Rock Hard Festival 2013 - Gelsenkirchen

30.05.2013 | 00:00

17.05.2013, Amphitheater

Für Kohle und Stahl kommt man noch immer ins Ruhrgebiet!

Was ist das Beste an Gelsenkirchen? Die Antwort muss (nicht nur als Dortmunder) ganz klar lauten: das Rock Hard Festival! Zum elften Mal trifft sich die Metal-Szene am Rhein-Herne Kanal, um im Amphitheater, einem der schönsten Venues Deutschlands, der harten Stromgitarrenmusik zu huldigen. Kohle und Stahl bestimmen im Ruhrgebiet auch im 21. Jahrhundert die Kultur, wenngleich Erstere am Pfingstwochenende auf dem Grill landet und der Stahl auf der Bühne stattfindet. Dass die Szene hier quicklebendig ist, beweist die Zahl der Besucher (knapp vor ausverkauft) und die Qualität großer und kleiner Bands, die für die diesjährige Ausgabe gebucht wurden. Ganz im Sinne des Undergrounds gibt es immer mindestens 40 Minuten Spielzeit, in der sich auch die Newcomer angemessen präsentieren können. Da an der Ein-Bühnen-Politik zum Glück auch nichts geändert wurde, lassen sich die drei Tage in angenehmer und komfortabler Atmosphäre verbringen. Das Line-up ist als Gesamtpaket in manch anderem Jahr schon stärker gewesen, doch die Vorfreude der Redaktionsmitglieder ist ungebrochen. Angefangen bei jungen, frischen Bands wie ATTIC oder SLINGBLADE, über etablierte Festival-Größen wie SEPULTURA, D.A.D., bis hin zu den drei Headlinern U.D.O., QUEENSRYCHE und KING DIAMOND sollen fast alle Genre-Fans auf ihre Kosten kommen. Da auch die Wetterfront keine epische Sturmflut voraussagt, sind wir alle bester Dinge. Was es an den drei Tagen auf der Bühne zu bestaunen gab, verraten Euch folgende Redaktionsmitglieder: Arne Boewig, Julian Rohrer, Marcel Rapp, Nils Macher, Oliver Paßgang, Raphael Päbst, Rüdiger Stehle und Thomas Becker. Die Fotos schießt Stefan Schumann.

[Nils Macher]

 

Eine Runde zünftigen Thrashs, um das diesjährige Rock Hard Festival in Schwung zu bringen. So wurden die Franken von HELLISH CROSSFIRE angekündigt. Leider hält sich die Zünftigkeit in Grenzen und ich bleibe erst einmal am oberen Rand des Amphitheaters sitzen, weil man dort näher am Bier und weiter weg von der Bühne ist. Instrumental ist bei der Band alles in Ordnung, hier und da holpert es zwar etwas, aber im Großen und Ganzen ist man gut eingespielt und die Gitarrenleads lassen das eine oder andere Mal wirklich aufhorchen. Leider fällt der Gesang im Vergleich dazu merklich ab. Ich verstehe ja, dass es hier um Thrash Metal und nicht um Oper geht, aber das Gebotene ist nur wenig aggressiv und rüpelt etwas kraft- und ambitionslos dahin. Auch scheint die Band mit so großen Bühnen nur wenig vertraut, die ganze Darbietung bleibt etwas steif und vermag es nicht, über eine nette Hintergrundbeschallung für einen Nachmittagsumtrunk hinauszukommen. Alles in allem ist das etwas enttäuschend und in den vergangenen Jahren gab es da durchaus schlagkräftigere Eröffnungsbands im Amphitheater.

