Phillip Boa And The Voodooclub - Dresden

18.04.2011 | 09:02

09.04.2011, Alter Schlachthof

Mit Songs der Alben "Helios" und "Boaphenia" ist der musikalische Rahmen festgelegt. Aber muss es deswegen langweilig werden? Nein! Dafür sorgt Herr BOA selbst, wenn auch erst am Ende.

Eigentlich ist es blöd, wenn man zu einem Konzert geht und vorher schon genau weiß, welche Songs gespielt werden. Die deutsche Indie-Band PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB hatte vor kurzem die Alben "Helios" und "Boaphenia" im neuen Soundgewand neu herausgebracht, um einige Stücke erweitert. Dazu gibt es logischerweise eine Tour, bei der jeweils die ersten elf Lieder der beiden Alben zum Besten gegeben werden sollen. Der gewiefte BOA-Fan weiß jedoch gleich, dass das so nicht richtig sein kann, denn 'Where My Rats Play Snooker', das elfte Stück auf "Boaphenia", wurde noch nie live gespielt. Also bleibt doch noch ein wenig Überraschung übrig.

Den Abend eröffnet der Brite PAUL JAMES BERRY. Der kommt nur mit Akustikgitarre aus und versucht, die Anwesenden auf seine Seite zu bekommen. Das gelingt ihm mit der Zeit, denn er hat wirklich eine tolle Stimme. Dennoch hält sich ein Großteil der Besucher außerhalb der Halle lieber an der Bar auf. Wem es aber gefällt, der applaudiert, und so ermutigt das den Sänger. Er hat wirklich einen unangenehmen Job, denn so toll seine Musik auch ist, in dieser großen Halle wirkt er deplatziert.

Das Gegenteil erwartet die Gäste nach einer kurzen Pause, denn ruhig und beschaulich sind die Konzerte des Meisters wahrlich nicht. Mit seinen typischen wirren Handbewegungen wirkt Herr BOA auch heute Abend wieder ganz schön aufgedreht. Da hat wohl jemand nicht nur einen starken Kaffee getrunken.

Los geht’s mit 'Utopia' und die Fans bejubeln die Band. Danach wird das Publikum erst einmal standesgemäß begrüßt und mit dem schnellen 'Life After Being A Zombie' gibt es die ersten Tanzeinlagen. Weiter geht es überwiegend mit Songs von "Helios", die nicht unbedingt alle einfach und wirklich live-tauglich sind. Gibt die Band sonst ein Konzert, finden sich bis auf den Klassiker 'And Then She Kissed Her' eher weniger Songs von diesem Album auf der Setlist. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass BOA für den einen oder anderen Text auf seine Spickhilfe schaut. Aber das fällt nicht wirklich ins Gewicht und gesanglich ist er an diesem Abend in bester Verfassung. Mit der Aussage: "Wir spielen heute nur Stücke von den beiden Alben!" verdeutlicht er noch einmal, dass es ihnen ernst ist und die Zuschauer nicht mehr und nicht weniger erwarten können. Irgendwie klingt das nach einer Entschuldigung, aber eigentlich war das heutige Programm ja von vornherein klar. Also kein 'Kill Your Idols' zum Schluss.

Am Ende sind wir noch lange nicht, denn der Meister hat sich gerade erst warm gesungen. Bei 'Puppets On A Strang' überlässt er das aber Pia Lund und geht an die Trommeln. Danach folgen ein paar schwierige Nummern, die jedoch tadellos vorgetragen werden. Dennoch wirkt 'Hyperactive Cracker' wie ein Befreiungsschlag im Publikum, das mit viel Beifall den Song begrüßt und mittanzt. 'Beat Me Up!' steht dem in nichts nach und bei 'Johnny The Liar' singen viele mit. Nach 'Euphoria' verabschieden sich die Musiker von den Besuchern. Die spendieren der Band viel Beifall und da noch nicht alle Stücke gespielt wurden, beginnt nun das lustige Zugabe-Spiel. Das sei zwar jedem Künstler gegönnt, aber ob das jetzt schon sein muss ist Ansichtsache.

