Overkill - Aschaffenburg

27.02.2009 | 12:42

23.02.2009, Colos-Saal

Eine Thrash-Walze, die für offene Münder und zufriedene Gesichter sorgt!

OVERKILL gehören zu den wenigen Bands, denen Fans nachsagen, sie hätten noch nie ein schlechtes Konzert gespielt. Und so soll es heute auch wieder sein, doch erst einmal der Reihe nach: Bei meinem Eintreffen um 20.20 Uhr spielt gerade eine Band. Ich erfahre, dass es sich um TORTURE SQUAD handelt, die einen ziemlich schnellen, harten Kurs fahren und den Saal bereits gehörig auf Temperatur gebracht haben. Mit einem derben Sänger, der auch gerne mal weniger schreit als growlt, holzen sich die Brasilianer noch durch drei Stücke, bevor sie eine große Meute schweißnass zurücklassen. Gut gemacht, und sehr hörenswert. Die sollte man mal auf Albumlänge anchecken.

Nun wird auf der Bühne das große Drumset ausgepackt. Moment mal, da fehlt doch noch eine Vorband. Angekündigt sind auch noch GAMA BOMB. Auf Nachfrage erfahre ich, dass die schon gespielt haben. Das ist ja doof, denn angekündigt war, dass das Konzert um 20.00 Uhr beginnen sollte. Abgesehen davon, dass ich es niemals geschafft hätte, so früh da zu sein, und abgesehen von der Tatsache, dass dadurch die beiden großen Bands des Abends mehr Spielzeit haben dürften, war es meine Absicht, wenigstens ein paar Songs der mir unbekannten Briten-Thrasher zu hören. Schade.

Nun gut, also weiter im Programm. Als Nächstes sollen EXODUS kommen. Doch bevor der Bay-Area-Fünfer die Bühne entert, fällt einem erstmal auf, wie voll das Colos-Saal ist. Ausverkauft auf jeden Fall, es wirkt schon wie mehr als das. Ein Durchkommen zum Merchandise-Stand ist illusorisch, der Weg zum Getränkestand dauert einige Minuten und geht überhaupt nur mit Drängeln und etwa siebzehnmal "'schuldigung" und "Ähm, kann ich mal bitte?". Das ist schon unangenehm, aber andererseits hat es auch zwei Vorteile: Es wird einem nicht kalt und auch warm ums Herz, wenn man sieht, dass eine klassische Metalinstitution wie OVERKILL einen solchen Laden gerammelt voll bekommt. Das sei den Veranstaltern und den Bands von Herzen gegönnt, auch wenn ich von beiden Bands als ausgewiesener Sitzriese nur wenig sehe.

Dann kommen EXODUS auf die Bühne beziehungsweise die Musiker, die aktuell unter diesem Banner touren, denn von den Originalmitgliedern ist heute nur Gary Holt dabei. Tom Hunting, der Ur-Drummer, ist im Urlaub in Mexiko, den er nicht mehr verschieben konnte. Was ist das denn? Thrash-Rentner, oder was? Ich wusste das zwar, aber ein bisschen enttäuscht bin ich schon, erinnere ich mich doch noch gut an die VENOM-Tour 1986, als EXODUS im Vorprogramm spielten und einen tollen Eindruck hinterließen, vor allem auch durch ihre Fannähe. Nun darf man aber zumindest den Bassisten Jack Gibson als echten EXODUSler bezeichnen, ist er doch seit zwölf Jahren dabei. Die zweite Gitarre hat vor ein paar Jahren Lee Altus übernommen, der schon einige Stationen im Metalbusiness hinter sich hat, angefangen von seiner Band HEATHEN über die KRUPPS und ANGEL WITCH. Jetzt halt EXODUS.

Nach einem viel zu langen Intro legen die Herren gleich mächtig los und beschwören 'Bonded By Blood'. Der neue Sänger Rob Dukes, den ich bislang noch nicht live erlebt habe, gibt das Tier und brüllt die Meute an. Stiernacken, kurze Haare, ähm, breit gebaut und tätowiert - so ist er sicher der Albtraum jeder Schwiegermutter.

Die ganze Band strahlt und schießt gleich 'Fabulous Disaster' hinterher. Sehr schön, ich hatte bereits befürchtet, dass Ganze würde sich nur auf die Dukes-Ära plus das erste Album konzentrieren, aber der Titelsong ihres dritten Albums kommt super rüber. Überhaupt: Wo Rob Dukes auf den Studioalben doch ziemlich eindimensional wirkt, hier auf der Bühne klingt das viel besser. Also will er nur auf den neuen Stücken nicht so viel Melodie einflechten? Merkwürdig. Das sollte ihn mal jemand fragen.

