Nuclear Blast Festival - Stuttgart

05.12.2007 | 07:48

27.10.2007, Schleyerhalle

Seit Monaten ist der Termin bekannt, das wohl bekannteste deutsche Independent-Label Nuclear Blast ist am 27.10.2007 zwanzig Jahre alt geworden. Dies ist Anlass genug für eine große Geburtstagsparty, die verpackt in ein eintägiges Hallenfestival mit einigen starken Bands aus dem Hause Blast begangen wird. Neben den Kanadiern KATAKLYSM und den Norwegern DIMMU BORGIR sind aus Deutschland SUBWAY TO SALLY, EDGUY und BLIND GUARDIAN am Start. Was aus meiner Sicht ein eindrückliches Billing darstellt, ist im Vorfeld allerdings von mancher Seite kontrovers diskutiert worden. Ein Konzert nur für die Fans der großen Bands wird beklagt, für die, die nicht über den Tellerrand des Metal-Mainstreams hinausschauen. Und wie immer gibt es auch einige, denen die Ticketpreise für diese Veranstaltung zu hoch sind. Die eigene Geburtstagsparty hätte man doch mal kostengünstiger für die Fans anbieten können, ist zu hören.

Nichtsdestotrotz: Mit Ankunft an der Festivallocation bin ich überrascht, eine derartige Menge Publikum vorzufinden, dass sich am Einlass eine unerwartete Schlange gebildet hat. Innen drin verteilen sich die Massen dann aber ganz gut. In einem Nebenraum der Haupthalle wird den Metalheads ein wenig des üblichen Merchandise geboten. Die aufwartenden Bands des Tages bieten ihre Devotionalien feil, und so erwerbe ich eine posige DIMMU BORGIR-Gürtelschnalle, die mich künftig sicher bestens beim Dienstherrn kleidet.

Zu meiner hellen Freude wird auch in der Schleyerhalle das neue Nichtraucherschutzgesetz peinlich eingehalten. Ein angenehmes Dekret der Landesväter. Und während ein beträchtlicher Teil der Fans sich in einem verqualmten todschicken Nebenräumchen tummelt, marschiere ich mit Herrn K. aus M. an meiner Seite in die Veranstaltungshalle. Hier erweist sich mal wieder, dass der frühe Vogel den Wurm fängt: Unbehelligt können wir bis in den vordersten Teil der Räumlichkeit vorstoßen, zu dem wir auch im weiteren Verlauf der Party immer wieder Einlass erhalten, während den nachfolgenden Fans weisgemacht wird, man brauche hier eine spezielle Karte. Einige unserer Freunde, die später gekommen sind, müssen sich wie so viele also mit einem Plätzchen hinter einer Absperrung begnügen. Mich persönlich stört das ja wenig, aber bei Lichte betrachtet erschließt sich diese Politik nicht. Ich habe den ganzen Abend über nicht den Eindruck, als müsse man das nicht zu bändigende Publikum mit derartigen Absperrungen im Zaume halten.

So ist's denn auch beim ersten Gig noch recht übersichtlich in der Halle. Das scheint die kanadischen Death-Metaller von KATAKLYSM aber nicht zu stören. Unter dem Banner ihrer aktuellsten CD "In The Arms Of Devastation" knüppeln sie sich munter durch das rund dreiviertelstündige Programm. Shouter Maurizio Iacono lässt dabei keine Gelegenheit aus, von den Anwesenden einen kräftigen Moshpit zu fordern, ja, gegen Ende des Gigs wird er sogar dem Ruf der Fans nach einer Wall Of Death gerecht, die aus unserer Perspektive der dritten Reihe doch recht vergnüglich aussieht. Dem kurzen aber heftigen Programm von KATAKLYSM folgt sodann der fröhliche Tobi Sammet aus Hessen an der Spitze von EDGUY.
[Erika Becker]

