KREATOR, LAMB OF GOD, MUNICIPAL WASTE - Essen

01.04.2023 | 22:58

04.03.2023, Grugahalle

Time To Raise The Flag Of Thrash

Endlich! Nein, doch nicht! Jetzt aber? Nein, immer noch nicht! So oder so ähnlich dürften die Gedankengänge der Metallerfront in den letzten Monaten gewesen sein, als die Double-Headlinertour von KREATOR und LAMB OF GOD immer wieder verschoben werden musste. Doch heute soll es endlich soweit sein: Wir sitzen tatsächlich im Auto, umkurven die dicht befahrenen Straßen des Ruhrgebiets, um an unser Ziel zu kommen: die "State Of Unrest"-Tour 2023 in der Essener Grugahalle.

Hachja, die Grugahalle im Herzen Essens. Als ich zuletzt diese für Konzerte prädestinierte Stätte betreten habe, gaben sich mit SLAYER und ANTHRAX zwei Giganten des Thrash Metals gemeinsam mit KVELERTAK als Support die Ehre. Das war am 13. November 2015. Und glaubt mir, bei aller Euphorie und Power, die mir dieses Konzerterlebnis damals gab, wurde mir schlagartig anders, als ich von den Terroranschlägen in Paris und damit den furchtbaren Ereignissen im Bataclan während des EAGLES OF DEATH METAL-Konzerts gehört habe. Ich werde diesen Moment nicht vergessen, so surreal und schrecklich. Seitdem habe ich die Grugahalle nur noch von außen gesehen.

Ein merkwürdiges Gefühl ist es achteinhalb Jahre später noch immer, doch dieses Package kann ich mir als geneigter Thrash-Metal-Fan einfach nicht entgehen lassen, insbesondere da meine Crossover-Spezies MUNICIPAL WASTE die beiden Großmächte LAMB OF GOD sowie KREATOR heuer nach etlichen Neuansetzungen und Verschiebungen endlich auf deren "State Of Unrest"-Tour unterstützen.

Ein klein wenig Ernüchterung stellt sich jedoch schon vorher ein, als die Schlange Richtung Eingang gefühlt so lang ist wie meine Anreise aus Grevenbroich. Doch angestellt und mit einem Bier sowie tollen Begleitungen gerüstet, vergeht die Wartezeit wie im Nu und nach dem Schneckengang Richtung Einlass stürmen wir – zunächst die Toiletten, verflixtes Bier! – direkt im Anschluss die Treppen Richtung Seiteneingang und sehen... die Wüteriche von MUNICIPAL WASTE bereits in vollen Zügen.

Und die Jungs aus Richmond reißen die Hütte ab. Zugegeben, die Aussage darf man heute doppeldeutig sehen, doch MUNICIPAL WASTE könnte als Anheizer ob der heutigen Großtaten nicht besser fungieren. Ein guter Sound, eine wie eh und je hochagile Mannschaft und die Brecher 'Mind Eraser', 'Grave Dive' sowie 'High Speed Steel' und das abschließende 'Born To Party' sorgen für das Salz in der Crossover-Thrash-Suppe. Bereits zum fünften Mal laufen, springen, moshen und wüten mir Ryan Waste und Co. schon in den Weg und stets ist es eine absolute Wonne.

Ob neuere Brecher der letztjährigen "Electrified Brain"-Dampframme oder makellose Hau-Drauf-Perlen der "Hazardous Mutation"/"The Art Of Partying"-Ära, MUNICIPAL WASTE macht Bock! Ein großes Backdrop, coole, aber nicht allzu hektische Lichtspielchen und so dürften die Herrschaften heute ob ihrer spielfreudigen und schnörkellosen Art wieder viele Fans dazugewonnen haben. Jedenfalls strömen nach dem rund 30-minütigen Auftritt doch die einen oder anderen Zuschauer an den Merchandise-Stand, um sich nach MUNICIPAL WASTE-Shirts zu erkundigen.

