Rock Hard Festival - Gelsenkirchen

28.06.2011 | 09:48

10.06.2011, Amphitheater

Wetterkapriolen, gemütliche Stimmung und tolle Bands am Pott-Kanal.

Die Anreise verläuft relativ unproblematisch, wenn uns auch der Stau bei Köln-Ost mal wieder (wie in jedem Jahr) völlig unerwartet trifft. Trotzdem bekommen wir die ersten Takte von CONTRADICTION nur akustisch mit, was meine Begleitung zur Frage hinreißt: "Spielen KREATOR dieses Jahr auch wieder?". Nicht ganz richtig, mein Herr. Zwar sind die Wuppertaler um Frontmann Koffer schon fast so lange aktiv wie die Essener - immerhin seit 1989 - und ihre Musik lässt sich mit Thrash Metal auch treffend kategorisieren, doch orientieren sich CONTRADICTION eher an der moderneren Groovevariante der Marke GURD und Konsorten. Als Eröffnungsband hat man es grundsätzlich nicht einfach, aber es ist schon überraschend viel los im Amphitheater. Die Menge vor der Bühne sieht sehr ordentlich aus, die Ränge sind gut gefüllt und auch das Wetter spielt noch mit. Das Quartett feuert bei gutem Sound eine Breitseite nach der anderen ins weite Rund und erntet dafür nicht nur mehr als Höflichkeitsapplaus, sondern darf sich auch über den ersten kleinen Moshpit freuen. Nach einer halben Stunde verabschieden sich die Mannen mit 'Break The Oath', nur um dann zu erfahren, dass sie noch ein weiteres Stück dranhängen dürfen. Nur hat der Tontechniker bereits die Pausenmusik aufgelegt und das Mischpult verlassen. Macht nix, zocken CONTRADICTION eben die ersten Takte ihrer Zugabe 'Nation Of Fear' parallel zur Konserve. Shit happens. Insgesamt eine runde Sache, die am Ende sogar zum Tagessieg reicht. Gelungener Auftakt.

Setlist: The Voice Of Hatred, The Warchitect, Your God, The Spectator, The Essence Of Anger, Hate Patrol, Demon, Break The Oath, Nation Of Fear

[Chris Staubach]

Nach dem Thrashfeuerwerk zu Beginn haben es die Chilenen PROCESSION im Anschluss enorm schwer. Bei dem epischen Doom Metal des Trios, der gelegentlich durch Rock der Marke GRAND MAGUS aufgelockert wird, will um diese Uhrzeit noch keine richtige Stimmung aufkommen. Zwar gibt es vereinzelte "PROCESSION"-Sprechchöre zu vermelden, aber im Großen und Ganzen kann die Band in Gelsenkirchen niemanden so wirklich von den Steinstufen reißen. Diese Musik im Zeitlupentempo ist nur bedingt festivaltauglich und schon gar nicht geeignet für eine solch frühe Uhrzeit, bei der man noch nicht einmal mit atmosphärischem Licht arbeiten kann. Die düstere Stimmung, die auf ihrem Debütalbum "Destroyer Of The Faith" noch gut funktioniert, will heuer nicht zünden und emotional mitreißen. Irgendwann ist dann nämlich auch einfach der Punkt erreicht, wo sich jeder Song irgendwie gleich anhört und sich der gesamte Vortrag etwas in die Länge zieht. Zu allem Überfluss öffnet Petrus bereits zur Mitte des Sets seine Schleusen und entfesselt mit Blitzen, einem gewaltigen Regenschauer und massivem Wind ein unangenehmes Schauspiel, was fast alle Festivalbesucher zum Anlass nehmen, das Weite zu suchen. Sehr schade für Felipe Plaza Kutzbach und Kollegen, denn das ist natürlich ein Totschlagargument für eine Band wie PROCESSION. Dass es fast punktgenau mit dem letzten Beckenschlag aufhört zu regnen, passt dann leider hundertprozentig in das Bild. Ein gebrauchter Tag für die Chilenen.

[Chris Staubach]


