Trouble - Hamburg

31.10.2013 | 22:28

17.10.2013, Hafenklang

Trouble doomen in der Hafenstadt!

Nun zählt man schon so lange zur Hörerschaft der Doom-Legende und muss eine weitere Veränderung in der Besetzung dieser Band verdauen. Doch bevor ich zur Gegenwart komme, sei dem Leser folgende Frage gestellt: Wie ist dein Erstkontakt mit TROUBLE verlaufen, welches Riff fräste sich als erstes durch dein wabbeliges Hirn? Bei mir war es 'The Tempter'. Ich saß angenehm betüdelt auf einer Party, die meisten Gäste lagen bereits irgendwo in den Ecken oder fummelten aneinander rum (möglicherweise auch beides gleichzeitig), da legte der Hausherr ein schwarzes Stück Vinyl auf den Teller. In ohrenbetäubender Lautstärke ertönte dieses Riff, wenig später diese Stimme.

Brutaler Schnitt – hier und heute. Nach dem mehrjährigen Gastspiel von Kory Clarke, der zwar ein charismatischer Sänger ist, aber stimmlich doch nicht gänzlich passte, nun also Kyle Thomas! Wie man mittlerweile weiß, hatte TROUBLE mit Thomas (EXHORDER, ALABAMA THUNDERPUSSY, FLOODGATE) bereits Mitte der Neunziger musiziert, als Eric Wagner eine schwierige Zeit hatte. Nun, mit "The Distortion Field" hat man ein recht langes Album veröffentlicht, welches meiner Meinung ein kleiner Klassiker hätten werden können, wäre es auf die allerstärksten Nummern komprimiert worden. Davon ab legt Kyle Thomas auf dem Ding eine superbe Leistung hin. Auch wenn es Doom-Jüngern der ersten Stunde immer noch schwerfällt, TROUBLE ohne Eric Wagner zu hören, so muss die Variabilität und Stimmgewalt des Ex-Thrashers doch anerkannt werden. Wie das wohl erst live klingt?

Leider geht MANTAR im Gewimmel der Begrüßungen unter. Zwar ist das Hafenklang nicht gerade überfüllt, dafür kennt man fast jeden Besucher – typisch für die Doom-Szene. Und man kann an langjährigen Bekannten schließlich nicht einfach vorüberhasten. Alles schön langsam hier. Erst mal nach der Gesundheit der Kinder erkundigen und so. Zudem ist unsere zehnköpfige Kieler Reisegruppe auch eher verplant und verliert sich auf dem komplizierten Weg vom Hamburger Hauptbahnhof zum Hafenklang immer wieder. Schade eigentlich - die letzten Takte klingen ganz geil. Das Duo liefert 'ne derbe Krachwand (Black Metal Doom Punk Sludge sagen sie selbst), befeuert von einem fiesen Strobokop-Gewitter.

Ich hätte lieber MANTAR statt der nun folgenden CHÄIRWALK gesehen. Diese Band muss echt mit dem Talent gesegnet sein, jeden Klubbesitzer so lange zu nerven, bis er zusammenbricht und sie bucht. Ich hab sie neulich bereits mit THE BABOON SHOW gesehen. Passte gar nicht zum Punkrock der Schweden. Und heute? Passen sie gar nicht zum Doom von TROUBLE. Wär ja auch egal, wenn sie nicht so verdammt langweilig wären. Handwerklich zwar gut, aber da ist nichts, was mein Blut erhitzen könnte. Halt so Neunziger Groove-Rock. Dabei sind die Typen nicht unsympathisch und die Ansage von Bassist Janny Only, dass er als Fanboy seine "Manic Frustration"-Platte mitgebracht habe, bei Vorlage zum Autogramm-Abernten mit der Aussage des Bassisten überrascht worden sei, dies sei die einzige Scheibe, die ihm fehle (gekontert übrigens mit "Mach ‘nen Preis") bleibt positiv im Gedächtnis. Immerhin.

Die fünf Herren von TROUBLE sind sich offenbar bewusst, dass sie in der jetzigen Situation die ganz dicke Kelle rausholen müssen. Zwei Sängerwechsel nacheinander haben schon ganz andere Bands ins Grab getrieben. Also machen sie genau das – die ganz dicke Kelle zücken! Los geht es mit einer donnernden Version von 'The Tempter', grandios gesungen von Kyle Thomas, der auch den gesprochenen Part im Intro übernimmt (sehr cool!). Die Gitarren sägen im typischen TROUBLE-Klang, den schon zahllose Gitarristen nachzuahmen versuchten. Übrigens: Ich stehe ganz vorne und luschere diesbezüglich ganz neugierig und kann verkünden: Keine Effekte, keine Tretminen! Ich weiß nicht, was Bruce Franklin und Rick Wartell möglicherweise an ihren Marshalls rumgelötet haben, aber letztlich zählt, was die Finger zaubern. Und das bringt heute so manchen Doom-Maniac halb um den Verstand. Fliegende Rüben, ekstatischer Zeitlupenausdruckstanz, verschüttetes Bier. Es folgt 'The Sleeper' – auch diese Phase ist unter den BesucherInnen offenbar sehr beliebt. Mit Recht, denn wie zwingend ist bitte bereits die Einstiegsgesangslinie mit den Worten "Noises in the corner of the park / Do birds fly higher in the dark"? Und dann dieser Refrain: "Shine on everyone / Somewhere there’s got tob e a better sun / Where is peace and understanding"! Spätestens jetzt hat niemand mehr Zweifel an Kyle Thomas’ Fähigkeiten, der eine unfasslich breite Palette an stimmlichen Möglichkeiten bietet. Fürs Brutalo-Thrash-Gewitter EXHORDERs über die deutlich melodischeren FLOODGATE bis hin zu den melancholischen TROUBLE-Vibes verkörpert er jeweils die passende Stimme. Gut, dieses typisch weinerliche Element bleibt Eric Wagner vorbehalten, aber diesen komplett zu ersetzen, das ist eben auch unmöglich. Kyle Thomas hat den Job, den alten Stücken mit größtmöglicher Würde Leben einzuhauchen, und das macht er derart gelungen, dass man sich schon wundern muss, warum dieser Sänger nicht bekannter geworden ist. Mit 'At The End Of My Daze', 'Psalm 9', 'Flowers', 'Wickedness Of Man', 'Endtime', 'Come Touch The Sky' und 'Revelations' kommen viele alte Songs, an neueren Stücken spielen sie geschickterweise die traditionellen Hämmer 'Hunters Of Doom', 'Paranoia Conspiracy' und 'Sucker'. Irgendwann weben sie ein paar BLACK-SABBATH-Riffs in ein Outro – eine kurze geschmackvolle Verneigung. Es wirkt authentisch, als das völlig begeisterte Publikum die Band zurückbrüllt und offenbar ungeplant noch 'R.I.P.' rangehängt wird. Fazit: TROUBLE war live immer klasse (unvergessen der 95er Dynamo-Auftritt, bei dem der Himmel seine Schleusen aufs Heftigste öffnete und eine Horde Doom-Heads schlicht weiterfeierte) – aber ich bin von ihnen schon lange nicht mehr derart begeistert worden wie heute.

Playlist: The Tempter, The Sleeper, At The End Of My Daze, Psalm 9, Paranoia Conspiracy, Hunters Of Doom, Flowers, Wickedness Of Man, Endtime, Come Touch The Sky, Sucker, Revelations, R.I.P.

[Philipp Wolter]

Redakteur:
Holger Andrae
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