JUDAS PRIEST/ANNIHILATOR - Oberhausen

16.06.2004 | 12:52

13.06.2004, Arena

20. September 1999, Essen Grugahalle: IRON MAIDEN kehren nach zwei stark kritisierten Alben im Quasi-Original-Line-up mit Bruce Dickinson zurück und liefern an diesem Abend eine denkwürdige Show ab, die seitdem von keinem anderen Konzert mehr übertroffen werden konnte.
13. Juni 2004, Arena Oberhausen: Die zweite britische Metal-Legende hat sich in Fast-Originalbesetzung wieder zusammengefunden und ist endlich den Wünschen von Abertausenden Fans gerecht geworden, die eine Rückkehr von Rob Halford, der sich ja nach seiner Trennung von JUDAS PRIEST mit einigen zwiespältigen Aussagen in der Metalgemeinde recht unbeliebt gemacht hatte, jahrelang gefordert hatten.

Bevor eine leider nur zur Hälfte gefüllte (PRIEST spielen ja auch diverse Festivals in der unmittelbaren Nähe) Arena jedoch in den Genuss dieses Comebacks kommen sollte, durften erst einmal die kanadischen Power-Thrasher von ANNIHILATOR auf die Bühne und sich wie gewohnt in ausgezeichneter Form präsentieren. Für eine Vorband war der Sound, den man Jeff Waters und Co. genehmigte, dabei wirklich sehr gut, Gleiches gilt für die Spielfreude, welche die an manchen Positionen veränderte Band an diesem Abend zeigte. Nachdem die Reaktionen auf den Titelsong des neuen Albums "All For You" noch eher verhalten waren, wurde es beim ebenfalls noch recht neuen `The Blackest Day´ schon etwas lauter und als man dann das Klassiker-Trio `King Of The Kill´, `Set The World On Fire´ und `Never, Neverland´ abfeuerte, gingen die ersten 30 Reihen schon alle sehr gut mit und bejubelten die Kanadier. Mit `Burns Like A Buzzsaw Blade´ schaffte es dann noch eine überraschende Komposition ins Set, welches dann nach viel zu kurzen 35 Minuten schon wieder mit dem obligatorischen `Alison Hell´, begleitet von einigen sehr hohen Screams von Jeff Waters, beendet wurde.
Besonders auffällig in der Show war der neue Sänger Dave Padden, den ich vom letzten Bang Your Head noch recht hüftsteif in Erinnerung hatte, welcher sich aber in der kurzen Zeit zu einem prima Frontmann entwickelt hat und das Publikum über die gesamte Spielzeit im Griff hatte. Mann, hat dieser Junge sich entwickelt; da kann man einen Joe Comeau schon ganz schnell vergessen. Aber sowieso: ANNIHILATOR sind live immer eine Macht!

Setlist ANNIHILATOR:
All For You
The Blackest Day
King Of The Kill
Never, Neverland
Set The World On Fire
Burns Like A Buzzsaw Blade
Alison Hell


