THREE DAYS GRACE und 10 YEARS - München

29.09.2022 | 17:27

25.09.2022, Tonhalle

Eine volle Halle! Eine Stimmung wie seit Jahren nicht mehr!

Ein ganz reguläres Hallenkonzert auf einer stattfindenden Tournee, das hatte ich schon eine Weile nicht mehr. Es ist schon ein ganz seltsames Gefühl, etwas, das man fast nicht wiedererkennt. Los geht es nach München in die Tonhalle, eine Location im Werksviertel, einem Vorzeige-Quartier, das auf dem ehemaligen Gelände mehrerer Industrieunternehmen, darunter Pfanni, entstanden ist und noch entsteht. Als wir eintreffen, steht bereits eine lange Schlange am Eingang, doch meine Augenbrauen kommen schnell wieder runter, denn der Einlass ist zügig und problemlos. Ich schaue mich um. Die sind irgendwie alle viel jünger als ich. Gut, dass ich Noah und Katharina dabei habe, die gleichen mich wieder aus.


Drinnen ist es bereits gut gefüllt, die Kanadier haben eine ordentliche Fanbasis in der Landeshauptstadt. Ein kurzer Blick auf das Merchandise zeigt aber, dass denen wohl der Kittel brennt, denn 40 Euro für ein Girlie, 35 für ein reguläres T-Shirt? Finde ich jetzt doch ein bisschen arg teuer. Grummelnd gehen wir mal weiter nach vorne, ich will ja Fotos machen und muss mal schauen, wie ich in den Fotograben komme. Das geht problemlos und kurz nachdem wir eintreffen, betritt auch schon die Vorband die Bühne, eine Viertelstunde vor der angekündigten Zeit.

Der Anheizer heute heißt 10 YEARS. Die Rockband aus Tennessee habe ich vorher nur dem Namen nach gekannt und musste mich erstmal per Stream einhören. Was ich gehört habe, war gut, und tatsächlich ist der knackige Alternative Rock bis Metal der Fünf cool, eingängig und melodisch. Sänger Jesse Hasek bemüht sich um Publikumsnähe, erzählt gerne etwas und heizt die Fans auch schon mal ein wenig auf den Hauptact an. Hier weiß jemand, dass er nur Nebensache ist, macht aber das Beste daraus und dadurch eine wirklich gute Figur. Leider kann ich mit Songtiteln nicht dienen, da ich mit dem Material nicht vertraut bin, aber immerhin wird das Lied 'The Optimist' angekündigt, da es sich um einen neuen Song handelt. Ansonsten ist die Band auf der Bühne sehr aktiv, der Sound sehr gut und die Jungs einfach sympathisch. Gute Band, sollte man sich merken und sich einmal eingehender damit befassen. Nur das hektische und extrem wechselnde Licht macht mich fertig, da sind Fotos wirklich schwierig. Na ja, das ist aber nicht, was zählt. Die Vorband ist jedenfalls eine gute Wahl.

Nach einer halben Stunde folgt dann der Hauptact. Beziehungsweise erstmal kommt Hip Hop vom Band, 'Jump Around' von HOUSE OF PAIN. Das Stück ist ziemlich schrecklich, noch schrecklicher ist, dass es ausgespielt wird. Warum? Geschmacksverirrung? Keine Ahnung, aber es ist auf jeden Fall überflüssig und als Intro völlig unbrauchbar.

Aber dann beginnen 85 Minuten Vollbedienung. 'So Called Life' eröffnet den Reigen, es ist vom aktuellen Album "Explosions", bei dem die Band etwas subtiler zu Werke geht als zuvor, oder sollte ich sagen, reifer? Dieses Lied hat aber den gleichen Energielevel wie zuvor und eignet sich damit bestens als Opener. Danach folgt ein wilder Ritt durch alle sieben Alben der Karriere der Kanadier. Ja, davon könnten sich so einige andere Kapellen mal eine Scheibe abschneiden, hier wird kein Teil ausgespart, was ja sonst gerne geschieht. Okay, "Transit Of Venus", "Human" und "The Outsider" bekommen etwas weniger Aufmerksamkeit, aber werden eben auch nicht einfach vergessen.

