die ich übrigens ebenfalls sehr schätze – aber wo zur Hölle ist das Problem, wenn große, beliebte oder einfach populäre Bands auch ihr Publikum finden (oder andersherum). Das muss man nicht mögen, logisch, aber wenn ich mir nur mal den gigantischen Moment vor Augen führe, als DEE fucking SNIDER 2016 das gesamte, verdammte Wacken-Areal beherrscht und zigtausend Kehlen unter seiner Kontrolle hatte, wo dieses "gewisse Etwas" die Luft zum Knistern bringt - das sind einfach Momente, die man in diesem Ausmaß anderswo nicht finden wird. Aber auch abseits davon: Wer meint, Metal würde in Wacken nicht gelebt werden, der hat seinen Arsch schlichtweg nicht vor die Bühnen bewegt, gemeinsam mit anderen gefeiert und tolle Momente erlebt. Und nur darum geht es. So einfach.

Mich langweilt dieses Wacken-Bashing so unglaublich. Es gibt tolle große Bands, es gibt viele kleine (Zelt olé) und es gibt viel liebevoll Gestaltetes drumherum, eine tolle Security und generell ein Toporganisiation. Gepaart im Übrigen mit der angenehmsten Atmosphäre, die man auf Festival dieser Größe finden wird. Wacken ist für mich und für so viele andere "zu Hause". Das Zuhause des Heavy Metals. Das muss man nicht mögen; aber wer das Wacken mit halbgarem Bullshit klein- oder kaputtredet, dem ist echt nicht zu helfen.

In diesem Sinne: Heavy Metal in the (once more muddy) night! Unser Bericht des Jahres 2017!

[Oliver Paßgang]

 

Mittwoch, 2. August 2017

Mit GANAIM bekommt der Begriff "Regentanz" am Donnerstag eine ganz neue Dimension: So bricht zu den fröhlichen, leichten Klängen der Celtic Folk Band ein wahrer Sturzbach aus den Wolken, der Freude des Publikums tut dies jedoch keinen Abbruch. Trotz Regen wird getanzt und gefeiert, als gäbe es kein Morgen: Ein wahrer Adelsschlag für die junge Band, die vor allem durch die zart-luftigen bis wild-verspielten Geigenmelodien von Saskia und Pintos kraftvoller Stimme und seiner lockeren Art lebt. Musikalisch haben sich Saskia, Pinto und Zorny dem traditionellen Akustik-Folk ohne irgendwelchen Schnick-Schnack verschrieben. Traditionals aus Spanien, England und Frankreich in frischen Variationen, ohne gezwungen modern zu wirken. Selbst Pintos Animationen, die er mit einem sympathischen Augenzwinkern vorträgt ("Da kommt ihr auf ein Metal-Festival und irgendso’n Typ von einer Mittelalterkapelle fordert euch auch noch mit Mitsingen auf!") haben mit dem gewöhnlichen Imponier-Gehabe und Phrasengedresche nichts gemein: GANAIM wirkt angesichts bretternder Gitarren-Riffs auf den anderen Bühnen wie eine kleine Atempause auf dem WACKEN OPEN AIR, die mir ein beseeltes Lächeln ins Gesicht zaubert.
[Leoni Dowidat]

 

Bis eben noch tobte im Zelt der Metal Battle, doch nun geht es mit dem Programm der namhaften Bands direkt richtig mächtig los. Denn Arizonas Thrash-Speed-Urgesteine bitten zum Tanze. FLOTSAM & JETSAM ist seit einiger Zeit gerade live in allerbester Verfassung. Nach Besuchen auf dem Keep It true und Headbangers Open Air ist dieses Jahr also das Zelt in Wacken an der Reihe und der Fünfer lässt es ab dem ersten Ton krachen. Die Menge ist bereits beachtlich, die ersten Biere schmecken und schnell sieht man die ersten Fäuste und Matten, während sich Eric A.K. und seine Mannen durch ein Set prügeln, das gekonnt Klassiker mit aktuellem Material mischt. Dabei wird deutlich, dass gerade das aktuelle Album durchaus mit den Klassikern mithalten kann, gerade auch die treffsicher betitelte Hommage 'Iron Maiden' an die eisernen Jungfrauen kann hier voll überzeugen, genau wie 'Life Is A Mess'. Doch auch an alten Schinken wird nicht gespart und so dürften alle Fans der Band glücklich sein. Was sich auch hier einmal wieder zeigt: Es lohnt sich immer, en Festival mit Speed oder Thrash zu beginnen, da man als Besucher so direkt mit Vollgas in Stimmung gebracht wird und FLOTSAM & JETSAM macht diese Aufgabe exzellent, das nächste Mal gern auch auf einer große Bühne.
[Raphael Päbst]