Setlist: Conquerors of Black Souls, Into the Old and Evil, Orgasmic Rush, Eternal Tyranny, Claw of the Reaper, Too Tough to Die, Night of the Possessed

[Raphael Päbst]


Nach der herben Thrash-Attacke von HELLISH CROSSFIRE tönt jetzt RIHANNA aus der PA. FLESHCRAWL haben anscheinend viel Humor, die seichte Popmusik dient nur als Kontrast zur folgenden Death-Walze, die auch in der letzten Reihe den noch etwas müde wirkenden Fans das Ohrenschmalz aus den Lauschern pustet. Heftig - auf jeden Fall. Die volle Kanne Brutalität - allerdings. Kommt aber im Publikum nicht so gut an wie die erste Band des Tages und die Euphorie beschränkt sich wohl eher auf Genre-Fans. Auch mit den Tageszeiten hat es Sänger Sven nicht so ganz ("Guten Abend Rock Hard Festival" um vier). Beim restlichen Set packen die Jungs aus Bayern (genauer: aus dem bayerischen Schwaben - RS) aber noch ein paar Nackenbrecher aus, die mehr Köpfe zum Kreisen bringen, und in Anbetracht der frühen Tageszeit geht der 40-minütige Auftritt absolut in Ordnung.

Setlist: As Blood Rains From The Sky, Soulskinner, Dark Dimension, Structures of Death, Damned in Fire, Into the Fire of Hell, Beneath a Dying Sun, Written in Blood, Flesh Bloody Flesh, Made of Flesh, The Day Man Lost (CARNAGE Cover)

[Nils Macher]

 

Es geht weiter an der Extreme-Metal-Front. Als Ersatz für die amerikanischen NACHTMYSTIUM wurde mit DENIAL OF GOD ein echter Underground-Knaller aus Dänemark verpflichtet. Und die beweisen, dass Black Metal kein stumpfes Gedresche sein muss. Ganz im Gegenteil. Man hört, dass das schwarz-weiß-geschminkte Gespann auf alte MERCYFUL FATE, VENOM, CELTIC FROST und auch diverse Epic-Metal-Bands steht und diese Einflüsse gekonnt in seinen Songs verwurstet. Die Dänen beherrschen das gesamte schwarzmetallische Spektrum von fiesen Doomern, poltrigen Uptempo-Nummern und infernalischen Leads. Den Black-Metal-Fans im Amphitheater geht das Herz auf, alle anderen wirken eher irritiert bis unberührt. Doch was kümmert's. DENIAL OF GOD haben verdammt gute Songs im Gepäck, was natürlich auch am formidablen Longplayer aus dem letzten Jahr liegt. Nach etlichen Hymnen verabschiedet sich die orthodoxe Kulturinstitution, einen Fan mehr hat sie auf jeden Fall gewonnen.

Setlist: Funeral, Behind the Coffin's Lid, The Book of Oiufael, The Cursed Chamber, Robbing the Grave of the Priest, Black Dethe

[Nils Macher]

 

Eigentlich ist das RockHard-Festival für einen guten Sound bekannt, doch gerade bei einer vom Magazin seit Jahren stark unterstützten Band bedarf es einiger Zeit, bis man sich die Klänge der Norweger gut geben kann und überhaupt mal so etwas wie Harmonien erkennt. Denn gerade diese machen die Musik AUDREY HORNEs zu etwas so Besonderem. Die Band ist unabhängig davon natürlich, wie schon auf der Tour mit LONG DISTANCE CALLING im März, bestens aufgelegt und rockt die Bühne nach allen Regeln der Kunst. Torkjell Rød ist wie immer das Zentrum des Geschehens und reißt einen mit Mimik, Gestik und selbstverständlich mit seinem fantastischen Gesang einfach mit. Dabei geht er immer wieder auf Tuchfühlung mit dem Publikum und hat sichtlich Freude an der Kommunikation mit den Fans. Die Hintermannschaft vereinbart ganz wunderbar infantile Spielfreude und professionelles Stageacting miteinander: Da zeigt sich das Kind im Manne und umgekehrt. An Material gibt es wie schon auf der Tour vorrangig Songs des aktuellen Langspielers "Youngblood" zu hören, darüber hinaus aber auch zum Glück immerhin drei Tracks der überragenden Vorgänger: 'Threshold', 'Bridges And Anchors' sowie 'Blaze Of Ashes'. Diese Nummern kommen auch etwas bedächtiger (und intensiver) daher, der neue Stoff ist eher auf Party aus - und damit liegt man bei einem Festival natürlich auch verdammt richtig, was die allgemein äußerst positive Resonanz deutlich macht. Die Band scheint mit ihrer ganz eigenen Variante der Rockmusik langsam Erfolg zu haben, was ihnen auch nur zu gönnen ist. AUDREY HORNE werden sicher dankbar sein, die Chance für einen (für ihre Verhältnisse) so großen Festivalgig mit entsprechend guter Billingposition erhalten zu haben, mir persönlich gibt die Band in einem intimen Rahmen jedoch noch etwas mehr. Dies ist aber bei nahezu jeder Gruppe so, weshalb das Fazit nur lauten kann: AUDREY HORNE? Jederzeit wieder. Egal ob drinnen oder draußen.

