LACUNA COIL - London

22.10.2010 | 16:35

08.10.2010, The Relentless Garage

Boogie-Woogie mit italienisch-feurigem Goth Metal? Dann auf nach London!

So ungern ich über meinen derzeitigen Wohnort meckere, aber was die Organisation der Konzerte betrifft, scheint in London irgendwer immer zu pennen. So auch beim heutigen Gig von LACUNA COIL im Relentless Garage. Auch hier verpasse ich also wieder den Anfang der ersten Band, was sich aber schon nach wenigen Sekunden eigentlich als Glücksfall herausstellt. Denn Support-Band-Zeit ist Lokalheldenzeit, aber was man sich bei dieser Band gedacht hat, kann mir wohl niemand sagen. Die Londoner SLAVES TO GRAVITY schocken mit einem übel riechenden melting pot diverser Musikgenres. Gitarrist Mark ist auf seiner Suche nach einer Glam-Rock-Band wohl falsch abgebogen, und der Versuch von Fronter Tommy, eine Grunge-Band zu starten, war offensichtlich auch zum Scheitern verurteilt. Resultat ist ein zusammengewürfelter Haufen von relativ harten, aber nichtssagenden Chords und nicht dazu passenden Grunge-Vocals mit eingestreuten Riffs der Marke METALLICA und SILVERCHAIR. Das Beste an diesem Auftritt ist das Plektrum, das man zu seinem Bier bekommt.   

Nun heißt es aufatmen und die italienischen Freunde von LACUNA COIL begrüßen! Mit beißendem Discolicht-Gewitter und 'Underdog' vom aktuellen Album "Shallow Life" schießen die temperamentvollen Südländer direkt in die Herzen der Engländer, die erfreut und entzückt, aber kontrolliert und wohlbedacht ihre Köpfchen wippen lassen.

Sängerin Cristina steht die Freude buchstäblich ins Gesicht geschrieben und bedankt sich, heute im traumhaften London sein zu dürfen. Ob sich die Gothic-Metaller auch im Mekka of Music behaupten können? Was für eine blöde Frage! Dennoch, um zu zeigen, dass sie mit allen Wassern gewaschen sind, ballern sie 'I'm Not Afraid' hinterher. Was für eine Ansage – die Fans sind sichtlich zufrieden. Allerdings passt diese Beschreibung weniger auf Cristinas nächste Ankündigung, dass jetzt mal wieder in älteren Stücken gekramt wird. Während ich mich sabbernd auf 'Honeymoon Suite' stürze, hält sich die Aufregung bei den Engländern in Grenzen. Doch nicht mit dieser Frontfrau. Schwupps, fällt auch schon das Lederjäckchen und ein gefährlich tief ausgeschnittenes Kleidchen kommt zum Vorschein. Jetzt wacht sogar mein Nachbar auf. Tassen hoch! Dafür hat Basser Marco jetzt aber genug und möchte auch etwas Aufmerksamkeit erhaschen. Prompt steckt er sich ein fesches Blümchen an die Klampfe. Zu dumm, dass sie abbricht und er nur Mitleidsseufzer erntet.

Im Gegensatz zu seinem Feingefühl klappt das stimmliche Zusammenspiel von Cristina und Andrea allerdings wieder einmal fantastisch. Melodische männliche Vocals perfekt abgestimmt auf ihre relativ zarte und teilweise doch sehr kraftvolle Stimme bilden zusammen einen herrlichen Kontrast, der gut und gerne Gänsehaut erzeugen kann. Doch Schluss mit dem Firlefanz! Es wird Zeit, die Hits auszupacken und den Schuppen zu rocken. Vorhang auf für 'Heaven's A Lie', bei dem die Londoner in einen seltsamen Boogie-Tanz ausbrechen.

Aufgeheitzt von der feurigen Stimmung stimmt die Fronterin ihren Lieblingssong an. Einen Song, den jeder kennt und der wohl ihr größter Hit ist. Hat die attraktive Italienerin Gedächtnisstörungen? 'Heaven's A Lie' kam doch gerade. Doch plötzlich wird klar, was gemeint ist: das DEPECHE MODE-Cover 'Enjoy The Silence'. Das Publikum springt aus den Socken. Aber warum nur deklariert man ein Cover als seinen besten Song, noch dazu, wenn es nicht einmal ein gelungenes ist? Sei es drum, die Londoner lassen ihren englischen Rhythmus aufleben, und das ist ja wohl die Hauptsache.

Nach dem lieblichen 'Swamped' und dem relativ harten 'Fragile', bei dem Cristina ein klein wenig zu jodeln anfängt, ist Schicht im Schacht. Während ich nun über mein morgiges Mittagessen nachdenke, trampelt das Publikum wie blöde auf dem Fußboden herum, dass bereits nach wenigen Sekunden die Zugabewünsche erfüllt werden.

Bevor das allerletzte Stück für heute Abend, 'Our Truth', gespielt wird (bei dem die Meute buchstäblich durchdreht), wird vorerst noch das Konzert am darauffolgenden Samstag in London angekündigt, bei dem angeblich auch brandaktuelle Songs vorgestellt werden sollen. Doch für heute ist um 21.50 Uhr (!) erst einmal Sandmannzeit angesagt. Hm, da es das bärtige Männchen hier aber nicht gibt, stürzt man sich stattdessen doch lieber ins Londoner Nachtleben. Cheers!    

Setlist LACUNA COIL:
01. Underdog      
02. I'm Not Afraid  
03. Fragments Of Faith
04. What I See
05. Honeymoon Suite
06. Closer
10. I Won't Tell You  
11. The Secret
12. Heaven's A Lie
13. To The Edge
14. Enjoy The Silence
15. Cold Heritage
16. The Game
17. Swamped
18. Fragile
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19. Survive         
20. Spellbound
21. Our Truth

Redakteur:
Nadine Ahlig

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