Kreator - Berlin

03.03.2005 | 12:54

28.02.2005, ColumbiaFritz

Die Homepage von KREATOR überschlägt sich fast, was die derzeitige Rundreise der deutschen Trash-Veteranen betrifft: "Die Enemy of God-Tour ist die erfolgreichste KREATOR-Tour seit Jahren!!!!!!!!! Ausverkaufte Hallen in ganz Europa!!!!" Ob es allein an der Band um Mille Petrozza liegt? Schließlich sitzen, schlafen, trinken und fressen in den Tourbussen noch die Jungs von HATESPHERE, EKTOMORF und DARK TRANQUILLITY. Die Befürchtung liegt nahe, dass diese vierköpfige Zerstörerparade wirklich jede Halle in Schutt und Asche legt... selbst den traditionell unrockbaren und sauteuren ColumbiaFritz-Club in Berlin an einem Montagabend...

Den mit nur knapp einer halben Stunde viel zu kurzen Beginn in der noch nicht völlig überfüllten Halle läuten HATESPHERE ein. Die viel tourenden Dänen sind zur Zeit damit beschäftigt, ihre formidable im Januar herausgekommene "The Killing"-EP unter das europäische Konzertvolk zu bringen. In Berlin klappt das noch nicht hundertprozentig, zu mehr als einem Zwei-Mann-Moshpit mag es nicht reichen. Trotzdem ernten die Jungs um Schreitier Jacob Bredahl ordentlich Applaus, wenn auch Death-Thrash-Begeisterungstürme wie bei den Sommer-Festivals 2004 ausbleiben. Doch wie eine Kollegin süffisant bemerkt: "Hier sind zuviele Rucksack-Metaller, vor so einem Publikum reißen HATESPHERE eben nichts." Inzwischen ist es 20.30 Uhr und das ColumbiaFritz brechend voll. Für die Fraktion der Backpack-Mosher kommen nun EKTOMORF, die vierköpfige Band feiert eine kleine Sternstunde. Der Pogo-Pit startet schon bei den ersten Tönen der Ungarn. Die Berliner Mosh-Jugend liebt EKTOMORF, auch wenn das crossovernde Nu Metal-Quartett immer noch daran krankt, zu oft wie ihre großen Vorbilder SOULFLY zu klingen. Doch die halbe Stunde Dampfwalzen-Sound lässt selbst Kritiker staunen, denn die Begeisterung in der Halle kennt ob des druckvollen Klangs der Gitarren und der puren Showenergie von EKTOMORF keine Grenzen. Und so hüpfen mehr als hundert Körper in den ersten zehn Reihen wie von Geisterhand bewegt... Durchaus beeindruckend.

Nach dieser Darbietung in Sachen magyarischer Ton-Energie haben es DARK TRANQUILLITY trotz zwei Musikern mehr nicht unbedingt leicht, einen ähnlich großen Moshpit im Publikum entstehen zu lassen. Es ist aber auch nicht ganz einfach, sofort den Hebel von brachialem Klängen á la EKTOMORF und HATESPHERE umzustellen in Richtung melodischem Death Metal. Wobei DARK TRANQUILLITY gerade auf ihre Melodien viel Wert legen, aktuell anzuhören auf ihrem Chart-Album "Character". Von dem Silberling stehen unter anderem 'The New Build' und 'Through Smudged Lenses' auf der Setlist - und offenbaren eines: Im Verlauf ihrer nun schon 16 Jahre andauernden Karriere haben die Jungs einige Wandlungen durchgemacht und präsentieren sich anno 2005 als wirklich gute, mit feinen Kompositionen arbeitende Band, die exzellenten und modernen Metal spielen kann. Die verschiedenen Einflüsse lassen sich schon in der Zusammensetzung der Musiker ablesen: Kopfsocken-Klampfer, Rasta-Gitarrist und Glatzen-Bassist Michael, der ein wunderschönes T-Shirt mit der immer verwischter wirkenden Aufschrift "One Vodka, Two Vodka, Three Vodka, Four Vodka" trägt. Angeführt wird dieses Multi-Kulti-Völkchen von Sänger Mikael Stanne. Der schlanke und rotblonde Frontmann sieht nicht nur attraktiv aus, sondern schafft es auch, zumindest Teile der Menge zum Bangen zu animieren. Das nicht alle Leute im Saal ihre Köpfe schütteln, liegt definitiv nicht an ihm - da sind eher die zum Teil penetranten Keyboardklänge schuld, die den Songs einiges ihrer Heavyness nehmen. Wenn diese Unsitte noch etwas reduziert wird, dann können DARK TRANQUILITY richtig groß werden. So sind sie an diesem Abend eine nette Abwechslung, wollen aber eben nicht völlig in das Billing passen...

