Motörhead - Dresden

04.12.2003 | 03:57

02.12.2003, Alter Schlachthof

MOTÖRHEAD-Fans sind krass. Fragt doch der Lemmy mitten beim Gig in Dresden, ob es zu leise ist. Und schreien alle: "Ja!!!". Obwohl es schon an diesem Punkt höllisch im Ohr bellt. Doch dies ist nur ein Teil des Phänomens MOTÖRHEAD, dass an diesem Abend wieder einmal neu erweckt wird...

Schon der Beginn wirkt unwirklich. Der "Alte Schlachthof" in Dresden ist rettungslos ausverkauft, draußen stehen etliche Fans und suchen händeringend nach Karten. Drinnen ist es eng, die Wege zu den Bierständen sind hoffnungslos verstopft. Gleichzeitig spielen SKEW SISKIN und rocken die Masse vor der Bühne von Anfang an ordentlich ein. Frontfrau Frontfrau Nina C. Alice ist nicht nur wegen ihrer coolen Raucher-Stimme der Mittelpunkt, die Frau ist DER Blickfang. Sie kommt in schwarzen Strapsen, die durch einen roten Minirock am oberen Oberschenkel abgeschlossen werden. Oben 'rum trägt sie ein orangenes Top, dazu eine Art Anzugjacke für Frauen. Darüber fällt das wirre, fast wasserstoffblonde Haar der SKEW SISKIN-Röhre, zwei zur Seite abstehende Zöpfe geben dem Schlampen-Image noch einen Bissen mehr Nahrung. Die Anzugjacke ist schon nach dem zweiten Song abgelegt, ab jetzt mutiert Nina zum weiblichen Rock'n'Roll-Bastard. Die Musik von SKEW SISKIN passt dazu hervorragend, fetter Rock dröhnt aus den Boxen. Hier wirkt nichts aufgesetzt, der Sound klingt dreckig und holzt erbarmungslos in die Gehörgänge hinein. Dazu haben die Berliner sichtlich gute Laune, schließlich spielt man nicht jeden Tag als Vorband einer Legende. Besonders dann, wenn die Legende einen nicht 'mal wiederwillig mit auf Tour nimmt. Denn Lemmy liebt SKEW SISKIN, nach dem Konzert sollte jedem klar sein, warum das so ist. Solange es solche Bands gibt, gilt der alte Satz: Rock'n'Roll will never die!

Für diese Lebensweisheit sind MOTÖRHEAD sogar ein noch besserer Beweis. In einem genialen Interview der Süddeutschen Zeitung musste Lemmy vor Kurzem genau hundert Fragen beantworten...

Auszüge:

"Wie beschreiben Sie einem tauben Mann den Sound von Motörhead?" - Antwort Lemmy: "Ein Unfall, bei dem Motorrad, Auto und Bulldozer aufeinander krachen. Das Ganze eine Terz tiefer. Und wieder hoch. Nur der Motorradfahrer überlebt."

Oder: "Wen wollten Sie mit dem ö in Motörhead ärgern?" - Antwort: "Niemanden. Es sah einfach gemeiner aus. Deutscher."

Noch cooler: "Mal einen Liegestütz probiert?" - Lemmy: "Nur auf Frauen. Ja. Armer Gag.".

Oder: "Mal beim Orgasmus »Mama« gerufen?" - Antwort: "Als Gag. Natürlich. Ist immer drin."

"Ihr letzter Kater? - Lemmy: "Ich kriege keinen Kater. Du musst mit dem Trinken aufhören, um einen Kater zu bekommen. Warum aufhören? Ich mag den Geschmack. Ich werde nicht mehr betrunken."

Zum Abschluss: "46 Wen genau wollten Sie mit Motörhead erschrecken?" - Was sagt Lemmy? "Busfahrer, Englischlehrer, die Königin, deinen langhaarigen Hippiebruder. Wir wollten angreifen. Wir waren die Band, von der Eltern fürchteten, dass ihre Tochter bei uns im Tourbus kniet."

Kurz: Der Mann ist Gott, in Dresden darf er es wieder einmal zeigen. Mit einer Kippe im Mundwinkel verkündet er am Beginn der Show: "We are Motörhead". Um danach den gleichnamigen Song furztrocken runterzuspielen. Sein Bass explodiert, kaum einer spielt dieses Instrument so geil wie Lemmy. Und vor allem nicht so cool... Seine zwei Bandkollegen Phil Campell an der Gitarre und Trommelwunder Mikkey Dee sind nicht minder authentisch. Phil raucht sogar noch mehr als Lemmy, kaut auf seinem Kaugummi herum und hat vor sich ein Mikro stehen. Warum? Weil daran ein Bierhalter geschraubt ist... Mikkey Dee ist dafür ein headbangendes blondes Haarmonster mit fehlerfreiem Drum-Anschlag. Zu dritt entfachen MOTÖRHEAD ein Krachpotential von 1000 mongolischen Soldaten beim Angriff, Songs wie 'Civil War' oder 'No Class' entfesseln die Fans vor der Bühne. Spätestens beim SEX PISTOLS-Cover 'God Save The Queen' nickt Lemmy das erst Mal anerkennend: "The best audience is in Germany." Nach weiteren Krachern wie 'Killed By Death', 'Iron Fist' oder ''Love Me Like A Reptile' wird der Rock-Godfather deutlicher: "You are the finest crowd on tour." Die Masse hat auch allen Grund zur tobenden Raserei. Etwa, als Mikkey Dee mitten in 'Sacrifice' ein fürstliches Drum-Solo mit etlichen Stick-Kunststückchen aufführt, um dann wieder in den Song einzusteigen: MOTÖRHEAD wissen nach 25 Jahren genau, wie sie ihre Fans heiß machen können. Dann ist kurz Schluss. Als Lemmy wieder rauchend auf die Bühne zurückkommt, brandet Jubel auf. Als Belohnung will er seinen Glimmstengel an einen Fan geben. Doch dann macht er den einzigen Fehler des Tages: Die Kippe fliegt zu kurz. Lemmy lächelt und fängt an seinen Bass zu bearbeiten. Die Zugaben lassen alle Dämme brechen: 'Ace Of Spades' und 'Overkill'. Was für eine Stimmung! Zwar sind erst 90 Minuten vorbei, doch tiefe Befriedigung durchzieht den Geist. (Fast) alle Klassiker, Lemmy in Bestform, diese Band rockt hoffentlich noch in 25 Jahren...

Redakteur:
Henri Kramer

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