Sentenced, Lacuna Coil - Halle

26.11.2002 | 06:33

21.11.2002, Easy Schorre

Da fördert doch der Herbst, der eigentlich schon fast ein Winter ist, ein echt interessantes Package zu Tage. Für düstere Gemüter ist ein gemeinsames Gastspiel von SENTENCED und LACUNA COIL sicherlich eine Muss-Tour, aber auch für viele anderen dürften diese Bands einen Konzertbesuch rechtfertigen. Glich die Easy Schorre bei Betreten meinerseits kurz vor dem offiziellen Anpfiff aber noch dem Bevölkerungsaufkommen in der Antarktis, so hatte sie sich zu den Höhepunkten des Abends durchaus ansehnlich gefüllt, auch wenn die Besucherzahlen des IN FLAMES/PAIN-Konzertes Anfang Oktober sicherlich nicht erreicht werden konnten.

Die Eröffnung des Abends bestritten die Schweden von BLACKSHINE, eine musikalisch durchaus interessante Truppe. Eine knappe halbe Stunde durften sie ran und zeigten sich engagiert und gut gelaunt. Der klasse Sound (die Soundverhältnisse blieben den ganzen Abend über erstklassig) sorgte für einen Auftakt nach Maß. Die sehr melodische Mischung aus Death Metal und gradlinigem Rock gefiel mir ziemlich gut, für eine Vorband waren die Publikumsreaktionen auch schon durchaus ansprechend. Den neuen Stücken vom aktuellen Album "Soulless & Proud" ("Outcast", "Sacrifice", "Love Our Hell") standen die älteren Sachen wie "My Pain Is Your Pleasure" und "The Dead Is The Winner" in nichts nach, sodass man bei diesem Auftritt von einer runden Sache sprechen kann. BLACKSHINE hinterließen einen guten Eindruck, eine Band die man im Auge behalten sollte.

Der zweite Streich war LACUNA COIL vorbehalten, einer Band die mich schon immer irgendwie fasziniert hat. Zum einen hebt man sich vom sehr vielbeinigen, aber oft wenig originellen Gothic-Genre durch eine gewisse eigene Note ab und zum anderen würde ich lügen zu behaupten, dass mich nicht auch Cristina Scabbia (und hier auch nicht nur ihre Sangeskünste) durchaus beeindruckt. Aber eines ist auch ganz klar, LACUNA COIL ist nicht nur Cristina. Wie man sich als Band in den letzten Jahren entwickelt hat, ist echt bemerkenswert. So ist nicht nur ihr neuestes Album "Comalies" ihr bisher bestes, auch auf dem Livesektor ist ein deutlicher Aufwärtstrend erkennbar, ohne dass man dabei zu professionell wirken würde. Ich habe die Italiener heuer bereits zum vierten Mal gesehen und sie gefielen mir jedes Mal besser, was vor allem dem Zuwachs an Ausdrucksstärke und der, im Fußball würde man sagen, mannschaftlichen Geschlossenheit zu verdanken ist. Besonders Andrea Ferro und sein bereits erwähnter weiblicher Gegenpart sind bestens aufeinander eingespielt und wissen mit ausdrucksstarkem Gesang und Stageacting zu überzeugen.
Mit "Comalies" und dessen Vorgänger "Unleashed Memories" in petto war es zu erwarten, dass die nicht minder interessante Phase vor diesen beiden Alben weitestgehend außen vor bleiben würde. Lediglich "Falling Again" vom "In A Reverie"-Album schaffte es ins Programm, aber dafür war dieses Stück ein echter Hammer. Die von Cristina allein intonierte Ballade löste sicherlich nicht nur bei mir wohlige Gänsehautschauer aus. Herrlich! Ansonsten gab es aber kaum Überraschungen (siehe Setlist unten) bei der durchgehend hochwertigen Songauswahl. LACUNA COIL sind für mich zu einer der großartigsten Band im Gothic-Bereich geworden, wie dieser starke Auftritt ohne wenn und aber unter Beweis stellte. Deshalb war mir die reichliche halbe Stunde Bühnenzeit auch deutlich zu wenig.