Jetzt wird es wieder Zeit für ein mächtiges Thrash-Death-Spektakel: Die 1991 gegründeten Berliner POSTMORTEM werden oftmals als deutsche Antwort auf SLAYER tituliert. Ein Etikett, dem die Band aber nicht so richtig gerecht wird. Dafür haben sich einfach viel zu viele Death-Metal-Elemente in ihren Sound mit eingeschlichen. Unbeeindruckt von solchen Stempelfragen feuern die Mannen um Brüllwürfel Matthias Rütz jedenfalls mächtig Kohle in die Kessel und fegen damit nicht nur den Regen und die Gewitterwolken hinfort (Sonne satt!), sondern dürfen sich auch als klarer Punktsieger gegenüber der Vorgängerband bezeichnen. Die fetten Akkorde, die schnellen Beats und die unbändige Energie, die von der Bühne abgestrahlt wird, kommen beim Publikum einfach deutlich besser an. POSTMORTEM schaffen es, die anwesenden Metaller wieder zu mobilisieren und aus ihren Regenverstecken zu locken. Das Quartett konzentriert sich musikalisch überwiegend auf Material der beiden neueren Scheiben "Constant Hate" und "Seeds Of Devastation" und macht dabei fast alles richtig. Trotz leichter spielerischer Ungenauigkeiten und einer etwas steifen Bühnenperformance knallen Songs wie 'Hate, Kill, Destroy' oder 'Revolution' einfach und werden von einem guten Sound brachial auf das Festivalgelände getragen. Das wird mit fliegenden Haaren, reichlich Fäusten in der Luft und anerkennendem Applaus honoriert. Letztendlich ein ordentlicher Vortrag, den viele Besucher wohlwollend zur Kenntnis genommen haben dürften.

[Chris Staubach]

 

Was für ein Empfang: Nach einer überlangen Autoreise kommen wir gerade so rechtzeitig, um von einem blutverschmierten Alan Averill empfangen zu werden, der mit seinen Jungs von PRIMORDIAL eine epische, düstere Atmosphäre auf die Bühne zaubert. Diese intensive Performance degradiert die in den schönsten Pastellfarben gestaltete Sonne im Hintergrund zur Nebendarstellerin und beschwört die Nacht, den Mond, die Dunkelheit. Ganz ohne Whiskeyflasche leitet uns der rote Waldschrat durch ein schön durchmischtes Set aus Klassikern und Material vom neuen Album "Redemption At The Puritan's Hand", das die Anwesenden mitreißt. Schließt man die Augen, sieht man sich auf einer Waldlichtung voller archaischer Energie wieder, vor einem Altar, der in den verschiedensten Gerüchen der Erde riecht, will in die Knie gehen vor diesem gewaltigen Sound und muss die Augen doch immer wieder öffnen, um sich von dem charismatischen Stageacting des Sänger faszinieren zu lassen. Der ungewöhnliche, teils spröde Gesang von Alan verschreckte mich vor Jahren und verschloss mir das Kapitel PRIMORDIAL nachhaltig, nun kann ich behaupten, nicht nur geheilt zu sein, nein, mittlerweile schätze ich die Band sogar. Dass es anderen aber auch im Jahr 2011 so gehen kann, zeigen Kommentare wie "der singt aber ganz schön falsch". Mit einem stillen Lächeln möchte man den Kostverächtern entgegnen, dass dies Alan ist, und der Gesang ein Wunderding aus einer anderen Welt ist, doch das wäre zu einfach. Wer weiß, vielleicht schreiben jene in wenigen Jahren die gleichen Zeilen, die von einer Heilung erzählen, wie ich? Es wäre ihnen zu wünschen.

[Julian Rohrer]

 

Wer mich im Vorfeld des Festivals danach gefragt hat, auf welche Band ich mich denn am meisten freuen würde, dann war meine Antwort ganz klar und eindeutig ENSLAVED. Vom Auftritt der Norweger versprach ich mir nämlich eine Reise zurück in die Jugend, als ich im Februar 1995 im Stettener Keller, einer alten Kegelbahn in einem winzigen Dorf auf der schwäbischen Alb, die "Winter War Tour" besuchte, die MARDUK und ENSLAVED gemeinsam fuhren. Seither haben die Bergener einen ganz festen Platz in meiner Ruhmeshalle und doch ist es mir nicht mehr vergönnt gewesen, sie noch einmal live zu sehen. Es hat sich aber auch viel geändert seit damals: Die Musiker und ich sind gleichermaßen gealtert und die Band hat sich stilistisch enorm entwickelt. So liegt der Schwerpunkt der Setlist natürlich auch auf dem aktuellen Album "Axioma Ethica Odini", das mit dem Opener 'Ethica Odini' sowie dem sehr stark in Szene gesetzten 'Raidho' und dem den Fans gewidmeten 'Giants' gewürdigt wird. Dazu gibt es jeweils ein Highlight von den drei Vorgängeralben, welche die Band in ihrer unnachahmlichen Mischung aus Schwärze und Atmosphäre unter die Leute bringt. Dass hier der Funke zum zahlreich anwesenden Publikum überspringt, ist alles andere als selbstverständlich, handelt es sich bei den Kompositionen der Norweger doch um alles andere als leicht verdauliche und durchaus verkopfte Konstrukte. Allerdings schafft es die Band wie kaum eine zweite ihres Schlages, eine trancehafte Dynamik zu entfachen, welche die Hörer einfach mitschweben lassen und mitreißen kann. Dabei präsentieren sich gerade die Bandgründer Ivar und Grutle als sympathische und charismatische Ausnahmeerscheinungen und die übrigen Mitmusiker - allen voran Arve an der Leadgitarre und Herbrand am Keyboard und cleanen Gesang - als echte Meister ihres Fachs, die vom vertrackten und psychedelischen Drumbeat Catos angetrieben werden. Dass die alten Fans trotz der gravierenden Weiterentwicklung auch auf ihre Kosten kommen müssen, ist den Bergenern natürlich bewusst, und so gibt es ein ganz besonderes Bonbon mit dem Klassiker 'Allfadhr Odinn' aus dem Jahre 1992, mit dem ich nun wirklich nicht gerechnet hätte. Als Zugabe hätte ich mir dann allerdings lieber noch ein oder zwei Stücke von meinem Lieblingsalbum "Frost" gewünscht als eine (zugegebenermaßen tolle) Coverversion von LED ZEPPELINs 'Immigrant Song', aber ich gestehe der Band zu, dass sie lieber ihre aktuelle Seite präsentiert, als sich in zu vielen Rückblenden zu ergehen.

