MOTHER TONGUE mit immer guter Laune - Leipzig

28.09.2010 | 12:47

31.08.2010, Moritzbastei

Der Hippie-Haufen macht das mal wieder richtig gut.

Einem Trend der letzten Monate folgend, beginnt das MOTHER TONGUE-Konzert in der Leipziger Moritzbastei sehr, sehr pünktlich, was mich, in familiäre Verpflichtungen mit meinem Nachkömmling eingebunden, verspätet auftauchen lässt. Die Schneidersitz-Gute-Nacht-Geschichte hat heute gegen die Geschichten des kalifornischen Freundesquartetts gewonnen. Der Spreizbeinsicherheitsmann schüttelt den Kopf und ermahnt mich indirekt, als er mich von der Teilnehmerliste der Parasiten streicht: "Stand doch so inner Zeitung: zwanschdreischssch!" "Hm." Damit war der pünktliche Beginn verbal fixiert. Ja, Diskurse sind hier unangebracht, die schwarzen Jungs haben eben ihre Struktur. Ist ja auch gut so. Wie in allen Städten mit Monopoltageszeitungen können Mann und Frau diese in Leipzig nicht ernsthaft zur Erkenntnisgewinnung nutzen, aber manchmal vielleicht doch zur Informationsaufnahme.

So betrete ich verspätet den bis zur letzten Fußbreite gefüllten Raum, und nachdem mein Begleiter, ebenfalls der Familie verpflichtet, ebenso spät eintrifft, bekommen wir gerade die Auswalzung zu 'F.T.W.' mit. Da vorne scheint es ja abzugehen, ein Klatschen, Wackeln, Tanzen, dass es die Augen der beiden Hauptmucker mittig und rechts zum Leuchten bringt. Der zweite Gitarrist, dessen Tour mit den famosen BLACK MATH HORSEMEN wegen dieses unruhigen Islandvulkans ausgefallen ist, wirkt seltsam entrückt, woanders oder einfach nur müde. Der fällt heute nicht weiter auf.

Der wilde, nackte Schlagzeugberserker dort, der hat einen sehr guten Abend erwischt und übernimmt zum Ende der Beiträge nicht selten auch die Dankesrituale für das Publikum. So verbunden und glücklich das auch aussieht und sich anhört, so ist das wohl auch. Immer wieder wird die Freundschaft zwischen den vier Männern beschworen, und auch die Indie-Presse nimmt deren gegenseitige Lobesbezeugungen gerne auf, wie gerade in der Ausgabe der August-VISIONS geschehen. Wie immer abhängig von und süchtig nach der Energie des begeisterten Publikums wird auch hier die große Gemeinschaft beschworen. Zumindest für diesen Abend. Die Leute werden die Alben, die Songs wie Perlen hüten. Und sich wundern, weil die Band um den Meister David Gould leibhaftig so um einiges besser funktioniert.

Was wieder auffällig ist, ist der formidable Sound, der in dieser rundgewölbten Großkammer wieder einmal gezaubert wurde. Früher gab es vor allem bei lauten Konzerten schon oft "schwammige" Probleme; heute ist alles gut! Das für diesen Psychedelik-Punk-Blues so wichtige Bassgerüst und vor allem der Schlagwerker kommen mit ihren Darbietungen richtig zu Geltung. Die beiden Gitarristen spielen auch mit dem einen oder anderen sympathischen Vergreifer, weil das hohe Maß an Improvisationen den Fortgang zu einem guten Gesamteindruck der Musik von MOTHER TONGUE nicht schmälert.

Und vor allem spüren Mann und Frau hier eine unbändige Lust, aufzutreten und den Leuten das Erdachte um die Ohren zu hauen. Vor allem Herr Leibfried tollt über den Köpfen da oben auf der verkabelten Bühne herum, als wäre er ein ganz Junger, wobei man ihm durch den "entschärften" Look die angekratzten Vierzig nun doch ansieht.

Seit die Band 1994 in mein Leben getreten ist, ist dieses erste Album eines für die Insel, die Nachfolger haben stilistisch zwar auch einen breiten Stilüberblick geliefert, aber sind eben auch berechenbarer geworden. So werden an die einzelnen Livelieder heute im Saal– egal auf welchem Album befindlich – immer längere Jam-Passagen angehängt, was auf Dauer dann ebenfalls etwas von Schema F hat. Aber so sind die eben, diese netten Hippies. Am Seiteneingang der Bühnen hängen die leiblichen Kinder der Bandmitglieder herum und schießen Hunderte Fotos von ihren Papas. Fast scheinen sie das später als Prahlmaterial benutzen zu wollen. Stolz werden sie verkünden, was die Herren da so in Europa getrieben haben. Ein feines Leben, oder?

Mit Stolz geschwellter Brust geht es dann nach gefühlten und teilweise recht hart gespielten Zugaben in die gute Nacht – nicht ohne sich überschwänglich beim nun gesättigten Publikum bedankt zu haben. Hier wird dir etwas für Dein Geld geboten. Wir waren Zeugen eines grundehrlichen Auftritts einer Band mit hohem Eigenstellungswert, der manchmal zu ausufernd angelegt war, aber die Tontonne hier trotzdem kollektiv befriedigt hat.

Redakteur:
Mathias Freiesleben

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