Setliste: Demoralizer; Breathe Grease; Mind Eraser; The Thrashin' Of The Christ/Poison; Grave Dive; You're Cut Off, Sadistic Magician/Slime And Punishment; Headbander/Blood; High Speed Steel, Wave Of Death; Born To Party

Zuletzt sah ich LAMB OF GOD auf dem Reload Festival in Sulingen, auf dem die Band das komplette Ackergelände in Schutt und Asche gelegt hat. Heute in Essen dauert es nur zwei Frikadellenbrötchen und ein Bierchen lang, bis die Umbaupause am Ende zu sein scheint. Wohlgenährt und etwas angeschwipst darf man ob des kommenden Abrissunternehmens voller Vorfreude sein und die sollte sich auch bestätigen.

Die Bühnendeko jedenfalls ist eine Wucht und als 'Memento Mori' vom selbstbetitelten 2020er Eisen ertönt und die Lichteffekte eine starke visuelle Atmosphäre erzeugen, stellt sich nicht nur bei mir eine meterdicke Gänsepelle auf. Auch heute scheinen Randy und Co. einen absoluten Sahnetag erwischt zu haben, denn mit welcher Vehemenz, Agilität und Spielfreude die zweite Band aus Richmond – irgendwas scheint im Virginia-Wasser zu sein – heute zu Werke geht, ist aller Ehren wert.

Durch die Bank weg fliegt, springt und rennt Blythe vom einen Ende der Bühne zum anderen, hat das Essener Publikum felsenfest im Griff und lässt sich vom selbigen aus der Hand fressen. Oder einfacher: Publikum und LAMB OF GOD stacheln sich zu Hochleistungen an. Einerseits diese Groove-, Riff- und Wucht-Maschinerie auf der Bühne, andererseits die Circle-Pits, erhobenen Fäuste und die harschen Refrains keifenden Kehlen – dies vom Rande aus mitzubekommen, ist Erlebnis pur. An der Setliste seitens LAMB OF GOD gibt es auch nichts zu meckern, denn sowohl neueste "Omens"-Kostproben wie 'Ditch' oder auch das starke Titelstück werden ebenso dankbar aufgenommen wie Gaben der 00er-Jahre, von denen vor allem 'Ruin', 'Omerta' und 'Now You've Got Something To Die For' Lust und Laune machen. Abschließend – klar – dürfen 'Vigil' und 'Laid To Rest' ebenso wenig fehlen wie das vielleicht etwas satt gehörte, aber heute felsenfest sitzende und bei den Zuschauern völlige Ekstase auslösende 'Redneck', das diesen bei nahezu allen Anwesenden schweißtreibenden Erste-Sahne-Gig beendet, der auch dank des druckvollen Sounds und geschmackvollen Visualisierung in Erinnerungen bleibt.

Setliste: Memento Mori, Ruin, Walk With Me In Hell, Resurrection Man, Ditch, Now You've Got Something To Die For, Contractor, Omerta, Omens, 11th Hour, 512, Vigil, Laid To Rest, Redneck

Und nun – okay, ein Frikadellenbrötchen und eine Hopfenschorle gingen noch – treten Mille und Co. ihr Heimspiel an. Schon häufig habe ich KREATOR live gesehen, doch das erste Mal ist ex-DRAGONFORCE-Saitenzupfer Frédéric mit von der Partie und meine Herren, der Mann hat eine Ausdauer wenn es um das Headbangen geht. Und KREATOR-Gigs im Ruhrpott haben generell etwas Besonderes an sich, denn wie heute ist die Band noch souveräner, geht brutaler zu Werke, spielt sich noch konsequenter in diesen Thrash-Metal-Rausch.

Natürlich wird gleich zu Beginn das aktuelle Album "Hate über alles" angestimmt, denn nachdem 'Run To The Hills' vom Band auch seitens des Publikums laut mitgesungen wird, läuten mit 'Sergio Corbucci Is Dead' und dem aktuellen Titeltrack die KREATOR-Glocken. Und was sich danach wie ein Flächenbrand der Euphorie in der Grugahalle bemerkbar macht, ist einerseits dieser superben Ausstrahlung KREATORs, andererseits jedoch auch dieser bockstarken Songauswahl geschuldet. 'Enemy Of God', 'Phobia', 'Hordes Of Chaos', 'Phantom Antichrist' – hier wird die Créme de la Créme der halbwegs neueren KREATOR-Phase ins Publikum geschleudert, das auch dank eines druckvollen Sounds, toller Lichteffekte und stetig wechselnder Backdrops nicht aus dem Staunen herauskommt.