Herr BOA kommt mit seinen Kollegen wieder auf die Bühne und bedankt sich noch einmal artig. Weiter geht es mit dem Bonus-Track 'Mary Rose' von der neuen "Boaphenia". Die Dame ist nach Aussage des Sängers eine Nachbarin von 'Johnny The Liar'. Was man nicht alles nach den vielen Jahren und Konzerten noch lernen kann! Da sich die ruhige Nummer allerdings nicht zum tanzen eignet, tun das die Anwesenden danach bei 'Love On Sale' und 'Get Terminated!'. Die Stimmung ist ausgelassen und alle feiern genüsslich. Und wenn es am schönsten ist, soll man ja bekanntlich aufhören, und schon wieder verschwinden die Musiker.

Nun wird wieder lauthals "Zugabe!" gerufen, um den Rest einzufordern. Irgendwie hört man heute gar keine "Arschloch!"-Rufe. Der Meister wird doch deswegen nicht gekränkt sein und hinten bleiben? Bald erscheint Bassist Maik und schreit mehrmals 'Encore Screamer' ins Mikro, denn das gibt es jetzt zu hören. Als mit den ersten Tönen von 'And Then She Kissed Her' das Finale eingeläutet wird und es im Publikum niemanden mehr an seinem Platz hält, wird auf der Bühne alles anders. BOA filmt erst mit einer Kamera von oben aus seine Fans und wirkt dabei total geistesabwesend. Er sieht wüst aus und macht einen komischen Eindruck. Wie angestochen rennt er über die Bühne, verpatzt seinen Einsatz, singt (endlich mal) schief. Er wirkt wie ausgewechselt. Hat er hinter der Bühne eine Druckbetankung bekommen oder warum rennt da gerade jemand mit einem Wischmop herum? Schade, dass es diesen Klassiker nicht in gewohnter musikalischer Qualität auf die Ohren gibt, aber bei dem hohen Unterhaltungswert sei es BOA verziehen. Apathisch steht er vor seinen Fans und versucht, sich am Ende einigermaßen gut bei ihnen für die Sympathiebekundungen zu bedanken. Der Rest der Band müht sich ab, die Geschehnisse halbwegs zu überspielen, und ist wohl heilfroh, dass nun Schluss ist. BOA wäre aber nicht BOA, wenn er nicht noch einen drauf setzen würde. Jetzt muss auch noch seine Gitarre dran glauben. In Karate-reifer Leistung versucht er, mit einem Bein das Mikro aus dem Ständer zu kicken, was aber misslingt. Wir halten fest: Spektakulärer Abgang!

Wie schnell sich doch die Situation ändern kann. Was als qualitativ gutes Konzert begann, endet mit komischen Wirrungen des Sängers. Nicht, dass das neu wäre, aber in letzter Zeit war dies eigentlich selten geworden. Vielleicht wollte er damit auch der Zeiten gedenken, als die beiden Alben entstanden sind. Aber egal, enttäuscht geht heute auf jeden Fall keiner nach Hause, sondern behält den Abend in guter Erinnerung, denn viele der heutigen Songs werden wohl live nicht so schnell wieder zu hören sein, wenn auch einige Klassiker fehlten. Aber das wusste ja eigentlich jeder vorher.

Setlist:
Utopia
Life After Being A Zombie
Wonderless
Pretty Bay
30 Men On A Dead Man's Grave
Puppets On A Strang
Pfirsicheisen
The Laughing Moon
Sirens From Hell
Galerie der Fälschungen
The Undersea World of Jacques Cousteau And His Friends
Hyperactive Cracker
Bohemian Life
Fiesta
Beat Me Up!
Johnny The Liar
Euphoria

Mary Rose
Love On Sale
Get Terminated!

Encore Screamer
And Then She Kissed Her

Redakteur:
Swen Reuter

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