Thrash Over Walsrode VI: KNIFE, PHANTOM CORPORATION und LESSON IN VIOLENCE - Walsrode

22.03.2024 | 12:03

08.03.2024, Mittendrin

Dreimal Rübe ab, bitte!

Seit ich im letzten Jahr zum ersten Mal auf die jährliche Veranstaltungsreihe "Thrash Over Walsrode" gestoßen bin und viel Spaß bei der fünften Auflage hatte, habe ich mich auf den Nachfolger gefreut. Schon die Ankündigung, dass bei der 2024er Ausgabe die hessischen Senkrechtstarter KNIFE spielen sollen, ließ mich mit der Zunge schnalzen. Also ab ins Auto und die 20 Minuten Anfahrt nebst völlig komplikationsfreier Parkplatzsuche hinter sich gebracht. Ein Hoch auf den Underground!

Wobei - zählt eine Band, die bei Napalm Records unter Vertrag steht, noch zum Underground? Naja, für die Band Nummer eins des niveauvollen Abends stellt sich die Frage gar nicht. LESSON IN VIOLENCE aus Schweinfurt begibt sich unter den namensgebenden EXODUS-Klängen auf die Bühne des wirklich gut gefüllten Kulturzentrums. Mitgebracht hat die Band heute nicht nur einen ziemlich großen Backdrop, sondern auch Songs vom in Kürze erscheinenden neuen Album "No Need For Death" und eine große Portion gute Laune. Vor allem Frontmann Florian Negwer zieht alle Blicke auf sich, wenn er freudestrahlend über die Bretter prescht und dabei Songs wie 'Natural Born Thrasher', 'Salvation' oder die Bandhymne zum Schluss des Sets unter Beanspruchung eines jeden Stimmbands überzeugend abliefert. Ich kannte die Band im Vorfeld nicht und hatte es auch nicht mehr geschafft, vorher mal hineinzuhören. Aber auch ich fand mich sehr schnell im recht aggressiven Thrash-Gebräu zurecht. Mir fehlt es bei den Songs noch etwas an Mut und Eigenständigkeit, wenn das Vorbild tatsächlich EXODUS heißt. Aber ich bin ja auch bei eben jenem Urgestein eher Zaungast als Fan, deshalb vertiefe ich das hier nicht weiter. Für heute darf man den Unterfranken aber auf jeden Fall zu einem überzeugenden Gig gratulieren. Die Nackenmuskulatur ist nach dieser Attacke mehr als aufgewärmt.

Als nächstes richten sich die, im etwas weiteren Sinne, Lokalmatadoren von PHANTOM CORPORATION auf der Bühne ein. Ich bin schon im Vorfeld sehr gespannt auf den Auftritt, ist mir doch die sehr wohlwollende Rezension von Kollege Andrae noch im Hinterkopf. Und wenn ich mich recht entsinne, stand da irgendwas von "Crust", was relativ zuverlässig immer ein Anzeichen für mein Gefallen darstellt. Leider kam ich im letzten Jahr nicht dazu, mich nach dem Lesen auch mit dem Hören zu befassen, was heute aber in ordentlicher Lautstärke nachgeholt werden soll. Das Publikum ist schon gefüllt, als zunächst Bassist Ulf Imwiehe mit im Bühnenlicht prächtig leuchtender Haarpracht sein Instrument auspackt. Schnell ist das Hintergrundbanner ausgetauscht und der Spaß kann auch schon beginnen. Und was für ein Spaß das ist! Der erst fröhlich lächelnde Frontmann Leif Jensen, den die meisten noch von DEW-SCENTED kennen dürften, die ich damals in jugendlichem Leichtsinn immer ignoriert habe, mutiert zum Tier, sobald sich das Mikrofon seinem Mund nähert. Ähnliches gilt für Schlagzeugzerdrescher Marc-Andrée Dieken - was für ein kompromissloser Sound, herrlich! Dass zwischen den kurzen harten Songs genug Platz für Gelaber und Gespaße bleibt, kommt den versammelten Sympathiebolzen ebenfalls zugute. Da wird der heutige Frauentag zelebriert (bei dieser rein männlichen Veranstaltung heute) und über die genaue Herkunft von Tieftöner Ulf aufgeklärt - das ist nämlich gar nicht Bomlitz, sondern irgendein anderes Kaff in der Walsroder Umgebung, bei dessen Nennung es dann auch folgerichtig Applaus gibt. Und für das Geburtstagskind "Flöte" gibt es ein achtunddreißigsekündiges "Ständchen". Aber auch ohne das Drumherum und Zwischendurch überzeugt der Auftritt der verkrusteten Todesmetaller. Besonders schön sind die vielen melodischen Gitarrenleads von Arne Berents und Live-Verstärkung Marc Bräutigam zwischen der ganzen Zerstörung und das ausreichend verständliche Mikro-Röhren, dass selbst Extrem-Metal-Kostverächtern, wie ich es bin, gefällt. Anschließend wurde übrigens selbstverständlich das für einen sehr fairen Preis angebotene Album käuflich erworben, das seit dem Konzert fleißig seine Runden dreht. Ein schönes Ding!

Während viele Besucher die Umbaupause mit einer wohlverdienten Raucherpause verbinden und frische Luft schnappen gehen, verfolge ich noch einmal den Wechsel des Backdrops, bei dem ein schwindelfreier Kollege eine hinter dem Drumset wacklig angelehnte Leiter emporsteigt und Kabelbinder durch das Gestänge friemelt. Nervenkitzel für jeden Zuschauer. Fast genauso gespannt warte ich auf den Auftritt des heutigen Headliners KNIFE, konnte der Black-Thrash der Marburger im August-Soundcheck unseren bockstarken Chefredakteur doch durchweg überzeugen. "Schön garstig" lautete der Kurzkommentar, was es durchaus auf den Punkt bringt. Der Vierer um Sprachrohr Vince Nihil knallt ohne jede Bremsvorrichtung voll aufgeladen durch die Botanik. Genannter Herr hat nicht nur seine Nietengürtel eingepackt, sondern auch eine Menge Gift und Galle, die er dem Walsroder Rund hier ins Gesicht spuckt. Hat schon fast was von NIFELHEIM, nur mit etwas mehr Punk. Leider merke ich nach einigen Songs, dass mir schon ein Arbeitstag in den Knochen steckt und meine Ohren so langsam genug vom Krawall haben. Tatsächlich gönnen die Hessen mir auch keine großen Verschnaufpausen, sondern krawallen ihren Krawall genüsslich weiter. Mir wird das auf Dauer etwas zu gleichförmig, was mir erneut vor Augen führt, warum ich den schwarzen Speed-Thrash gar nicht so gerne mag. Da sich im Verlauf des Sets langsam die Reihen lichten, bin ich wohl nicht der einzige, dem es so geht. Da aber auf der anderen Seite viele Menschen offensichtlich eine gute Zeit bei dem Auftritt haben, höre ich auf zu stänkern und schiebe es auf den fehlenden Alkohol in meinen Blutbahnen.

Irgendwann mitten in der Nacht ist dann auch die sechste Ausgabe des "Thrash Over Walsrode" Geschichte. Ich bin schon gespannt, was uns die Organisatorinnen und Organisatoren für die siebte Ausgabe dieser fantastischen Verantaltung im nächsten Jahr vorbereiten.

Redakteur:
Marius Luehring

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