MACHINE HEAD - Dresden

17.02.2010 | 12:06

13.02.2010, Alter Schlachthof

Dresden im Ausnahmezustand. Robert Flynn und Kollegen zeigen, was wahres Chaos ist! Headbang, motherfucker!

Dresden im Ausnahmezustand! Zum Jahrestag der alliierten Bombardements von 1945 wird in Dresden leider nicht nur an die Sinnlosigkeit des Krieges erinnert, sondern auch von rechter Seite bewusst Geschichtsfälschung betrieben. Bis zu 8.000 Neonazis wollen sich die Elbmetropole für ihre vorgestrigen Ansichten zu Nutze machen. Doch dank der Zivilcourage von über zehntausend Dresdnern wird aus dem braunen Spuk nur ein laues Lüftchen. Dennoch gleicht die Stadt einer kleinen Festung.

Just an diesem Tag haben die Veranstalter MACHINE HEAD und HATEBREED in den Schlachthof geladen. Fragt sich nur, warum, denn ursprünglich sollte der Gig an diesen Tag in Leipzig stattfinden. Warum man sich gerade für die Verlegung nach Dresden entschieden hat, ist mir persönlich ein Rätsel – vor allem wenn man bedenkt, dass der Schlachthof nur einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt ist.

Bereits auf der Fahrt in die sächsische Hauptstadt scheint kurz vor dem Ziel jedes zweite Auto ein Polizeifahrzeug zu sein. Blaulicht überall, Polizeisperren hier und dort. Irgendwann ist die Fahrt beendet, denn ein Polizist erklärt uns, dass vor uns der "chaotische Teil" der Stadt läge. Dumm nur, dass genau dort das Konzert stattfindet. Also dürfen wir doch weiter und verpassen durch das Chaos lediglich BLEEDING THROUGH, die pünktlich um 19.00 Uhr mit ihrer Krachcollage die eintrudelnden Besucher warmpoltern wollten. Mit dem letzten Takt entern wir die halb besetzte Location. Super!

Nach einer zwanzigminütigen Umbaupause ist es Zeit für das erste Highlight des Abends: HATEBREED. Aufgrund einer Operation von Sänger Jamey Jasta mussten die Jungs die ersten Deutschland-Gigs der Tour absagen, weswegen Dresden heute die Ehre hat, HATEBREED bei der "The Black Procession Tour" willkommen zu heißen.

Als Jamey und seine Jungs die Bühne betreten, beginnt der Moshpit zu brodeln, und als die ersten Takte ertönen, kennt das Chaos kein Halten mehr. Mosher aller Länder, vereinigt euch. HATEBREED zeigen bereits nach wenigen Augenblicken, dass sie es als einzige Hardcore-Band schaffen, die Hartwurstfraktion über die eng gesteckte Genregrenze hinaus zu begeistern.

Songs wie 'I Will Be Heard' oder 'Everyone Bleeds Now' (wobei dieser Song von etlichen Kameras mitgeschnitten wird, um die Aufnahmen für das nächste Video zu benutzen) fressen sich in die Beinmuskulatur und zwingen dich zum ekstatischen Gezappel. Auf die Fresse, fertig, los! "Ihr seid super!", schreit Jamey und fordert den nächsten großen Circle Pit. Mit dem Knochenbrecher der aktuellen Scheibe, 'In Ashes They Shall Reap', geht es wild weiter. Becher und Menschen fliegen durch die Luft, harmonisch vereint mit den Prügelorgien Marke 'Live For This' oder 'As Diehard As They Come'.

Leider zählen HATEBREED nur als Support und nicht als zweiter Headliner, weswegen der Auftritt nach dem abgefreakten 'Destroy Everything' bereits nach vierzig Minuten beendet ist. Schade, aber sagen wir einfach: kurz und knackig!



Angeschwitzt geht es in den großzügig eingerichteten Raucherbereich, um sich mit frischem Bier und stickiger Luft seelisch und moralisch auf das Highlight des Abends vorzubereiten. Fast drei Jahre hat "The Blackening" nun schon auf dem Bierdeckel. Dennoch hat dieser Dampfhammer bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt. Auf allen bedeutenden Festivals haben die Jungs um Frontsau Robb Flynn für klingelnde Ohren und steife Nacken gesorgt und mit METALLICA die Mega-Arenen ausverkauft. Doch lange gab es keine eigene Headlinertour mehr. Dieses Manko ist ab heute Geschichte. Are u ready 4 MACHINE HEAD?

Als gegen 21.00 Uhr die Lichter ausgehen, explodieren nicht nur die lauten "MACHINE fucking HEAD!"-Chöre. Ein unbeschreiblicher Lärm breitet sich aus, als die ersten Töne von 'Clenching The Fists Of Dissent' erklingen. Akustische Gitarren werden angespielt, bevor der Druck langsam erhöht wird und das Durcheinander seinen Lauf nehmen kann. Kurz Ruhe. Plötzlich durchzieht eine gewaltige Schallwelle den Schlachthof, erfasst alle Fans und reißt die Köpfe nach unten. Was für ein Sound! Eine Urgewalt wütet in Dresden. Becher fliegen durch die Luft, der Mosh-Pit spuckt im Sekundentakt Menschen aus seinem wilden Inneren. So stellt man sich die letzten Sekunden der Menschheit vor. "Fight, fight, fight!", brüllen Robb und seine Kampftruppe von der Bühne. Die Fans tun es ihnen gleich, brüllen und strecken die Fäuste in die schweißgetränkte Luft.

