Ragnarök Festival - Lichtenfels

09.05.2023 | 19:31

13.04.2023, Stadthalle

Die einstige Pagan-Hochburg kommt mit Schwedentod à la HYPOCRISY, vermehrt maskiertem Black Metal und der vermeintlichen Provokation NARGAROTH daher.

Hell yeah! Auch für mich startet das "Ragnarök" – wenn auch einen Tag später. Bei leichtem Pisswetter verziehen wir uns in die Halle und hoffen auf heiß geschmiedeten Stahl. Doch der wird von den Solinger Pagan Metallern HELGRINDUR eher lauwarm serviert. Man merkt der soliden Show zwar an, dass die Jungs schon über zehn Jahre Banderfahrung haben. Das täuscht aber kaum darüber hinweg, dass hier leider eher maue Standard-Songwriting-Kost geboten wird. Das spaltet auch das Publikum: Der kleinere Teil verlässt kopfschüttelnd die Halle, der größere schüttelt methornschwingend den Kopf. Für einen Opener passt das schon. Das denkt sich auch das Publikum, das bei 'Aufbruch' sogar eine rudernde Wikinger-Crew mimt.

Deutlich heißer wird es da bei den Thüringer Heidenkriegern von XIV DARK CENTURIES. Für mich war die Band über Jahre der hässliche Bruder der übermächtigen MENHIR – doch spätestens mit "Gizit dar Faida" mauserte sich die Band zu einer echten Alternative. Und seit MENHIR (und ODROERIR) endgültig in ihren Langhäusern verschwunden sind, bilden die Mannen um Sänger Michel sogar recht einsam die Speerspitze dieses speziellen deutschen Pagan-Sounds. Diesen Anspruch untermauern sie mit einem energiegeladenen Gig auf dem "Ragnarök"-Festival. Mit Pyro-Einsatz, einer tollen Song-Auswahl und einer sehr spielfreudigen Band lässt sich die kopfreiche Meute vor der Bühne zum Mitgehen und -feiern animieren. Mit so einem Konzert qualifiziert man sich auch für prominentere Plätze in der Running Order. So war es ein erstes Highlight am Ragna-Freitag.
[Julian Rohrer]

Der erste richtige Höhepunkt des Tages ist aber ganz klar FIRTAN. Die Schwarzwald-Österreich-Connection ist in den vergangenen Jahren konsequent die Leiter emporgeklettert und hat zuletzt mit "Marter" ein richtig starkes Album rausgehauen, das deutlich mehr auf Schwarzmetall denn auf Pagan-Einflüsse setzt. Den Opener 'Fadir' ballern uns die Mannen um Sänger und Gitarrist Phillip dann auch gleich mächtig um die Ohren und legen den noch jungen Bandklassiker 'Nacht Verweil' nach – Auftritt für Violinistin Klara. Es ist doch immer wieder eine Augenweide, wie die hübsche Salzburgerin mit geschlossenen Augen jede einzelne Songnote mitfühlt. Heute hat sie zudem deutlich mehr Bühnenpräsenz als gewohnt und übernimmt zur Pagan-Nummer 'Wogen der Trauer' erstmals die Leadmelodie. Zum Abschluss bekommt sie mit dem Instrumental 'Purpur' gar ihr eigenes Outro. Zu dem Zeitpunkt haben ihre Bandkollegen mit einem "war schön mit euch" zwar bereits die Bühne verlassen, kommen aber nach dem Geigensolo zu einem gemeinsamen Gruppenfoto mit Publikum zurück. Die sympathische Truppe gehört definitiv zu meinen drei persönlichen Freitag-Highlights!

Auf der rechten Bühne könnte man anschließend meinen, die finnischen Melo-Deather CHILDREN OF BODOM wären wieder auferstanden. Hier allerdings in der französischen Version Namens AEPHANEMER inklusive vorbildlich gleichberechtigter Frauenquote. Da wird die Trikolore in der ersten Reihe geschwenkt und das abgehende Publikum zaubert der Bassistin ein permanentes Grinsen ins Gesicht. Das sehr agile Quartett haut seine zahlreichen Frickelmelodien recht sauber raus, nur das Keifen von Sängerin Marion ist nicht überall in der Halle klar zu hören. Dafür kann sie zwischendurch ebenso opernhaft singen, auch wenn ich diese Kombi angesichts der gut vorwärts preschenden Mucke nicht unbedingt brauche. Zu 'Back Again' feuern die Toulouser das Publikum synchron klatschend an und lassen sich auch vom zwischendurch von der linken Stage reinkrachenden Soundcheck nicht aus der Ruhe bringen. Hier kommt die Konkurrenz für ARCH ENEMY!

Seit über 15 Jahren erinnert die niedersächsische Heiden-Truppe ASENBLUT nun schon an den Ursprung germanischen Berserkertums. Und ich frage mich immer wieder, was Frontmann Tetzel eigentlich so auf der Hantelbank wuppt. Der Mann hat ja fast breitere Arme als unser schon wikingerhafter Standkoordinator als Ex-Security Oberschenkel. Sein extrem breites Kreuz schränkt zwar etwas seinen Bewegungsdrang auf der Bühne ein, umso spielfreudiger legen aber seine Bandkollegen mit 'Codex Gigas' los – Propeller inklusive. Tetzel bekundet seine langjährige Verbundenheit zum Ragnarök, widmet 'Seite an Seite' dem Szenezusammenhalt in den schweren Corona-Jahren und liefert sich mit seinem Gitarristen ein Bangduell. Während sich in den vorderen Reihen ein Pogo-Pit bildet, erinnern gerade die schnelleren Nummern erfrischend an ältere AMON AMARTH. Zum Abschluss gibt's die Bandhymne 'Asenblut' - ordentliche Wikingersause.