Setlist: Redemption Blues, Bridges And Anchors, Youngblood, Show & Tell, There Goes A Lady, Cards With The Devil, Pretty Little Sunshine, Threshold, Blaze Of Ashes, This Ends Here, Straigt Into Your Grave

[Oliver Paßgang]

 

Die Erwartungshaltung vieler Anwesender könnte kaum größer sein. Schließlich hat Matt Barlow mit seiner früheren Band ICED EARTH auf genau dieser Bühne einen Abschied gefeiert, der Maßstäbe setzte. Zusammen mit Freddie Vidales (b., auch ex-ICED-EARTH) und Van Williams (dr., ex-NEVERMORE) heißt das Schaukelpferd nun ASHES OF ARES. Auch das Rock-Hard-Team musste eine ordentliche Portion Vertrauensvorschuss investieren, hatte man beim Booking noch keinen einzigen Ton Musik gehört. So geht es Festivalgängern auch, das Album kommt wohl erst im Spätsommer und man konnte bislang nur munkeln, was genau man zu erwarten hatte. Nun steht die Band auf der Bühne und präsentiert bei ihrem weltweit ersten Konzert immerhin zehn Songs. Nicht unerwartet tönen die Nummern nach einer Mischung aus deftigen ICED EARTH und kastrierten NERVERMORE. Besonders 'Move The Chain' knüpft nahtlos an die Biografie der Bandmitglieder an, ohne allerdings die große Klasse beider Bands zu haben. Und das denkt man sich bei den folgenden Songs leider noch öfters. Der Auftritt lebt einzig und allein vom Charisma Barlows, obwohl der heute nichtmal einen guten Tag erwischt hat. Wüsste ich nicht, wer da singt, würden diese Zeilen vielleicht noch drastischer ausfallen. Denn für diese Position im Billing tut ASHES OF ARES zu wenig, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die neuen Songs? Alle eher im Mittelmaß angesiedelt. Das Publikum? Es gibt Höflichkeitsapplaus und ständig wiederkehrende "Barlow, Barlow"-Rufe. Von einem geschlossenen Bandgefüge ist nicht wirklich etwas zu spüren, und einen Moshpit gibt es erst zum siebten Song 'Chalice Of Men' und auf Nachfrage. Mit 'What I Am' wird der dicke Thrash-Hammer ausgepackt, täuscht aber nicht über die mangelnde Klasse der Songs hinweg. Was man bei ICED EARTH an magischen Live-Momenten im Gedächtnis hat, wird hier auch versucht, zu reproduzieren. Vocals-only-Parts machen aber nur dann Sinn, wenn der Sänger auch in Topform ist. Und so wird man bis zum letzten Song 'The One-Eyed King' von einem flauen Bauchgefühl begleitet, das sich in dem Wunsch manifestiert, das gerade Gesehene und Gehörte nur geträumt zu haben. Na hoffentlich kommt ASHES OF ARES auf Platte besser. Auch Matt Barlow kann mit seinem guten Namen nicht alles bezahlen.

