Headbangers Open Air - Brande-Hörnerkirchen

26.09.2008 | 17:30

24.07.2008, Festivalgelände

Samstag, 26.07.08

Als wir bei strahlendem Sonnenschein am Samstagmorgen am Gelände vorfahren, haben STONE COLD BLACK bereits gespielt. Also haben ABANDONED die Ehre, uns einzustimmen. Und genau das gelingt den hessischen Bay-Area-Rabauken auch ganz prächtig. Die Jungs haben mächtig Spaß in den Backen und liefern einen arschtighten Gig ab, der Stimmung macht. Vor allem die Ansage, in der Kalli die Ansagen von Rob Dukes kritisiert, erntet viel Applaus und dürfte der Band weitere Sympathiepunkte eingebracht haben. Sehr souverän.

Wie auch die Herrschaften vom Bulldozer-Geschwader Cleveland: DESTRUCTOR. Das rumpelig-charmante Geballer des Ohio-Vierers wird mit 'Tear Down The Heavens' amtlich gestartet, und bereits jetzt weiß man, dass die nächste Stunde ein kurzweiliges Vergnügen sein wird. Völlig gleichgültig, welcher Song gerade gespielt wird, die Meute vor der Bühne geht steil. Die Band übrigens auch. Auch wenn ich vermute, dass DESTRUCTOR in einer verräucherten Kneipe noch eine Spur bissiger klingen, ist die Durchschlagskraft des Auftritts unglaublich hoch. Dabei spielt es übrigens auch keine Rolle, ob die Jungs Material aus den Achtzigern oder von gestern zum Besten geben. Qualität kennt kein Alter. Das Quartett hat sichtlich Freude an dem ihm entgegengebrachten Enthusiasmus und fackelt ein Feuerwerk ab, welches seine Höhepunkte in 'Sonic Bullet', 'Iron Curtain' und dem Schädelspalter 'Skull Splinter' findet. Die CDs, die Bill Peters am Auburn-Records-Stand danach zum Schleuderpreis von lumpigen fünf Euro verkauft, gehen entsprechend weg wie warme Semmeln. Wer hier nicht zuschlägt, hat das Album entweder schon oder ist tot. Killerband, Killershow.

Größer könnte der Kontrast kaum sein. Nach dem Bombardement von DESTRUCTOR spielen nämlich die hochmelodischen PRAYING MANTIS zum Tanze auf. Und bereits das eröffnende 'Children Of The Earth' erntet den höchsten Mitsingquotienten des gesamten Festivals, was die Band offensichtlich beeindruckt. Selten habe ich eine so alte Kapelle derart agil und gleichzeitig tight erlebt. Zur allgemeinen Begeisterung wird in erster Linie das Debüt gezockt und lediglich durch gleichaltrige Single-Nummern wie 'Johnny Cool' ergänzt. Ein kluger Schachzug der NWoBHM-Veteranen, die so den Garten wirklich zum Brennen bringen. Sie selber scheinen ebenso erfreut zu sein wie die Fans, was man am breiten Grinsen aller Beteiligten unschwer erkennen kann. Als Dankeschön bekommen wir eine extralange Version des Bandklassikers 'Captured City' serviert, die sicherlich zu den Höhepunkten des gesamten Festivals gezählt werden darf. Ganz toll. Bei dieser Qualität darf man hoffen, dass PRAYING MANTIS noch sehr lange durchhalten werden.

Nun gibt es wieder klassischen US Metal. Dieses Mal von AXEHAMMER, deren letzte Scheibe "Windrider" für ziemliches Aufsehen in den Underground-Zirkeln sorgen konnte. Eingeleitet von dem uralten 'Princess' brettert der Hammer energisch und gleichsam präzise in die Magengrube der anwesenden Zuhörer, denen das gut zu gefallen scheint. Mir mangelt es ein wenig an Höhepunkten, und so nutze ich die Gelegenheit, ein wenig shoppen zu gehen. Bei der Größe des Geländes verpasst man ja trotzdem akustisch nicht viel, da man von allen Stellen aus noch etwas mitbekommen kann. Ein angenehmer Umstand. So komme ich pünktlich zum abschließenden Titelsong des oben genannten Letztwerks zurück zur Bühne und darf noch miterleben, wie die Band abgefeiert wird. Wäre ich mal besser doch geblieben.

Es folgt "Fat Matt und die Hot Dogs", besser bekannt unter dem Namen WILD DOGS. Nachdem der gute Matt McCourt die ganze Zeit auf dem Festival präsent war, wusste man, in welchem körperlichen Umfang er auftreten würde. Insofern hat sich der optische Schock bei mir in Grenzen gehalten. Da er auf dem legendären dritten Album "Reign Of Terror" durch Michael Furlong (sic!) ersetzt wurde, beschränkt sich die Band heute darauf, lediglich den Titelsong in ihr Programm aufzunehmen. Schade, aber nicht unerwartet. Ansonsten bekommen wir zackigen Hardrock mit sehr guter Gitarrenarbeit von Robert Robinson geboten, der kurzweilige Unterhaltung bietet. Nicht mehr und nicht weniger.