Nach diversen Geburtstagshuldigungen an Nuclear-Blast-Chef Markus Steiger und einem müden "Happy Birthday"-Ständchen geht es dann endlich weiter im Programm. Schon die Ankündigung, dass in wenigen Minuten EDGUY die Bühne betreten werden, löst dann aber einen etwas höheren Geräuschpegel aus. Die Menge dürstet es nach Pussymetal aus der Röhn. "Ladies and Gentlemen, welcome to the freak show" tönt es aus dem Off, und schon stürmt der gute Tobi wenig freakig mit seinem neuen Kurzhaarschnitt auf die Bühne. Dabei zeigt es sich mal wieder, dass er sich die Bewegungsabläufe von Bruce Dickinson genau angeschaut hat. Um es vorweg zu nehmen: Ich mag seine Bühnenpräsenz und seinen unermüdlichen Bewegungsdrang, finde aber auch, dass er endlich mal lernen sollte, sich für die Gesangspassagen etwas mehr Atem aufzusparen. Weniger Gehampel würde bestimmt zu einer besseren Gesangsleistung führen. Mit 'Mysteria', 'King Of Fools', 'Sacrifice' und dem lässigen 'Superheroes' stehen erwartungsgemäß die Songs der beiden letzten Alben im Vordergrund. Bei 'King Of Fools' lässt es sich Tobi nicht nehmen, darauf zu verweisen, dass diese Single eigentlich erfolgreich hätte sein müssen, es aber leider nicht war. EDGUY stehen zwar nur 50 Minuten Spielzeit zur Verfügung, trotzdem ist dies für Tobi kein Hinderungsgrund, sein Mitteilungsbedürfnis gegenüber dem Publikum zu zügeln. Ist ja auch akzeptiert, da er bei aller Belanglosigkeit in seinen Ansagen auch ein gutes Stück Unterhaltungswert versprüht. Ärgerlich wird es hingegen, wenn unnötigerweise auch noch die völligst abgelutschten Gesangsspielchen herausgekramt werden. Summa summarum mindestens ein Song verschenkt. Beendet wird die Show mit den Klassikern 'Babylon' und 'Out Of Control'. Tobi findet die Stimmung wie immer geil und wünscht uns weiterhin viel Spaß, egal ob jetzt DIMMU BORGIR oder auch Roland Kaiser auftreten.
[Stefan Karst]

Als Vertreter des beliebten Mittelalter-Metals sind heute SUBWAY TO SALLY geladen, die sicher als Trendsetter dieses Genres bezeichnet werden können - wenn ihnen das auch zuweilen nicht passt, wie das Cover ihres neuen Albums "Bastard" zeigt, auf dem der gleichnamige Schriftzug menschliche Haut brandmarkt. Ihr Auftritt am heutigen Abend ruft um mich herum später unzufriedene Diskussionen hervor. Dass im Mittelpunkt ihrer gerade begonnenen Tour das neue Album stehen würde, sei ja klar gewesen, aber zur Nuclear-Blast-Geburtstagsparty hätte man die fünfzigminütige Spielzeit doch mit einer umfassenderen Auswahl bekannter Songs der gesammelten Alben füllen können. Tja, so kann man das sehen. Mich stört es hingegen nicht, dass die Potsdamer ihren Gig erst einmal mit 'Das Hohelied' beginnen, bevor im weiteren Verlauf die neuen Ohrwürmer wie 'Die Trommel' oder 'Meine Seele brennt' vorgetragen werden. Sind die Songs auch neu, präsentiert sich die Band doch wie eh und je. Eric Fish, ausgestattet mit dem bewährten schwarzen Stirntuch, begrüßt die Freunde der Band und lässt auch den 'Schrei' nicht vermissen. Vermissen lässt er aber an dieser Stelle das 'Rätsel II', welches doch hier ein passender Hit für gute Stimmung gewesen wäre. Nun ja, dass einige beliebte Hits aus dem Programm fallen würden, hatte die Band ja in diversen Interviews angekündigt. Erfreulicherweise hat es nicht den 'Veitstanz' getroffen, nicht 'Ohne Liebe' und ebenso wenig das 'Kleid aus Rosen', bei dem Herr Fish rührselig eine junge Dame in elegantem Kleid auf die Bühne holt, um sie zu umgarnen. Nach den 'Eisblumen' erfahren wir, dass die seit Jahren einzige weibliche Eisblume in der Band, Frau Schmidt, heute ebenfalls Geburtstag hat. Trotzdem bleibt sie wie immer unauffällig im Hintergrund.

Trotz des leichten Programmschwergewichtes auf den für einige Fans noch unbekannten Songs der neuen Scheibe wird man wohl behaupten können, dass ein stimmungsvoller Auftritt auf die Bühne gebracht wird. Zwar präsentieren SUBWAY TO SALLY wahrlich keine neuen Überraschungen in ihrer Show, gleichwohl bleiben den Fans damit aber ebenso böse Überraschungen erspart.