Auf der rechten Bühne ist dann mit GROZA die Band der Stunde dran. Eine Woche zuvor brachten die Mühldorfer beim "Dark Easter" bereits die Nebenhalle zum Bersten, nun bietet die größere Stadthalle ausgiebig Platz für einen gutbesuchten Gig. Dabei müssen die maskierten Schwarzheimer derzeit krankheitsbedingt nur zu dritt ran, meistern aber auch diesen Umstand absolut souverän. Mit den beiden 'Sunken In Styx'-Teilen geht es wie zuletzt gewohnt los und spätestens bei dem melodisch vorwärts rockenden 'Elegance Of Irony' ist wieder mal klar: Vor den Subgenre-Begründern MGLA oder den Kollegen UADA brauchen sich die Bayern absolut nicht zu verstecken, ganz im Gegenteil!

Es bleibt bei "made in Germany", diesmal mit melodischem Wikinger-Death à la OBSCURITY. Nach einem hymnischen Intro recken die Westfalen zu den ersten Klängen von 'Wodanaz Kriger' die Fäuste in die Luft, während Sänger Agalaz das Publikum anfeuert und sogleich die ersten reihenweisen "Hey!"-Reaktionen zurückbekommt. Rotangestrahlte Nebelfontänen, Gitarrengepose, Schildwall! Auch von Monitoraussetzern lässt sich der Fünfer nicht aus der Ruhe bringen und legt mit dem aktuellen 'Glod en Isa' ordentlich nach. Natürlich erkundigt sich Agalaz, wer im Publikum denn das aktuelle "Skogarmaors" sein Eigen nennt und es gehen doch einige Arme nach oben. Mit der Zugabe 'Schicksal der Götter' ist dann nach vierzig Minuten Schicht im Schacht.

Die Niederbayern WOLFCHANT legen dann mit gleich zwei Sängern noch einen drauf, wenn auch etwas Pagan-lastiger. Passenderweise feiert die Truppe gerade das 15-Jährige ihres Albums "A PAGAN STORM" und legt mit dem gleichnamigen Titelsong los – wenn auch erst im zweiten Anlauf nach anfänglichen Soundproblemen und mehrminütiger Verzögerung. Dafür klatscht dann auch die hinterste Reihe mit und es gibt zur Belohnung einen der hier eher seltenen Moshpits.
[Carsten Praeg]

Am noch nicht ganz so spätem Abend nimmt ELLENDE aus Österreich die Bühne für sich ein. War das Black-Metal-Soloprojekt von L.G. vor der Corona-Zeit eher noch ein Geheimtipp, ist heute die Halle ganz schön voll. Zu kaltem Licht und Nebel wird über Verlust, Trauer, Sehnsucht und Tod gekeift. Den Auftakt bildet das Intro des aktuellen Albums "Ellenbogengesellschaft", welches vor wenigen Monaten erschienen ist. Zwischen den Liedern kommt von Herzen ein "Danke!" oder gar ein "ihr seid's großartig!" vom Sänger. ELLENDE reißt mit und ist einer der Höhepunkte des Tages. Unter anderem wurden 'Ballade auf den Tod' und 'Meer' gespielt. Leider ist es nach fünfzig Minuten schon vorbei.
[Stefan Brätsch]

Eine Besonderheit bieten die Schweden MÅNEGARM an diesem Festival-Wochenende: Sie treten gleich zweimal auf. Heute Abend steht das Akustik-Programm auf der Liste, morgen kommen sie dann nochmal mit dem normalen Heavy-Set auf die Bühne. So wird heute auch dem Klargesang von Sängerin Umer eine große Rolle zugesprochen und man bekommt Stücke zu hören, die es normalerweise nicht auf die Setlist schaffen, beispielsweise der Opener 'Himmelsfursten' von der "The Forest Sessions"-EP. Den Abschluss bildet dann das BATHORY-Cover 'Mother Earth Father Thunder' dessen Refrain vom Publikum lautstark intoniert wird und das auch nach Ende des Auftritts noch einige Zeit vor der Bühne nachhallt.
[Martin Storf / Twilight Magazin]

Die zunehmende Popularität des "Ragnaröks" bringt auch größeren Elchtod der Marke HYPOCRISY mit sich. Da wird dann auch schon mal ein ausnahmsweise vierzigminütiger Soundcheck eingeplant. Letztlich beginnen die Schweden dann doch etwas früher und man ärgert sich von einer Zigarettenpause zurückgekehrt, wenn man den Anfang des grandiosen 'Fractured Millennium' verpasst. Dafür servieren die Herrschaften um Mastermind Peter Tägtgren im Anschluss eine stattliche Songauswahl – allerdings bringt auch der längste Soundcheck nichts, wenn plötzlich die Monitorboxen von 0 auf 100 durchknallen und lautstark durch die Halle knacksen. Der Stimmung tut das zu Evergreens wie 'Adjusting The Sun' oder 'Eraser' aber keinen Abbruch und selbst die vorderste Reihe der erhöhten Tribüne versinkt im Bang-Wahn. Spätestens zu 'Fire In The Sky' stimmt dann auch der Sound wieder. Durch die länger anhaltenden Tonprobleme vielleicht nicht der gewohnte Übergig von HYPOCRISY, aber dennoch eine ordentliche Mosh-Orgie. Ab auf den Parkplatz und das gemeinsame Feierabendbier zischen.
[Carsten Praeg]

Hier geht's zum Samstag >>

Und hier geht's zur Fotogalerie >>

Redakteur:
Carsten Praeg

Login

Neu registrieren