Dazu ist die Band offensichtlich gut drauf. Sänger Matt Walst hat zwei Podeste vorne an der Bühne, auf die er gerne klettert und seine Texte gut sichtbar bis in die hintersten Ecken in die Meute brüllt. Dazu fordert er mehrfach einen Circle Pit, aber das kann er heute ziemlich vergessen. Zum einen ist es wirklich gut gefüllt, und zum anderen... nun, das ist doch Alternative Metal, kein Core. Und zu guter Letzt ist das Publikum eher jung und Mainstream. Worüber sich THREE DAYS GRACE sicher nicht beschweren wird, denn das ist der Stoff, aus dem steile Karrieren gestrickt sind.

In jedem Fall ist die Stimmung hervorragend, es wird getanzt, gesungen, gebangt, die Band feuert eine Granate nach der anderen ab. Klar, in Nordamerika sind die Buben eine ganz große Nummer mit zwanzig Nummer-Eins-Hits in den Spartencharts der USA, besonders den Hot Mainstream Rock Tracks, die sich zu einem wirklich beachtenswerten Format entwickelt haben. Nach einer guten halben Stunde, in der ich schon mal glücklich gemacht werde, denn mein Lieblingslied 'Break' wird ebenfalls gespielt, gibt es eine kurze Pause, in der die Instrumente für ein Akustik-Intermezzo vorbereitet werden, das aus 'The High Road' und 'World So Cold' besteht. Ja, das ist nicht schlecht, aber die Stimmung wird dennoch recht abrupt gestoppt. Zwar sind Band und Sänger wirklich top, aber auf diese Einlage hätte ich gut verzichten können. Dass das Lied 'World So Cold' recht lange ausgewalzt wird, hilft da auch nicht.

Danach geht es wieder los. Zumindest nach einer weiteren kleinen Umbaupause, in der das Akustiksetup wieder entfernt wird. Zu dem folgenden 'Just Like You' hat sich die Band aber auch etwas Besonderes ausgedacht. Es werden zwei Zuschauerinnen aus dem Publikum auf die Bühne gebeten, mit Mikrophonen ausgestattet und zum Singen animiert. Tatsächlich hört man die beiden auch gelegentlich leicht, obwohl die Band vorsichtig agiert und die Damen relativ leise gedreht hat. Klar, es könnte ja auch mal schief gehen und eine völlig unmusikalische Person mit schräger Stimme dabeisein, von der man sich einerseits nicht den Song zerjaulen lassen möchte und die man sicher auch nicht bloßstellen will. Da besteht heute aber keine Gefahr, die beiden jungen Damen sind textsicher und tauen auch recht bald auf. Sänger Matt animiert noch ein wenig und bringt auch die beiden Podeste zum Einsatz, aber schon bald rockt THREE DAYS GRACE mit drei Personen an den Mikrophonen. Nicht schlecht!

Zu jedem folgenden Song brandet großer Jubel auf, die Kanadier sind auf einem Triumphzug. Siebzehn Lieder, siebzehn Volltreffer, ein sympathischer Sänger, ein kaum zu haltender Brad Walst am Bass, der wie aufgezogen über die Bühne wetzt, dazu Gitarrist Barry Stock, der ausschaut, als ob er sich um die Nachfolge von Dusty Hill bei ZZ TOP bewerben wollte, sowie Schlagzeuger Neil Sanderson, der auf seinem erhöhten Drumset wie ein König über dem Geschehen thront und ebenfalls gut gesehen werden kann, bringen nach fast eineinhalb Stunden mit 'Riot' den Auftritt zu seinem Ende. Frenetischer Applaus begleitet THREE DAYS GRACE, aber nach siebzehn Liedern ist Schluss.

Live ist die Band auf jeden Fall eine Wucht, besonders in einer solchen Halle, fast voll, mit geschätzten Tausend Fans, die mit viel Enthusiasmus und Feierlaune kaum Aufforderung benötigten, um der Band einen jubelnden Empfang zu bereiten. THREE DAYS GRACE waren es wert, würden sicher auch auf einigen Festivals eine gute Figur machen (hüstel... *Summer Breeze*... hüstel) und sorgten dafür, dass ich doch am Ende vierzig Euro locker mache. Trotzdem, über die Merch-Preise würde ich gerne mal mit dem Management reden, das ist doch wirklich zuviel. Oder?

Setliste: So Called Life; Animal I Have Become; Home; Pain; Break; The Mountain; I Am the Weapon; Painkiller; The High Road; World So Cold; Just Like You; Neurotic; The Good Life; Lifetime; I Hate Everything About You; Zugabe: Never Too Late; Riot

Redakteur:
Frank Jaeger

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