Hells Pleasure Metal Fest - Pößneck

26.07.2008 | 13:46

18.07.2008, Motocross-Strecke

Es gibt Fragen, die unter Metal-Fans gemeinhin ein freudiges "Ja, gerne!" auslösen. "Wer will meine Karte fürs Wacken?", gehört beispielsweise in diese Kategorie. Doch folgt auf die Frage, gestellt in größerer Runde beim "Hells Pleasure"-Festival, nur Schweigen. Die kleine Begebenheit illustriert recht exemplarisch, wie sich das Festival und die anwesenden Besucher gern selber sehen - als Teil des Metal-Undergrounds, frei von Kommerz, aber mit viel Sinn für den Spirit, der aus Metal mehr als nur laute Musik macht.

Diese Einstellung lässt sich an beiden Tagen des Open Airs trefflich erleben, zu dem insgesamt wohl um die 1.000 Leute finden. Der Ort ist eine Motocross-Strecke, gelegen am Rande des thüringischen Kleinstädtchens Pößneck. Mit den norddeutschen Doom-Deathern von OPHIS beginnt der Reigen am Freitag, ehe mit NECROSADISTIC GOAT TORTURE ein erstes derbes Todesblei-Kommando tiefe Kerben in die Gehörgänge der Zuschauer schlägt. Zu diesem Zeitpunkt stehen rund 500 Leute vor der Bühne, der entspannte Durchschnittswert für das Hells-Pleasure-Wochenende. Noch ein paar Fans mehr kommen allerdings zu NOCTURNAL, die einen besonderen Gig spielen. "Das ist heute unser letzter gemeinsamer Auftritt", kündigt Frontmann Reaper schon während der Show an. Er wird die Band aus persönlichen Gründen und in aller Freundschaft verlassen. Beim Hells Pleasure gibt der Reaper deswegen noch einmal alles: Sein Mikro-Ständer fliegt meist über den Bühnenboden, der Sänger selber übt sich rauchenderweise im Bierkicken. Der Thrash Metal dazu macht einfach Spaß, das Publikum feiert die Koblenzer ausgelassen. Und eigentlich sagen Songnamen wie 'Thrash Attack' oder 'Creation Of The Possessed' alles über diesen Auftritt, der mit einem tödlichen EXODUS-Cover endet (und mit welchem? - PK).

Mit MIRROR OF DECEPTION steht hernach eine der vielen Doom-Bands auf der Bühne, die für den besonderen Reiz des Hells-Pleasure-Festivals wesentlich mitverantwortlich sind. Denn zwischen viel tiefschwarzem Geballer sind gerade solche Bands für die nötige Abwechslung unverzichtbar, gerade wenn sie so bewundernswert schön klingen wie die Truppe aus Esslingen. Ein Gig zum Verlieben, bei dem solche Songs wie 'Ghost' hypnotischen Offenbarungen für jeden Doom-Fan gleichen. Deutlich brutaler fallen die Gigs von DEMONICAL aus Schweden und KAWIR aus Griechenland aus - einmal erhalten die Fans derben Schweden-Tod serviert, dann wieder netten Keyboard-Black-Metal. Besonders DEMONICAL können trotz kurzer Spielzeit überzeugen, auch wenn das Mikro von Sverker Widgren öfter einmal Schwächeanfälle bekommt. Dennoch fällt das Problem nicht weiter ins Gewicht, die Fans feiern Songs wie 'Death Metal' oder 'Burned Alive' gnadenlos ab. So dürfen die Ex-CENTINEX-Musiker ihren Auftritt als echten Erfolg feiern - haben sie sicher auch auf gewohnt schwedische Weise gemacht. KAWIR dagegen fallen vor allem durch ihre lustige Schminke auf. Musikalisch bleibt ihr Black Metal allerdings nur Durchschnittsware.

Beim TRIMONIUM setzt zum ersten Mal während des Festivals ein recht ungemütlicher Regen ein. Der Stimmung tut dies keinen Abbruch. Warum, dass verrät der Notizzettel, auf dem die kurze Bemerkung "geiler Black Metal" notiert ist. Dabei klingen die Deutschen ähnlich kraftvoll wie ihre Landsmänner von DESASTER, der Sound ist roh und dreckig. So wie traditioneller Black Metal eben rumpeln sollte, mit schicken Titeln á la 'Son Of A Blizzard', 'Blow The Horns' oder 'When The Ravens Fly'. Und noch etwas dürfte die zahlreichen Fans freuen: Der neue Gitarrist für den ausgestiegenen Bandgründer Dolch macht seine Sache mehr als gut. Demnächst ist die Band einen Auftritt in Norwegen gebucht: In dieser Form werden die Skandinavier TRIMONIUM lieben.

Und die Partyatmosphäre geht weiter. Bei GRAVE hört der Schauer auf, niemand muss mehr an der Bar stehen, um sich vor Wasser von oben zu schützen. Die Band dankt dem Regengott mit einer von Klassikern wie 'You'll Never See' gespickten Show, die ein geniales 'Into The Grave' krönt. Allerdings fällt auf, dass im Vergleich zu den Thrash-Bands bei der Death-Metal-Legende doch deutlich weniger Leute durchdrehen - was allerdings nicht an der formidablen Leistung der Schweden um ihren Frontmann Ola Lindgren liegen dürfte.

Eine Premiere folgt für MELECHESH: Es dürfte das erste größere Festival sein, das die israelisch-holländische Bands als Hauptband bestreiten darf. Entsprechend konzentriert, fast schon ein wenig unterkühlt, beginnen Ashmedi und sein Trupp den Gig. Die Anspannung fällt im Laufe des Konzerts aber ab, weil das Publikum solche sumerischen Black-Metal-Hits wie 'Of Mercury And Mercury', 'Rebirth Of The Nemesis' oder 'Triangular Tattvic Fire' ordentlich abfeiert. So bleibt der Band nur, am Ende ein fettes "Dankeschön!" in Richtung tobende Menge zu rufen. Das Experiment, MELECHESH als Headliner zu holen, ist gelungen, ihre eigentümlichen Melodien hallen noch lange im Ohr nach. Und die fast manisch anmutende Art, wie Frontmann Ashmedi seine Gitarre spielt, ist einer der Hinguck-Gründe für den Freitag!

Wer jetzt schon an Schlafen denkt, hat nicht mit den Veranstaltern gerechnet. Kurzfristig sind noch IMPALER auf das Billing gerutscht, weil die Amis gerade sowieso durch Deutschland ziehen. Die Entscheidung lohnt sich, weil die Horror-Thrasher eine kultige Show liefern, die Freunde von Old-School-Attitüde mehr als begeistert. Im Mittelpunkt steht der gewichtige Frontmann Bill Lindsey mit seiner coolen Schminke, der genauso verranzt aussieht, wie der Sound von IMPALER dreckig klingt - und das ist ein Kompliment. Unter anderem können sich die Fans an Songs wie 'Impaler' laben, Stunden nach Mitternacht genau die richtige Musik zum Bier. Ein fantastischer erster Tag findet so seinen feuchtfröhlichen Abschluss.

Redakteur:
Henri Kramer

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