 

Für mich ist meine erste Band des diesjährigen Wacken-Festivals gleich ein Höhepunkt, auf den ich mich gehörig freue: FLOTSAM & JETSAM, der Thrash-Dauerbrenner aus Arizona, dessen Alben zuletzt durchgehend großartig gewesen sind, nämlich seit 2010 und besonders seit dem Wiedereinstieg des Gründungsgitarristen Michael Gilbert. Allerdings ist die Frage, wieviele der neuen Songs es ins Set schaffen würden. Einerseits freue ich mich wie jeder andere über die Klassiker, aber noch mehr gefällt mir, wenn Bands ihre Diskographie auch ausleben und nicht immer nur nach der Devise "drei Songs vom neuen Album, und dann ein halbes Dutzend Klassiker von den ersten Scheiben" verfahren würden. Gespannt schaue ich zur Bühne und sehe ein, äh, Ding durch den Vorhang kommen. Irgendein Witzbold hat sich ein Ganzkörperkostüm angezogen, komplett grün, mit witziger Hose und einer Maske, die einen Karnevalsgoblin darzustellen scheint. Seltsam, aber der Auftritt ist unterhaltsam. Kurz darauf öffnet sich der Vorhang und die Bande stürmt die Bühne mit 'Hammerhead'. Der Sound ist noch etwas matschig, zumindest hier vorne, aber die Band wirkt energetisch und gut gelaunt. Jetzt sieht man auch, wer der komische Goblin war: Erik AK, Sänger der High-Speed-Bande, hat die Maske vom Kopf gezogen und um den Hals hängen, ist aber weiterhin ganz grün. Ein guter Beginn, und dann folgt tatsächlich ein Stück, das nicht dem oben genannten Prinzip folgt: 'Me' stammt von "Drift", dem fünften von einen Dutzend Alben bislang. Ein großartiges Stück von ihrem besten Album, das zwar nicht mehr den Ungestüm der Jugend zeigt, aber dafür eine große kompositorische Reife. Doch da wir uns beim Festival-Auftakt befinden, verfällt FLOTSAM & JETSAM dann doch in das besagte Schema. Es folgen noch zwei Stücke vom aktuellen, selbst betitelten Album und fünf Klassiker der ersten beiden Tonträger. Das bringt Stimmung und funktioniert, Eric AK singt klasse, die Gitarren sägen. So gesehen ein Erfolg auf der ganzen Linie und ich stehe wohl relativ allein damit, dass ich gerne mal andere Songs live sehen würde als zum wiederholten Mal 'I Live You Die' oder 'Dreams Of Death'. Aber sie können es mit der limitierten Spielzeit eben nicht allen recht machen. Ein überzeugender Auftritt vom Thrash-Kermit und seinen Mannen ist auf jeden Fall ein sehr vielversprechender Beginn des W:O:A 2017.
Setliste: Hammerhead, Me, Life Is a Mess, Hard on You, I Live You Die, Iron Maiden, Desecrator, Dreams of Death, No Place for Disgrace
[Frank Jaeger]

 