Wie es möglich ist, ohne Keyboards melodisch und unheimlich hart zu klingen?! Dieses Kunststück vollführen im Anschluss die mehr als würdigen Headliner von KREATOR. Begeisterte Fans stammeln knapp zwei Stunden später etwas von einer "Jahrhundertsetlist". Und sie haben damit nicht Unrecht. Bevor Mille Petrozza sich das erste Mal mit den Fans vom Bühnenrand aus unterhält, vergehen erst einmal zwei Songs: Der Titelsong des aktuellen "Enemy Of God"-Albums und danach 'Impossible Brutality' von derselben Scheibe. Dabei wirft ein Video ein riesiges Gehirn an die hintere Bühnenwand, es ist eingetaucht in ein wahnsinniges Regenbogen-Licht. Dann fragt Mille kurz nach: "Seid ihr bereit euch gegenseitig umzubringen?" Die Fans antworten wild schreiend... 'Pleasure To Kill' beginnt, verfolgt von 'Phobia' und 'Violent Revolution'. Als wenn das noch nicht reichen würde, schließt sich übergangslos die 'World Anarchy' vom neuen Scheibchen an, bei der die Band in grünem Stroboskop-Licht flackert, als wäre sie im Krieg. Und diese Show hat definitiv etwas von Überlebenskampf, zumindest im Mosh-Pit vor der Bühne ist für Berliner Verhältnisse die Hölle los. Dagegen hält sich der Aktionsradius der vier KREATORen in überschaubaren Rahmen - und trotzdem strahlen sie pure und machtvolle Heavyness aus. Dies ist auch bei 'Suicide Terrorist' nicht anders, der live genauso ein Moshmonster wie auf dem neuen Album ist. Nach sechs Granaten am Stück dürfen die Fans kurz durchatmen, Mille spricht. Er redet von Aggression, die nun jeder fühlen soll. In perfekten Sound rattert sogleich 'Extreme Agression' durch die Boxen... Und so weiter, und so weiter. Es ist beängstigend, wie tight KREATOR bei dieser Tour auftreten und die gesamte deutsche Thrasher-Konkurrenz á la SODOM oder DESTRUCTION schlicht vergessen machen. Denn im Gegensatz zu den beiden anderen Urgesteinen haben es KREATOR geschafft, ihren Sound in die Moderne zu retten, sich nicht zu kopieren und trotzdem ihre Ideale zu bewahren. Längst vergessen, als die Mannen um Frontmann Mille mit ihrer "Endorama"-Scheibe herum schwächelten, mit den vergangenen beiden Platten haben sie sich die deutsche Metal-Krone wieder selbst aufgesetzt. Immer wieder zu diesem Umstand passend: Ein Klopper der Marke 'Reconquering The Throne'. Ebenfalls treffend zum aktuellen Status von KREATOR erscheint das immer wieder per Video projizierte Riesenhirn, dass durchaus Assoziationen zu der teuflischen Intelligenz zulässt, mit der die KREATOR-Songs die Köpfe der Fans durchschütteln - jedes Riff sitzt perfekt, jeder Trommelschlag drischt in den Nacken, die rauen Vocals von Mille passen sowieso immer. Im Zugabeteil geht es am Schluss noch einmal nostalgisch zu. Mille hat die Fans nun schon bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit getrieben, nun will er ihnen den letzten Rest Energie auch noch ausquentschen: "It’s time to raise the flag of..." Ein donnerndes "Hate" schallt im entgegen. Doch das reicht dem Dämon auf der Bühne noch lange nicht. Insgesamt drei Versuche hat das Publikum, den Hass herauszuschreien. Dermaßen angestachelt ist 'Flag Of Hate' eine Killerhymne ohne Rückfahrschein, die nahtlos in einem explodierenden 'Tormentor' gipfelt. Am Ende steht ein letzter Schrei: "We will return!!!" Jaaaaa, denn bis zum nächsten Mal ist der Muskelkater im Nacken schon wieder vergessen...

Redakteur:
Henri Kramer

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