Sicherlich auch keine Überraschungen zu bieten haben an diesem Abend DIMMU BORGIR, die das Programm gegen kurz vor neun mit ihrem norwegischen Bombast-Poser-Black-Metal fortsetzen. Auf diversen Festivals waren sie in diesem Sommer schon zu sehen - am brillantesten wohl Anfang August auf dem viel kritisierten, aber dennoch beeindruckenden Wacken Open Air - und sind gerade gemeinsam mit AMON AMARTH im Land unterwegs. Überdrüssig sind wir ihrer trotzdem nicht, denn das orchestrale Geballer von Shagrath und seinen Mannen macht immer wieder Spaß. Ihre Show untermalen sie auch diesmal mit eindrücklichen Videoszenen, die passend zu den einzelnen Songs mit Assoziationen aus der Welt der vergangenen blutigen Christianisierung spielen. Einer unter den Fans, der sich kaum halten kann, ist Herr K. aus M. ...
[Erika Becker]

Nachdem das übliche spannungssteigernde Intro verklungen ist, wird auch schon die erste diabolische Breitseite ins Publikum gefeuert: 'Progenies Of The Great Apocalypse' und 'Vredesbyrd' braten fett, leiden aber etwas unter den anfänglichen Soundproblemen. Nach dem Rückgriff auf die "Armageddon"–Zeiten kommt dann auch standesgemäß das aktuelle Album "In Sorte Diaboli" zur Geltung. Dem genialen Opener 'The Serpentine Offering' folgt auch ziemlich bald 'In Chosen Legacy'. "In Sorte Diaboli", krächzt Shagrath ins Mikro, und dankbar werden auch schon die Teufelshörnchen in die Höhe gereckt. Etwas gemächlicher geht es dann bei 'A Succubuss In Rapture' zu, das schon fast als DIMMU-Ballade durchgehen könnte. Shagrath widmet dieses Lied all den schönen Frauen im Publikum, wobei ich mich frage, wie er solche Details hier ausgemacht haben will. Aber bevor ich diese Frage klären kann, wird es auch schon spellboundig. "Spellbound by what?" - "By the devil!", wie alle Metaller richtig zu antworten wissen. Nach der Lösung dieses kleinen Rätsels gibt es zur Belohnung natürlich noch die Mutter aller DIMMU-Lieder, denn ohne 'Mourning Palace' geht es definitiv nicht zu Ende. Also wird nach rund einer Stunde noch einmal alles aus der Nackenmuskulatur herausgeholt, was möglich ist. Danach ist leider unwiderruflich Schluss! DIMMU BORGIR knallen in Stuttgart zwar ordentlich, sind aber bei weitem nicht so ergreifend wie in Wacken. War ja auch ehrlicherweise nicht zu erwarten.
[Stefan Karst]

Nach dieser diabolischen Einlage kommt es dann um viertel vor zehn auf der Bühne zur Krönung des Guitar Heroes 2007. Gemeint ist hier der Sieger eines Spielchens, das über den Sommer in rund achtzig Media-Markt-Filialen stattgefunden hat. Hier konnte sich auf der X-Box 360 im Gitarrespiel qualifizieren, wer Spaß an solcherlei Games hat. Die größte Aufmerksamkeit findet die Siegerehrung aber wohl nicht. An mir zieht sie fast unbemerkt vorüber. Interessanter sind da schon die immer wieder auf zwei seitlichen Leinwänden eingeblendeten Videofilme über die Geschichte von Nuclear Blast und insbesondere seines Begründers Markus Staiger, der in unterschiedlichsten Outfits als junger Visionär der achtziger Jahre gezeigt wird. Am heutigen Abend bedankt er sich durch persönliches Erscheinen bei den Metalheads, die zum Glück ebensolche Fans der harten Musik sind wie er selbst und mit ihrem Interesse den Erfolg seines Labels erst ermöglicht haben.
[Erika Becker]

Wer die blinden Gardinen schon einmal live gesehen hat, weiß, was ihn erwartet: Pure Energie in geballter, musikalischer Höchstform. Die Krefelder BLIND GUARDIAN wissen eben, worauf es ankommt. Auch an diesen Abend bleibt kein Auge trocken, und es wird wieder Charme ohne Ende verbreitet. GUARDIAN hatten es noch nie nötig, ein Schocker-Image zu haben oder einfach durch verrückte Glam-Klamotten-Wahl aufzufallen. Sie zeichneten sich immer durch ihre Natürlichkeit aus, weshalb sie auch in Japan sehr geschätzt werden. Auch heute Abend soll sich nichts an ihrem Charme ändern.