Weg vom Thrash, hin zu Hard Rock. Als nächstes folgt auf der W:E:T-Stage die Band UGLY KID JOE, die zwei Hits hatte und ansonsten zwar gute, aber nach dem Anfangshit immer weniger kommerziell erfolgreiche Alben verbrochen hatte. Seit 2015 sind sie wieder da, mit dem vierten Album nach einer beinahe zwanzigjährigen Pause, und laut eigener Aussage "Uglier Than They Used Ta Be". Ich bin gespannt, ob die Burschen noch rocken können, das besagte Album fand ich zwar ganz ordentlich, aber von den Glanztaten der Frühzeit doch noch etwas entfernt. UGLY KID JOE ist in der aktuellen Besetzung eine mehr als akzeptable Fortführung der Band und hat mit Whitfield Crane und Klaus Eichstadt zwei Gründungsmitglieder und mit Dave Fortman und Cordell Crockett zwei weitere, langjährige Mitglieder der Neunziger-Truppe am Start. Das ist eine Reunion, die den Namen auch verdient. Doch was ist das? Es ist Sommer, doch Sänger Crane kommt im geschlossenen Kapuzenpulli auf die Bühne. Der schwitzt sich doch tot! Das merkt er aber auch bald und enthüllt ein T-Shirt mit der Aufschrift "I am the real Milli Vanilli - where is my Grammy?". Seltsame Wahl, aber witzig. Bleibt nur die Frage, wer sich an den zweieinhalb Jahrzehnte zurückliegenden Skandal erinnert. Doch das ist eigentlich egal, viel wichtiger ist, dass Whitfield großartig singt und nach ein paar Liedern auch auftaut und die Interaktion mit dem Publikum sucht. Mitten im Set spielt UGLY KID JOE 'Cats In The Cradle' und nimmt damit natürlich das gesamte Zelt mit. Obwohl einige der zuvor gespielten Songs auch Hitpotential hatten, aber die kennt leider kaum jemand. Ich finde den Auftritt jedenfalls klasse, die Band wirkt engagiert und scheint Spaß zu haben. Eine Coverversion von MOTÖRHEADs 'Ace Of Spades' hat auch seine Berechtigung, befindet sich doch eine solche auch auf dem aktuellen Studioalbum. Es sollte übrigens nicht das letzte Mal sein, dass sich eine Band beim diesjährigen W:O:A an dem Klassiker vergreift. Leute, Lemmy hat so viele Lieder geschrieben, könntet ihr euch mal ein anderes Opfer suchen? Mit dem großen Hit 'Everything About You' endet der Auftritt und hinterlässt viele zufriedene Gesichter trotz der Einkesselung in ein Thrash-Sandwich.
Setliste: Neighbor, Jesus Rode a Harley, Panhandlin' Prince, No One Survives, Devil's Paradise, So Damn Cool, Cat's in the Cradle, I'm Alright, Milkman's Son, Goddamn Evil, Ace of Spades, Funky Fresh Country Club, Everything About You
[Frank Jaeger]

 

Dann folgt Dauergrinsebacke Jeff Waters und seine zerstörerische Bande ANNIHILATOR, die wie erwartet keine Gefangenen macht. Jeff atmet Thrash und feuert mit seinen Mannen einen echten Rifforkan von der Zeltbühne. Zwar sieht seine Frisur merkwürdig aus, irgendwie als hätte ein Rennwagen auf seinem Kopf eine Vollbremsung gemacht, aber dies ist die Wackenbühne und kein Catwalk. Der Titelsong des aktuellen Albums "Suicide Society" führt jedenfalls schon mal bestens ein, auch wenn die melodischen Parts im Thrashgewitter ein wenig untergehen und das Publikum daher erst beim folgenden King Of The Kill' richtig mitgeht. Der Song hat sich zu einem festen Bestandteil einer ANNIHILATOR-Show gemausert. Die Band spielt mit großer Aggression und lässt niemanden kalt. Obendrein ist es so voll, dass niemand mehr ins Zelt zu kommen vermag, sodass mein Kollege Raphael mich anpingt, dass ich über ANNIHILATOR schreiben soll, obwohl er gerne wollte, aber er steht draußen vor den Zeltplanen. Währenddessen geht die brutale Show weiter. Was ich noch bei FLOTSAM & JETSAM kritisiert habe, übernimmt Jeff Waters nicht. Er springt munter hin und her, auf 2015 folgt 1994, danach 2013, 'Set The World On Fire' aus dem Jahr 1993 und dann ein echter Klassiker vom 1989er Debüt, 'W.T.Y.D.'. So mag ich das, zumal alle ausgesuchten Lieder Sahnestückchen sind. Dazu shredded sich die Bande auf der Bühne durch das Material und irgendeiner ist immer in Bewegung. Starker Auftritt, den die Band veredeln möchte, indem sie schon mal einen Song des im November erscheinenden neuen Albums spielt mit dem Titel 'Twisted Lobotomy'. Das Stück beginnt super und typisch für ANNIHILATOR, doch dann entpuppt sich der Song als extrem, hart und wild. Eigentlich ein mittelschwerer Geräuschorkan, den Waters als "zurück zu den Wurzeln" kommentiert. Nein, das erscheint mit nicht so, das ist eher ein Rückfall in die späten Joe Comeau-Zeiten, angereichert mit etwas Death Metal. Mit "Alice In Hell" hat das herzlich wenig zu tun. Nein, beim ersten Hören mundet mir das gar nicht. Weiß Jeff nicht, dass wir eigentlich seine melodischen Sachen lieben? Wir brauchen ihn nicht als heftigsten Thrasher seiner Altersklasse, wir wollen seine kompositorischen Fähigkeiten, die uns epische Stücke wie 'Alison Hell' gebracht haben! Als ob er das ahnt, folgt auch das besagte Stück sogleich. Der Kontrast könnte größer nicht sein und das Publikum singt glücklich mit. Daraufhin verabschiedet sich die Band. Aber Moment mal, ihr habt doch noch Zeit! Das merken die Buben auf oder besser momentan neben der Bühne auch und kehren zurück, um nochmal zwei Klassiker zu spielen, allerdings ohne 'Never Neverland'. Das macht aber nichts, denn ich finde einen gemischten Set viel besser, und das Lied höre ich dann eben beim nächsten Mal wieder. Wetten?
Setliste: Suicide Society, King of the Kill, No Way Out, Set the World on Fire, W.T.Y.D., Twisted Lobotomy, Alison Hell, Phantasmagoria, Human Insecticide
[Frank Jaeger]