Setlist: Ethica Odini, Raidho, Fusion Of Sense And Earth, Ground, Return To Yggdrasill, Lightening, Allfadhr Odhinn, Immigrant Song

[Rüdiger Stehle]

 

Im Jahre 2005 war ich zum ersten Mal beim Rock Hard Festival und mein Kommen hatte damals nur einen einzigen Grund: CELTIC FROST. Klar, da waren noch viele andere tolle Bands am Start, aber angereist bin ich damals allein der Schweizer wegen. Wegen einer akuten schweren Erkrankung von Frontmann Thomas Gabriel Fischer wurde der Gig der Black/Death/Doom-Vorreiter damals allerdings kurzfristig abgesagt. Einige Jahre später sollte es einen weiteren Anlauf geben, doch wiederum scheiterte das Unterfangen, weil die Band wegen interner Uneinigkeiten zerbrach. Nun, im dritten Versuch wird es endlich gut, und Tom G. Warrior kann beim Rock Hard Festival auftreten, zwar mit seiner neuen Band TRIPTYKON, doch diese ist sich des großen Erbes wohl bewusst und würdigt den Backkatalog der Vorgängerbands, als wäre es der eigene. Schon der Einstieg reißt das zahlreich anwesende Publikum in seinen Band, ertönt doch der FROST-Klassiker 'Procreation Of The Wicked' in voller, schwarzer Pracht und Lautstärke. Es folgt mit dem pechschwarzen, zähen Hassbrocken 'Goetia' der verstörende, elfminütige Opener des aktuellen Albums, bevor die Band mit 'Circle Of The Tyrants' ein noch dickeres Klassiker-Kaliber als den Opener nachreicht. Das sitzt und die Meute ist beeindruckt. Nicht wenige schauen dem finsteren Treiben fast ungläubig gebannt zu. Weiter geht es mit noch mehr CELTIC FROST: Einmal 'Babylon Fell' vom wegweisenden Album "Into The Pandemonium", bevor 'Abyss Within My Soul' wieder den Bogen in die Neuzeit TRIPTYKONs schlägt. Wer weiß, wie lange Tom seine HELLHAMMER-Vergangenheit als Jugendsünde abgetan hat, der wird verstehen können, wie lange viele Fans auf das nun folgende Ereignis gewartet haben: Kündigt der Schweizer doch tatsächlich ein HELLHAMMER-Triple an, noch dazu mit zwei Songs, die noch niemals live gespielt wurden. Das sitzt, und die ersten Klänge von 'The Third Of The Storms' lassen etliche ältere Semester ordentlich ausflippen. Das folgende 'Messiah' lässt die Stimmung noch mehr aufkochen und dann ist letztlich alles zu spät: Das finstere Quartett wagt sich tatsächlich an den Übersong schlechthin, an das Alpha und Omega des pechschwarzen Drone Doom und des Leidens in Reinkultur: 'Triumph Of Death' erklingt in einer markerschütternden und verstörenden Liveversion und bildet den Auftakt zur unheiligen Dreifaltigkeit der schwarzen Lavamonster, denn mit dem abschließenden Doppel aus 'Synagoga Satanae' und 'The Prolonging' hätte die Band auch bei einem Auftritt zu Mittag die Sonne verdunkelt. Da es inzwischen schon Nacht ist, bleibt dieser optische Effekt zwar aus, aber akustisch und emotional ist er ungemindert. So bleibt die Erkenntnis, dass TRIPTYKON eine absolute Ausnahmeband um einen einzigartig charismatischen Frontmann ist, welche dem Headliner-Status des Rock-Hard-Freitags vollauf gerecht wird.

Setlist: Procreation, Goetia, Circle Of The Tyrants, Babylon Fell, Abyss Within My Soul, The Third Of The Storms, Messiah, Triumph Of Death, Synagoga Satanae, The Prolonging

[Rüdiger Stehle]

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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