Nun galt es, sich schnell noch mal einen leckeren Gerstensaft zu besorgen und die spannenden 30 Minuten bis zum Auftritt von JUDAS PRIEST zu überbrücken. Und dann war es soweit: Das riesige PRIEST-Backdrop wurde zur Seite gefahren und es offenbarte sich ein großes Auge mit einem Laser, der durch das ganze Publikum fuhr. Dann ertönte das Intro `The Hellion`, welches von der ganzen Halle laut mitgesummt wurde, die Band stürmte auf die Bühne und inmitten des großen Auges im Hintergrund stand er, der Metal-Gott, behangen mit einem Mantel aus Leder und Nieten und startete die ersten Zeilen von `Electric Eye´. Ich merkte nur noch, wie sich eine den ganzen Körper befallende Gänsehaut breitmachte und vorne aus dem Fotograben waren sogar einige Tränen zu beobachten, die so manchem Alt-Metaller schamlos über die Wangen liefen. Und da soll mal einer behaupten, Männer hätten keine Gefühle...
Mit `Metal Gods´ und `Heading Out To The Highway´ ging es Schlag auf Schlag weiter, jedoch versteckte Halford sich noch vor den ganz hohen Screams, was zunächst einmal mit Skepsis aufgenommen wurde. Dafür wanderte er aber von einer Seite der Bühne zur anderen, nutzte den ganzen Raum und strahlte dabei ein unheimliches Charisma aus, welches seinem Vorgänger Tim Owens trotz genialer Gesangsleistung stets abging. Vergessen die Tage, als Halford am Bühnenrand festzukleben schien, von wo aus er die Texte von einem Teleprompter ablesen musste. Lediglich bei `A Touch Of Evil´ benutzte er dieses technische Hilfsmittel, von dessen Machart auch auf den Barrikaden an der Seite der Bühne einige angebracht waren. Und gerade bei diesem Song leistete sich Halford die einzige wirkliche Schwäche und traf so manchen hohen Ton nicht.
Anscheinend hatte ihn dieser Ausrutscher nur noch mehr motiviert, denn mit einer solchen Magie in der Stimme, wie er die Ballade `Diamonds & Rust´ interpretierte, hatte ich Halford noch nie erlebt und auch `Victim Of Changes´, das lediglich von einem kleinen Spielfehler des Gitarrenduos Tipton/Downing überschattet wurde, war vom Allerfeinsten.
Zwischendurch hatte der glatzköpfige Altmeister auch den Kontakt zum Publikum gesucht, sich artig für die Resonanz, welche dieser Reunion zugesprochen wird, bedankt und auch einige Tracks mit dem dazugehörigen Album angesagt. Auf die Frage "Breaking the what?" bekam er aus ca. 4000 Kehlen ein lautstarkes Echo und ließ die Menge dementsprechend auch einen großen Teil von `Breaking The Law´ mitsingen. `Beyond The Realms Of Death´ war der nächste Klassiker, den man sich im Vorfeld nur erhoffen durfte, welcher aber dann leider auch schon das Finale mit dem zunächst endgültigen und wirklich gut gesungenen (wenn auch nicht mehr so genial wie Anfang der 90er) `Painkiller´ einläutete.

70 Minuten waren bis dahin erst vergangen und es sollten keine 71 werden, bis JUDAS PRIEST schon wieder auf der Bühne standen und mit `Hell Bent For Leather´ den vierteiligen Zugabeblock begannen. Darauf folgte der wohl bewegendste Moment des gesamten Abends. Tipton und Downing spielten das Riff von `Living After Midnight´ und wirklich jeder Einzelne sang diese Hymne aus voller Lunge mit. Ich glaube, diesen ergreifenden Augenblick werde ich mein ganzes Leben nicht mehr vergessen. Halford nutzte die Zeit zwischen den Songs noch einmal, um einige "Oh Yeah!"-Rufe ins Publikum zu schmeißen, die wie ein orkanartiges Echo wieder zurückkamen. `United´ und natürlich `You've Got Another Thing Coming´ sollten dann schließlich die Schlusspunkte dieses Konzertes sein, doch auch nachdem der letzte Ton verklungen war, kamen aus dem Publikum noch minutenlang laute "PRIEST"-Sprechchöre und generell lautstarker Jubel.
Vielleicht bin ich jetzt nicht in der Lage, eine objektive Meinung zu dieser Show zu geben, weil ich mir diese Reunion sehnlichst herbeigewünscht hatte, aber auch ich hatte im Vorfeld meine Bedenken, die sich mit diesem wirklich überragenden Auftritt vollkommen aufgelöst haben.
Owens mag der bessere Sänger gewesen sein, doch lässt ihn die bloße Präsenz eines Rob Halford inmitten dieser Band furchtbar blass aussehen. Nutzt die Chance bei den anstehenden Festivals und verschafft euch selber einen Eindruck von den wieder vereinigten JUDAS PRIEST, denn ansonsten verpasst ihr ein ganz wichtiges Stück Heavy-Metal-Geschichte!
Als Letztes noch ein Lob an diese tollen Fans, die einen großen Anteil daran hatten, dass dieser Abend etwas ganz Besonderes geworden war.

Setlist JUDAS PRIEST:
The Hellion/Electric Eye
Metal Gods
Heading Out To The Highway
The Ripper
A Touch Of Evil
The Sentinel
Turbo Lover
Victim Of Changes
Diamonds & Rust
Breaking The Law
Beyond The Realms Of Death
The Green Manalishi (With The Two-Pronged Crown)
Painkiller
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Hell Bent For Leather
Living After Midnight
United
You've Got Another Thing Coming

Redakteur:
Björn Backes

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