Wer kam nur auf die Idee, die BOOMTOWN RATS in dieses Mittwoch-Billing zu werfen? Ich meine, ich freue mich darauf, mehr noch als auf alle anderen Bands des Auftakttags, aber der Kontrast könnte nicht größer sein. Bob Geldof, der in den Achtzigern mit Live-Aid weltweit berühmt wurde, ist alles, aber kein Metaller. Rocker sicher, Postpunker auch, aber auch Entertainer und Showman. Er kommt zu 'Close As You'll Ever Be', einem stampfenden Rocker vom 1977er Debüt, auf die Bühne. Geldof läuft dazu am Bühnenrand auf und ab wie ein Tiger, trägt aber einen Leopardenanzug. Diese Laufstrecke behält er für nahezu den ganzen Gig bei. Mit 'Like Clockwork' folgt ein eher experimentell-merkwürdiger Song, aber den BOOMTOWN RATS ist egal, dass das hier Wacken ist, auch wenn die Gitarrenfraktion mächtig abrockt. Ich finde es großartig, wundere mich aber, wie viele um mich herum ebenfalls gut unterhalten wirkend zur Bühne blicken. Ich hatte fast erwartet, dass die Jungs das Zelt leer spielen würden. Aber die Burschen wissen schon, wo sie sind. Geldof macht sich einen Spaß und feuert die Menge an. "Wackööön" ruft er, und ebenso schallt es zurück. Geldof fährt fort: "Ihr seid Metal, ihr seid Wacken!" und erntet Applaus. Dann aber sagt er, er wäre viel mehr Metal als alle anderen Anwesenden. Verwundertes Lachen und ein paar Buuh-Rufe verstummen, als er seinen Grund angibt: Er habe schließlich einen Leopardenanzug und die anderen nur schwarze T-Shirts! Damit bricht er das Eis und hat die Menge fortan auf seiner Seite, auch wenn er so unmetallisch wie möglich auf der Mundharmonika '(She's Gonna) Do You In' startet und während des Songs auf und ab stolziert. Soweit, so unterhaltsam, doch die BOOMTOWN RATS geben in der zweiten Hälfte des Gigs erst so richtig Gas. Zuerst kommt mit 'She's So Modern' ein Punkrocksong und dann das unsterbliche 'I Don't Like Mondays', den das gesamte Zelt mitsingt. Hey, die sind ja wirklich alle für die RATS hier und nicht nur, weil sie nicht wussten, was sie sonst tun sollten! Trotz des traurigen Themas des Liedes ist es vor allem auch eine große Hymne und die letzten Songs des Auftritts, der Rock 'n' Roller 'Mary Of The 4th Form', das Punkinferno 'Looking After No. 1' und eine hardrockende Version von 'Rat Trap', steigern die Stimmung immer mehr, bis der Auftritt zu Ende ist und die BOOMTOWN RATS mit viel Applaus verabschiedet werden. Das war vielleicht eine ungewöhnliche Wahl, aber das Metal-Publikum hat sich mal wieder als äußerst offen erwiesen und einfach mit Bob Geldof und seinen Jungs gefeiert. Übrigens, wenn ich mich nicht verzählt habe, waren heute acht UK-Top-20-Singles in der Setliste. Mal etwas anderes auf dem Wacken Open Air.
[Frank Jaeger]