Mit 'Imperium' geht es ohne große Pause sofort weiter. Der Schlagzeugsound scheint nicht von dieser Welt. Was Dave McClain heute aus seiner Schießbude herausholt, grenzt an Magie. Jeder Schlag ist im Brustkorb spürbar, da können sich sogar MANOWAR eine Scheibe abschneiden.

Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt entstehen gleich mehrere Cicle Pits – da heißt es für Dutzende von Crowdsurfern, ja nicht falsch abzubiegen. Nun schnell runter, denn bei 'Take My Scars' beginnt die Meute unkontrolliert zu springen - "and I mean fucking everybody!"

Robb richtet seine Worte nun an das Publikum. Er bedankt sich unter den lautstarken "MACHINE fucking HEAD!"-Rufen bei allen Fans und erzählt, dass dies wohlmöglich die Dresden-Premiere für MACHINE HEAD ist (so ganz sicher ist er sich aber nicht). Da dies die erste Headlinertour seit langer Zeit ist, werden sie heute auch vermehrt alte Songs durch die Boxen schießen. Vor allem freut er sich, dass die Band so toll aufgenommen wird und er sich richtig wohlfühlen kann, trotz des Wirrwarrs, welches in der Stadt herrsche. Er hat dies mitbekommen und freut sich, dass trotz der großen Anzahl an "Dickheads" (großer Jubel) in der Stadt so viele Menschen zu diesem Konzert gekommen sind. Und weil vor 55 Jahren Dresden Schauplatz der Zerstörung war, folgt nun 'A Nation On Fire'. Dabei wird den Fans ein wenig Erholung ermöglicht, denn der nächste Hassbatzen folgt schon Gewehr bei Fuß: 'Ten Ton Hammer' rappelt durch den Schlachthof und lässt die Meute aufs Neue komplett ausflippen.

Nach dem chilligen 'Now I Lay Thee Down' ist es wieder Zeit für Fist-Action. Die Menge klatscht sich zu Beginn von 'Beautiful Mourning' die Knochen aus dem Leib, bevor die Fäuste um die Wette fliegen. Robb tönt im Anschluss, dass heute einfach alles erlaubt sei und wir so viel Bier trinken, so viel Gras rauchen und so viel Sex auf dem Klo haben können, wie wir wollen.

'Aesthetics Of Hate' knallt wie ein Panzer durch die Nacht, bevor es mit 'Old' wieder zurück in die Vergangenheit geht. Auch nach einer Stunde macht hier (bis auf meine weibliche Begleitung) niemand schlapp. Es wird gebangt, gemosht und gebiert!

'Descend The Shades Of Night' beginnt mit einem Akustikgitarre spielenden Robb Flynn, der sich bei dem Anblick der mitklatschenden Fans wie ein kleines Kind freut und sich strahlend für die wundervolle Atmosphäre bedankt: "Awesome, danke schön!"

Nach 'Bulldozer' und 'Struck A Nerve' ist nach neunzig Minuten zunächst Ende Gelände. Doch nach Hause geht hier keiner, denn die Lautstärke hat die Orientierungsfähigkeit aller um fünf Jahre zurückgeworfen. Robb kehrt unter ohrenbetäubendem Jubel zurück und bedankt sich erneut für diesen tollen Abend. Der gestrige Gig in München sei super gewesen, aber Dresden hat die Erinnerungen an München einfach zerstört. Zu allem Überfluss hat auch noch ein Techniker der Band Geburtstag, so dass eine kleine, aber feine "Happy Birthday"-Einlage zum Besten gegeben wird.

Robb kündigt an, dass es nach der Tour sofort an das neue Album geht, denn es gilt einen würdigen Nachfolger von "The Blackening" einzuprügeln. Aber jetzt will er es wieder krachen lassen. Der Schweiß tropft schon von der Hallendecke. Es ist Zeit für 'Halo'. Tja, muss man dazu noch viel sagen außer "Headbang, motherfucker!"? Eine gigantische Headbang-Orgie zieht durch die Location, Dresden is going crazy! "Oh my God", stößt Robb beim Anblick dieser sportlich fairen Zerstörung heraus.

Robert startet eine Welle, die euphorisch aufgenommen wird. Sind wir hier im Fußballstadion, oder was? Mit 'Davidian' schließen die Kalifornier nach knapp zwei Stunden gewaltig ab. Ein letztes Mal "Headbang, motherfucker!", ein letzter Circle Pit, ein letzter Schluck Bier. "Did you feel it my friends?" Wenn er das Gefühl der Taubheit meint, dann ja! Wer hier ohne Rauschen, Fiepen oder Ähnliches aus der Halle geht, war vorher schon taub oder ist nicht von dieser Welt.



Zwei Stunden MACHINE HEAD sind nichts weiter als pure Ekstase. Keine Band schafft es, den Dampfhammer so unterhaltsam und so intelligent zu versüßen. Einfach erste Sahne! Man kann nur hoffen, dass sich die Jungs mit ihrem neuen Album beeilen, denn diese Live-Power macht einfach süchtig. Headbang, motherfucker!

Setlist MACHINE HEAD:
Clenching The Fists Of Dissent
Imperium
Take My Scars
A Nation On Fire
Ten Ton Hammer
Now I Lay Thee Down
Beautiful Mourning
Aesthetics Of Hate
Old
Descend The Shades Of Night
Exhale The Vile
Bulldozer
Struck A Nerve
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Halo
Davidian

Für die Bilder ist Metalchick Christin Kersten verantwortlich.

Redakteur:
Enrico Ahlig

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