Ein paar weitere "Enemy Of God"-Gassenhauer oder etwaige Überraschungsmomente aus dem Anfang der 1990er Jahre hätten dem Gig sicherlich auch nicht geschadet, doch versuch mal als KREATOR in einem regulären 90-Minuten-Set alle Geschmäcker gleichzeitig zu bedienen, ohne dass neuere und neueste Kostproben außer Acht gelassen werden. Richtig, klappt nicht! Zu 'Midnight Sun' kommt auch Sofia Portanet mit auf die Bühne, 'Hail To The Hordes' ist heuer noch stärker als bei meinem letzten KREATOR-Konzert, 'Satan Is Real' ist trotz etwas arg durchgenudelten Refrains eine Bank und 'Strongest Of The Strong' macht seinem Titel alle Ehre. Und KREATOR ist eben KREATOR bleibt eben KREATOR: Mille keift, brüllt und singt sich mit dem Affentempo seiner Klampfe in einen Rausch, Sami ist eine immens coole Socke und durch nichts aus der Ruhe zu bringen und Ventor weiß wie kein Zweiter sein KREATOR-Kit zu vermöbeln. Zu Frédéric habe ich vorhin schon einige Worte verloren, denn so sehr ich Speesy auch mochte, aber der Neu-Bassist hat sich sehr gut in die Band integriert.

Abschließend gibt es altbewährte Kost aus dem Thrash-Metal-Kochtopf, als Mille die 'Flag Of Hate' nicht nur symbolisch schwingt, um anschließend zur 'Violent Revolution' anzusetzen und mit seiner 'Pleasure To Kill' das Essener Publikum nach Hause zu schicken. Dieses ist nach diesem finalen Overkill komplett am Ende, glücklich und zufrieden ob dieser fulminanten und durch und durch souveränen Thrash-Metal-Party par excellence.

Setliste: Sergio Corbucci Is Dead; Hate Über Alles; Hail To The Hordes; Enemy Of God, Phobia; Midnight Sun; Satan Is Real; Hordes Of Chaos; 666 – World Divided; Phantom Antichrist; Strongest Of The Strong; Flag Of Hate; Violent Revolution; Pleasure To Kill

Vor einigen Jahren habe ich KREATOR-Gigs zwar noch sehr gerne zur Kenntnis genommen, doch persönlich brauchte ich einfach ein paar Jährchen Pause, um wieder Gefallen an den hiesigen Live-Qualitäten des Herrn Petrozza und seiner Spielmannstruppe zu bekommen. Und die habe ich wieder. Ohja Freunde, ich habe Blut geleckt, denn dieser KREATOR-Gig – auch ob dieser formidablen Vorarbeit von LAMB OF GOD und MUNICIPAL WASTE als perfekte Anheizer – war ein lauter, starker und vehementer Schlag ins Gesicht, um wieder wach zu werden und auch künftig energischer nach KREATOR-Gigs Ausschau zu halten.

Auch wenn ich weiterhin ob der horrenden Preise einen kilometerweiten Bogen um den Merchandise-Stand machen werde, wird dies nicht mein letzter KREATOR-Gig in den kommenden Monaten und Jahren gewesen sein. Mensch, war das eine Freude – auch wieder in dieser wunderbaren Grugahalle gewesen zu sein, die mit einem grandiosen Sound, stimmungsvollen Lichtverhältnissen und einem schlichtweg tollen Ambiente erneut Werbung in eigener Sache gemacht hat. Nun ist es zwar 'Time To Raise The Flag Of Heimfahrt', doch mit allerlei Hummeln im Hintern und Hymnen en masse in den Ohren fährt es sich bekanntlich leichter. Es war mir eine Freude.

Auch möchte ich vielmals Thorsten Seiffert vom RocknRoll Reporter für die Bereitstellung dieser tollen Konzertbilder danken. Checkt gerne einmal seine Facebookseite.

Redakteur:
Marcel Rapp

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