 

Dass ich mich tatsächlich mal freiwillig vor die Wackinger-Stage verirre, hängt zum einen damit zusammen, dass es nun einmal Mittwoch ist und das breite Programm mit massiven Überschneidungen noch nicht in vollem Gange ist, zum anderen aber auch wirklich mit der auftretenden Band: VERSENGOLD. Von einer spontanen Laune getrieben habe ich mich kurz vor dem Wacken auf die Empfehlung von Freunden hin mal mit einer dieser ganzen "lustig verkleideten, alle gleich klingenden Sauf-Bands" beschäftigt – und dabei festgestellt, dass mein Bild der Dinge vielleicht nicht mehr so ganz dem aktuellen Stand entspricht. Diese Erkenntnis verfestigt sich heute während der 60 Minuten der Bremer, die beweisen, wie Folk auch ohne massive Klischees funktioniert, wie Party geht, ohne dabei komplett banal zu werden und wie raffiniert Genre-Songs sein können, die man eben noch nicht -zigfach gehört hat. VERSENGOLD präsentiert sich in jeder Hinsicht angenehm luftig und frisch, trotz klassischen Instrumentariums durchaus poppig, weiß mit ernsteren, teils düsteren Nummern ('Haut mir kein' Stein') ebenso zu überzeugen wie mit den flotten, beschwingten Liedern ('Drey Weyber'). Ein ganz großer Faktor ist dabei neben der lebhaften Performance auf jeden Fall auch die wirklich wunderbare Lyrik, die mir derart noch nicht zu Ohren gekommen ist – aber ich bin wie gesagt auch kein Genre-Kenner. Ein nicht unwesentlicher Teil des Wacken-Publikums steht solchen Klängen grundsätzlich sehr aufgeschlossen gegenüber, sodass es nicht verwundert, dass die hier Versammelten mit der vollen Energie eines ersten Festivaltages entsprechend Gas geben. Die Band weist mehrfach auf die noch folgenden Auftritte und dem Release des neuen Albums "Funkenflug" in zwei Tagen hin (siehe dazu den Bericht meiner Kollegin Leoni), von dem es heute bereits die ein oder andere Kostprobe gibt, bevor ich nach 'Spaß bei Saite' spätestens endgültig anerkennen muss, dass sich der Gang vor diese Bühne tatsächlich lohnen kann. Ich werde es in den kommenden Tagen zwar nicht mehr schaffen – zu wichtigen sind die großartigen Bands des Metalls – aber VERSENGOLD hätte ich mir tatsächlich gerne noch einmal gegeben. Chapeau, meine Herren!
[Oliver Paßgang]

 

Zum Abschluss meines ersten Tages auf dem Wacken Open Air gebe ich mir noch ein bisschen Sludge. CROWBAR habe ich zugegebenerweise Ende der Neunziger aus den Augen verloren. Ich bin kein großer Fan der Band, fand sie aber anfangs ganz originell, wenn ich auch immer durch den Gesang abgeschreckt war. So erwarte ich schwerfälligen Metal wie eine Dampfwalze und werde nicht enttäuscht. Hey, das kenne ich ja sogar! Und auch das zweite Lied, das ist einer der Songs mit schnelleren Passagen, 'All I Had (I Gave)'. Leider ist hier vorne der Sound ziemlich matschig und nach einer Weile ergeht sich die Band in ihren langsamen, schweren Stücken, die kaum Abwechslung bieten und zumeist nicht mal mit einem erkennbaren Refrain punkten können. Show gibt es auch keine, das würde auch nicht passen, aber nachdem wir es hier mit einem Festival von vier Tagen zu tun haben und ich heute schon ziemlich lange Zeit auf der Autobahn verbracht habe, bemerke ich, das ich müde werde und mir das Geschehen auf der Bühne zunehmend Langeweile beschert. Es ist alles doch einfach zu ähnlich. Ich bin dann morgen wieder am Start.
[Frank Jaeger]

 

Hier geht es zum Donnerstag...

Redakteur:
Frank Jaeger

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