Setlist: Messenger, Move The Chains, On Warrior's Wings, Punishment, This Is My Hell, Dead Man's Plight, Chalice Of Man, The Answer, What I Am, One Eyed King

[Nils Macher]

 

So gibt es zum Abschluss des ersten Festivaltages deutschen Teutonenstahl von U.D.O., wie er authentischer wohl nicht präsentiert werden könnte. Auf seine Pappenheimer kann man sich eben verlassen und nach 2005 betritt Udo Dirkschneider zum zweiten Mal als Headliner die Bühne des Amphitheaters. Mit im Gepäck hat er, neben einer halb umgekrempelten Instrumentalmannschaft, auch sein neues Album "Steelhammer", von dem das Heavy-Metal-Urgestein pünktlich um 21:30 Uhr mit dem Titelstück und 'Metal Machine’ gleich Kostproben abliefert. Zu 'Rev-Raptor', dem immens coolen 'Leatherhead' und '24/7', sowie 'Thunderball' werden die Mähnen auf den Zuschauerrängen geschüttelt. Mit einem guten, druckvollen Sound, einem bestens aufgelegten Dirkschneider-Udo und einer eingestimmten Hintermannschaft wird der Headliner seinem Status heute definitiv gerecht. Die Spielfreude der Band ist allgegenwärtig und der befürchtete Platzregen bleibt überdies zum Glück aus. Nach dem Solo des Neuklampfers geht das Quintett in der Zeit noch ein wenig zurück: Mit 'Animal House', 'Break The Rules' und dem flotten, überaus gelungenen 'Timebomb' werden die Klassiker im Backkatalog des Solingers präsentiert. Im Zugabenteil kennt die Menge vor der Bühne schließlich kein Halten mehr, als 'Metal Heart' und abschließend 'Balls To The Wall' angestimmt und lautstark mitgegrölt werden. So gibt es nach rund 90 Minuten beinah keine offenen Wünsche, hier wurde Teutonenstahl, wie er besser schwer zu bewerkstelligen ist, praktiziert. Hier zeigt der Altmeister einmal den Jungspunden, wo der Eisenhammer hängt und immer hängen bleibt. Ich stoße derweil auf die nächsten drölfzig Jahre U.D.O. an, prost!

Setlist: Steelhammer, Rev-Raptor, They Want War, Metal Machine, Leatherhead, Screaming for a Love-Bite, (ACCEPT Cover), Vendetta, Head Over Heels, (ACCEPT Cover), Guitar Solo Kasperi, Burning Heat, Man and Machine, 24/7, Thunderball, Guitar Solo Andrey, Animal House, Break the Rules, Timebomb, Metal Heart, (ACCEPT Cover), Balls to the Wall (ACCEPT Cover)

[Marcel Rapp]

Aus meinem ursprünglichen Plan, bei U.D.O. nur mal kurz reinzuschauen und es nach zwei, drei Songs gut sein zu lassen, wird wohl nichts. Zu kraftvoll tönt der Metal, zu präsent der gute alte Udo, zu mitreißend die Songauswahl. Bei 'Animal House' oder 'They Want War' denke ich an meine Jugend zurück, mit solchen Songs hat das alles angefangen mit der bösen Stromgitarrenmusik. Doch auch die neueren Songs knallen, wir bangen uns die Rübe blutig und quatschen nach dem Gig ausgiebig darüber, wie toll das soeben Gehörte gewesen ist. U.D.O. headlinen auch heute noch spielerisch ein großes Metalfestival. Hail!

[Thomas Becker]

 

WEITER GEHT'S ZUM SAMSTAG...


Redakteur:
Nils Macher

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