Aber zurück zum Gig: EXODUS schwanken zwischen Rührung und Ironie, als Dukes sich mehrfach während des Sets bedankt, dass ihr Album in Deutschland Nummer eins war. Nun, das war mir allerdings neu. Ich dachte, Platz 74 wäre das höchste der Gefühle gewesen, aber das muss ich wohl nochmal recherchieren. Jedenfalls ballern die Amerikaner nun mit 'Children Of A Worthless God' und 'Iconoclasm' zwei neue Stücke in die Runde, die die Stimmung aber nicht ganz halten können. Im genauen Kontrast sieht man, dass die tollen Gesangsmelodien der Klassiker einfach ein ganzes Stück stärker sind als beim neuen Material. Und Robs Versuch, einen saalgroßen Circle-Pit zu kreieren, ist zum Scheitern verurteilt, weil sich kaum jemand ausreichend bewegen kann. Es ist nämlich wirklich ziemlich voll. Den Rest des mit einer Stunde Spielzeit ordentlich bemessenen Gigs bestreitet man dann auch mit Material aus der Vor-Dukes-Ära. 'A Lesson In Violence', das fantastische 'War Is My Shepherd', der Fanfavorit 'Toxic Waltz' und als Rausschmeißer 'Strike Of The Beast'. Sehr schön, aber jetzt brauche ich etwas Luft.

Um viertel nach zehn ist aber alles wieder drin, denn dann wird das Kreuz geleugnet. Wie schon erwähnt: Es gibt kein schlechtes OVERKILL-Konzert. Die Band ist einfach eine Bank mit viel Routine, aber immer noch mit viel mehr Spielfreude. Es ist schwer zu glauben, wie viel Spaß die Musiker an ihrem Tun haben – oder sie verdienen alle einen Oscar für Schauspielerei. Nein, das kann nicht sein, die sind so.

Im Saal gibt es kein Halten mehr, und ich verdrücke mich ein wenig weiter nach hinten, was meine Sicht auf die Bühne aber kaum verbessert. Egal, es wird gefeiert. Jung und Alt zusammen, schöne Sache, und kaum Ärger. 'E.vil N.ever D.ies' gräbt dann schon früh in der Trickkiste – denke ich. Stimmt aber nur bedingt, denn das Ganze ist ein fantastisches Old-School-Set. Die Trickkiste wird einfach nicht wieder geschlossen. Allein vier Stücke vom Debüt "Feel The Fire" lassen keine Luft zum Verschnaufen. Die Gassenhauer aus den Achtzigern werden erbarmungslos mitgegrölt, und darüber thront erhaben Blitz' markantes Organ. Am Ende des Sets ist es dann gerade einmal ein Stück vom aktuellen Album "Immortalis", nämlich 'Skull And Bones', das den Weg in die Setlist gefunden hat. Der zweitjüngste Song des Abends war dann schon 'Horrorscope'. Von 1991.

Augenscheinlich haben sich OVERKILL damit abgefunden, dass für die Fans ihre alten Songs das Herzstück eines Auftritts bilden müssen, etwas, was bei vielen Künstlern auf wenig Gegenliebe stößt. Aber wie EXODUS zuvor ignorieren auch die New Yorker alle Konventionen und geben uns Fans, was wir uns wünschen. Angesichts der vielen würdigen Songs, die noch kommen könnten, ist es schade, dass gegen 23.30 Uhr der Spuk schon vorbei ist. Ein paar eingeworfene mittelalte Stücke wie 'Necroshine', 'Long Time Dyin'' oder 'God-Like' hätte ich mir noch gewünscht. Aber nach der Spielzeit im Colos-Saal kann man in der Regel die Uhr stellen, und so ist auch in diesem Fall erbarmungslos Schluss.

Das Publikum ist glücklich und auch reichlich erschöpft. Man muss attestieren, dass 75 Minuten Best of OVERKILL doch ganz schön schlauchen. Vor allem, wenn sich die Setlist so liest:

Deny The Cross
E.N.D.
Hammerhead
Hello From The Gutter
Rotten To The Core
Elimination
Skull & BOnes
Feel The Fire
In Union We Stand
Overkill
Horrorscope
Fuck You

Redakteur:
Frank Jaeger

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