REBELLION fallen einer Essenspause zum Opfer, so dass ich gestärkt zum lange ersehnten NEW EDEN-Gig wieder mit Anwesenheit glänzen kann. Leider kommt die Band um Horacio Colmenares ohne ihren zweiten Gitarristen, was gerade bei ihrem verschachtelten Material an einigen Stellen zu Soundlöchern führt. Gleich der furiose Start mit dem Oldie 'Piracy' sorgt bei mir aber für Freude, denn Neu-Fronter Rod Arias gibt eine gute Figur ab. Er ist permanent mit dem Publikum in Kontakt und jodelt sich sehr amtlich durch die hohen Vorgaben seiner prominenten Vorreiter. Und darunter befindet sich in Rick Mythiasin (STEEL PROPHET) immerhin ein ganz großer Sirenen-Akteur. Unbeirrt davon geben NEW EDEN absolutes Vollgas und präsentieren mit 'Crawling Erect' und 'The Not Self' zwei amtliche Kostproben des nächsten Albums "Solving For X", die Appetit auf mehr machen. Das eingestreute 'Running Free'-Cover sorgt natürlich zusätzlich für gute Stimmung.

Nach dieser korrekten Vollbedienung begebe ich mich zur gemütlichen Laberrunde in die hinteren Ränge, um mit großem Erstaunen festzustellen, mit welcher Begeisterung PICTURE empfangen werden. Ich muss gestehen, die Band immer nur ganz nett gefunden zu haben, scheine mit dieser Meinung allerdings relativ alleine im Garten zu stehen. Da ich mich gerne eines Besseren belehren lasse, harre ich gespannt der Dinge, die da kommen werden. Und gleich der erste optische Eindruck ist hart. Gut, die Herren sind alle schon etwas älter, aber dieser Hairdo von Sänger Pete Lovell geht mal gar nicht. Während ich mich frage, ob er da einen benutzten Wischmob auf dem Kopf trägt, versuche ich mich auf die musikalische Darbietung zu konzentrieren. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Schnell komme ich allerdings zu dem Ergebnis, dass er zumindest in Sachen Performance, Ausstrahlung und gesanglicher Leistung, nicht viel verlernt hat. Die Menge frisst dem Sänger aus der Hand.

Die Holländer spielen sich durch beinahe alle Alben und dabei werden natürlich auch solche Hits wie 'Heavy Metal Ears' oder 'Eternal Dark' zum Besten gegeben. Erstklassig umgesetzt, aber insgesamt nicht so ganz meine Baustelle. Für viele sind PICTURE eine der Gewinnerbands des Wochenendes, ein Fazit, das ich so nicht unterschreiben kann. Über Geschmack lässt sich halt nicht streiten.

Kurz einmal die Beine vertreten und dann auf ins Getümmel, denn bei BEEHLER ist es wirklich voll vor der Bühne. Eigentlich auch kein Wunder, denn wie lange hat man den charismatischen Schrei-Drummer von EXCITER, Dan Beehler, der in seiner Begleitmannschaft gleich noch Allan Johnson aus alten Tagen mit anschleppt, nicht gesehen? Es ist Ewigkeiten her. Eröffnet wird sehr eindrucksvoll mit dem Doppel-Inferno 'Stand Up And Fight' und 'Heavy Metal Maniac', bevor das Quartett mit 'Iron Dogs' einen halben Gang zurückschaltet. Heiliges Blechle, ist das grandios! Der Knüppelbruder Dan thront im Hintergrund über seinen drei Axtschwingern und schreit sich wie in alten Zeiten amtlich die Lunge aus dem Leib. Nebenbei ackert er sich wie ein Berserker mit Hochdruck durch die Klassiker, als wäre die Zeit stehen geblieben. Es ist ein Fest für Alt und Jung. Neben den bekannten Hymnen – nicht anders kann man solche Nummern nennen – gibt es mit 'Psychotron', Used Bitch' und 'Beyond The Gates Of Doom' auch ein paar neue Granatäpfel, die dem alten Gebrate in nichts nachstehen. Als BEEHLER sich mit 'Ace Of Spades' verabschieden, ist das Geschrei nach mehr groß, so dass uns noch 'Long Live The Loud', World War III' und 'Cry Of The Banshee' die letzten Kräfte rauben. Danach bin ich fertig mit der Welt und frage mich, warum ich EXCITER so lange zu Hause nicht aufgelegt habe.

Nach diesem exzellenten Vortrag ist meine Lust auf DEATH SS, von denen ich nicht viel kenne, verschwindend gering, aber die Aussicht auf eine unterhaltsame Horror-Show lassen mich dann doch verweilen. Wobei diese Weile aus mir nicht bekannten Gründen immer länger wird. Wahrscheinlich dauert das Schminken und Kostümieren der Musiker so lange. Als die Truppe dann endlich auftritt, bin ich anfänglich amüsiert ob der optischen Erscheinung. Besonders böse wirken die Kostüme nun nicht gerade, aber auf einer Halloween-Party würden die Italiener wohl eine gute Figur abgeben. Musikalisch verstehen es die Herrschaften, mich trotz einsetzender Müdigkeit kurzfristig mitzureißen. Nach einer halben Stunde wird mir das allerdings zu langweilig, und ich verziehe mich.

Insgesamt kann ich wieder ein grandioses Festivalerlebnis abspeichern, bei welchem lediglich die teils sehr langen Wartezeiten an den Essensständen zu kritisieren sind. Dafür waren die Preise, wie auch in den Jahren zuvor, angenehm niedrig und die Organisation nahezu perfekt. Auf den "Parkplatzwächter" will ich hier jetzt nicht näher eingehen.

Redakteur:
Holger Andrae

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