Setlist LACUNA COIL:
To Live Is To Hide
Swamped
Heaven's A Lie
Senzafine
Self Deception
Falling Again
When A Dead Man Walks
Tight Rope
Daylight Dancer

Achtung, klassischer Einleitungssatz! Über SENTENCED noch viele Worte zu verlieren, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Auf dem Livesektor ist die Band ja eh schon seit ewiger Zeit eine absolute Macht und auch auf Platte hat man ja nach dem zu Recht ein wenig kritisierten "Crimson" mit der neuen Scheibe "The Cold White Light" einen echten Hammer von der Stärke der Bandklassiker "Frozen" und "Down" abgeliefert. Somit konnte natürlich nicht mehr viel schief gehen. Und um es vorwegzunehmen, wie schon beim Auftritt auf dem diesjährigen Summer Breeze konnten die Depri-Finnen auf ganzer Linie überzeugen. Bei der Songauswahl hat man m.E. einen guten Mittelweg zwischen alt und neu gefunden, allerdings muss dabei angemerkt werden, dass sowieso jeder Song von den zahlreichen Fans gnadenlos abgefeiert wurde. Ziemlich gelungen fand ich den Umstand, dass von "Crimson" mit "Broken" nur eine Nummer gespielt wurde, während mit "Sun Won't Shine", "Noose" und "Bleed" als Zugabe drei "Down"-Songs zu ihren Ehren kamen. Absolut genial fand ich die Tatsache, dass als Rausschmeißer kein geringerer Song als die IRON MAIDEN-Hymne "The Trooper" für den zweifellosen Höhepunkt des Abends sorgte.
Sehr unterhaltsam präsentierte sich auch Sänger Ville Laihiala, der u.a. zu "Fuck you, Ville"-Sprechchören animierte, weil er bereits nach dem zweiten Stück den letzten Song angekündigt hatte. Seine Ansagen waren lustig und stilecht, sodass er sich weder zum Clown machte, noch die düster-melancholische Grundhaltung aufgab, die ein Finne einfach an den Tag legen muss. Auch für SENTENCED gilt das selbe wie für LACUNA COIL; obwohl man der Band live eine sehr große Erfahrung anmerkt, führt das nicht zu einer zu starken Professionalität. Es ist einfach so, dass man merkt, dass Band und Publikum gleichermaßen Spaß am Konzert haben, wie es ja auch sein soll.
So, nun aber genug gejubelt, denn es gibt auch einen klaren Kritikpunkt. Mit nur einer Stunde war man doch sehr kurz angebunden (sogar das anderorts gespielte "Farewell" wurde weggelassen), insgesamt sind zwei Stunden reine Spielzeit bei zwei Bands dieser Größenordnung plus Vorband schon etwas dürftig. Wenn ich das mit dem Konzert von IN FLAMES vor sechs Wochen an gleicher Stelle vergleiche, die sich mit 19 Songs in 90 Minuten wirklich den Arsch abspielten und SENTENCED jetzt einfach mal von Größe und Bekanntheit her in die selbe Kategorie wie die Göteborger werfe (höre ich da schon die Aufschreie, dass ich damit IN FLAMES Unrecht tun würde?), dann hätte es schon etwas mehr sein können. Zumal ich mich nicht an mein letztes Konzert zurück erinnern kann, das bereits um 23 Uhr "over and out" war. Nun soll das natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein voll und ganz lohnendes Konzert war, nur bei drei so guten bis erstklassigen Bands ist man natürlich etwas enttäuscht, wenn schon relativ zeitig der Vorhang fällt. Trotzdem: insgesamt 'ne tolle Sache, das.

Setlist SENTENCED:
Cross My Heart And Hope To Die
Neverlasting
Sun Won't Shine
Brief Is The Light
Aika Multaa Muistot (Everything Is Nothing)
Noose
Broken
No One There
Nepenthe
The Suicider
Excuse Me While I Kill Myself
---
Bleed
The Trooper (IRON MAIDEN)

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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