Wie immer starten die Jungs mit dem wohlbekannten 'Into The Storm' und bringen die Menge damit schon mal zum Kochen. Und wenn ich Menge sage, meine ich Menge: Die Schleyerhalle ist zum Bersten voll, und fast jeder schwingt seine Haarpracht zu den Klängen, die von der Bühne aus ertönen. Der Sound ist absolut geil, und die Atmosphäre, die versprüht wird, ist unvergesslich. Weiter geht's mit Krachern wie 'Mirror Mirror', das eine wahre Hysterie und Bangwelle auslöst, 'Valhalla', dem Dauer-Mitgröl-Song, 'Imaginations From The Other Side' und 'When Time Stands Still (At The Iron Hill)', dem Gänsehautgarant. Das sind natürlich nicht alle Songs, aber es kann gesagt werden, dass eine wahrlich großartige Mischung aus allen wichtigen Alben präsentiert wird. Den Fans gefällt es sichtbar gut, und die Gardinen sind ein würdiger Headliner für dieses Festival. Danke, Hansi, für deine geile Stimme! Und danke, Rest der Band, für euer meisterhaftes Spiel!
[Sebastian Schneider]

Mit dem Abgang von BLIND GUARDIAN ist das offizielle Ende des Abends erreicht. Aber eben nur das offizielle. Zum Übergleiten in die sich im Stuttgarter LKA anschließende After-Show-Party gibt es noch einen Überraschungsgig von einer als RAGE-All-Star-Band angekündigten, geheim gebliebenen Größe. Hierbei handelt es sich wohl auch um einen kleinen Werbevorgeschmack auf zwei CDs, die anlässlich des Nuclear-Blast-Geburtstags aufgenommen wurden. Unter dem Titel "Into The Light" und "Out Of The Dark" haben sich unterschiedliche NB-Künstler zusammengefunden, um zum Firmenjubiläum eigens komponierte Stücke einzuspielen. Einen Vorgeschmack bietet das folgende halbstündige Programm, dem die Jungs von RAGE (Peavy Wagner, Victor Smolski und Andre Hilgers) den Rahmen geben.

Der stets in bester Laune auftretende Peavy hebt die etwas abgeflachte Stimmung zunächst einmal mit 'Don't Fear The Winter', bevor sodann der erste Gast der All-Star-Band begrüßt wird - kein Geringerer als DESTRUCTIONs Schmier ist es, der zwar nicht mehr bei NB unter Vertrag ist, aber "zur Familie" gehört, wie er selbst erklärt. Und so präsentiert er denn gemeinsam mit den RAGE-Jungs einen unbekannten Song der Jubiläumsveröffentlichung aus der Feder von Victor Smolski und lässt sich im weiteren Verlauf zu 'Highway To Hell' hinreißen. Und dann gibt es ein munteres Kommen und Gehen auf der Bühne: Am Schlagzeug macht Andre Hilgers Platz für SUBWAY TO SALLYs Simon Michael, während sich parallel EDGUY-Bassist Tobias Exxel positioniert. Und als Quotenfrau erscheint dann noch DORO und sorgt mit 'All We Are' für ein warmes Herz.

Kurz vor halb eins ist dann tatsächlich Schluss in der Schleyerhalle. Während der Heimfahrt ereilen mich auf dem Beifahrersitz schlummernd süße Träume von Tobi Sammet an der Spitze einer Wall Of Death. Irgendwo an der Bergstraße wache ich auf und habe das gute Gefühl, dass sich die Nuclear-Blast-Party doch gelohnt hat. Fünf große Bands, die letztlich immer eine sichere Bank sind, haben sich zwar nicht überschlagen, aber für ein entspanntes Samstagabend-Programm gesorgt. Was will man im Spätherbst mehr von einem Tagesfestival?
[Erika Becker]

Redakteur:
Erika Becker

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